Kriminalisierung von Solidaritätsbekundungen mit palästinensischen Widerstand auf dünnem Eis
von Oskar Hummel, Salzburg
In einem Urteil des Wiener Verwaltungsgerichts wurden die absurden Vorwürfe des Landesamts Staatsschutz und Extremismusbekämpfung gegen Anwältin Frau Mag. Dr. Astrid Wagner, die auch für die Liste GAZA kandidierte, entkräftet. Ihrem Einspruch wurde stattgegeben. Um einen weiteren gefährlichen Angriff auf die Meinungsfreiheit handelt es sich trotzdem.
Versuche die Solidarität mit dem palästinensischen Volk und seinem gerechtfertigten Widerstand gegen Unterdrückung, Apartheid und Besatzung zu unterdrücken, sind nichts neues. Insbesondere Parolen wie „Intifada“ oder „From the river to the sea, palestine will be free“, die schlicht die Legitimität des Kampfes gegen Besatzung und den Wunsch nach Freiheit für ALLE auf dem Boden des historischen Palästinas zum Ausdruck bringen werden zum Anlass genommen, um das Recht auf freie Meinungsäußerung, insbesondere auf Kundgebungen und Demos, einzuschränken. So wurde am 23. Mai bei einer Kundgebung, die von der Polizei aufgelöst wurde, Anzeige gegen Astrid Wagner erstattet. Die Begründung: Sie habe sich nach Paragraph 282 des Strafgesetzbuches schuldig gemacht, da sie auf besagter Kundgebung das Wort „Intifada“ und die Parole „From the river to the sea“ verwendete. Dieser Paragraph handelt von „Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten“.
Was war tatsächlich passiert? Frau Mag. Dr. Astrid Wagner gab auf dieser Kundgebung eine rechtliche Expertise als Anwältin, in der sie (basierend auf einem Urteil des Landesverwaltungsgerichtshof Niederösterreich) erklärte, wie die Verwendung von „From the river to the sea“ auf politischen Kundgebungen nicht als Grund für eine Auflösung der Versammlung rechtlich herhalten kann. Sie erklärte auch, dass die Verwendung des Begriffs „Intifada“ nicht volksverhetzendes enthält. Widerstand sei mit demokratischen Mitteln erlaubt und man dürfe sich gegen Unrecht einsetzen. Das hat nichts mit Terrorverherrlichung zu tun. (Hier das Video ihrer Rede.)
In weiterer Folge wurde die Versammlung von der Polizei aufgelöst. Astrid Wagner, die den Kundgebungsort verließ, wurde von Beamten zur Identitätsfeststellung aufgehalten. Frau Wagner wurde kein Grund dafür genannt. Auch das war rechtswidrig, wie der Wiener Verwaltungsgerichtshof jetzt befunden hat.
Der Versuch, eine rechtliche Expertise zu „Intifada“ und „From the river to the sea“ als Verhetzung zu verdrehen, stellt eine Ungeheuerlichkeit dar. Nicht nur die Solidarität mit den Palästinensern und Palästinenserinnen, sondern selbst rechtliche Einordnungen und Klarstellungen, die den Diffamierungen und Behauptungen des in der österreichischen Dominanzgesellschaft vorherrschenden Bildes den argumentativen Boden entziehen, sehen sich mit Ermittlungsverfahren konfrontiert. Umso wichtiger ist daher dieser Erfolg. Es zeigt sich ein weiteres Mal, dass mit Einschüchterung versucht wird den Protest gegen den Völkermord in Gaza und Österreichs diplomatische Unterstützung dafür, zu unterbinden. Das Signal: Wer heute den Kampf gegen Unterdrückung und Kolonialismus unterstützt, muss sich vorsehen, denn der Staatsschutz ist gleich zur Stelle.
Im Ermittlungsverfahren gegen Frau Mag. Dr. Astrid Wagner wird sich unter anderem auf einen Erlass des Bundesjustizministeriums bezogen (ursprünglich ein Geheimerlass!). In diesem wird versucht, die „Intifada“ und „From the river to the sea“ als Begründungen für den Anfangsverdacht des Vergehens der „Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten“ hinzudrehen. Das BMJ schildert darin seine subjektive Wahrnehmung gewisser Ereignisse der palästinensischen Geschichte. Eklektisch werden Dinge zusammengewürfelt, Zitate so angeführt, dass etwas völlig anderes suggeriert wird und mit inhaltslosen Phrasen und altbekannten Schlagworten nur so um sich geschmissen.
Hier ist nicht der Platz, um eine ausführliche Widerlegung all dieser absurden Behauptungen zu leisten. Dies wurde an anderer Stelle bereits mehrfach getan: Justiz-Erlass: Wer Besatzung in Frage stellt, heißt Terror gut
An dieser Stelle seien einige kritische Fragen aufgeworfen, die an den Prämissen der üblichen Argumentationsmuster rütteln:
Wieso wird der Aufruf zur Intifada in Verbindung mit einer terroristischen Handlung gebracht, wenn das Wort 1. Im palästinensischen Kontext einfach für das „Abschütteln“ der Besatzung steht? In der ersten Intifada (1987-1993) beispielsweise durch weitgehend friedliche Aktionen gegen die Besatzung, wie etwa Streiks, Demonstrationen und zivilem Ungehorsam. Und 2. der Begriff Intifada auch für andere Aufstände im arabischen Raum verwendet wurde und wird, so zum Beispiel für Aufstände im Sudan 1964 und 1985?
Was bedeutet eigentlich der ständige Bezug auf das „Existenzrecht Israels“? Wie kann man von einem Existenzrecht sprechen, wenn besagter Staat selbst nicht einmal seine eigenen Grenzen definiert? Wie ist die Formulierung zu verstehen, dass es verwerflich wäre die „Existenz Israels in seinem jetzigen Ausmaß“ in Frage zu stellen? Zum „jetzigen Ausmaß“ gehört nämlich auch völkerrechtswidrig annektiertes Gebiet im Westjordanland…
Wieso wird der Spruch „From the river to the sea“ bei palästinensischen Akteuren skandalisiert, während Vertreter der israelischen Regierung andauernd einen israelischen Staat zwischen Jordan und Mittelmeer fordern?
Es ist nicht verwunderlich, aber dennoch erschreckend, mit welcher Dreistigkeit gegen diejenigen, die sich gegen einen bestialischen Völkermord stellen vorgegangen wird. Schritt für Schritt wird ausgetestet, wie weit gegangen werden kann, um Meinungs- und Versammlungsfreiheit auszuhöhlen. Dieser Erfolg vor Gericht ist daher ein wichtiges Signal. Wir müssen weiter Wachsam sein und den Diffamierungs- und Hetzkampagnen etwas entgegensetzen.