Johanna Mikl-Leitner, die Landeshauptfrau von Niederösterreich und Politikerin der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), erklärte kürzlich in einem Interview mit dem ORF, dem österreichischen öffentlich rechtlichen Fernsehen, dass das Land einen “Kampf gegen den Islam führen” müsse. Ihre Aussage erfolgte im Kontext der Rechtfertigung des plötzlichen Kurswechsels ihrer Partei in Bezug auf die FPÖ. Die ÖVP hatte zuvor eine Regierungsbildung mit der FPÖ ausgeschlossen, da deren letzte Koalition von schweren Korruptionsskandalen geprägt war. Diese politische Zusammenarbeit war von weit verbreiteten illegalen Machenschaften überschattet, die schließlich zum Sturz und zur Verurteilung des ehemaligen österreichischen Kanzlers und sogenannten europäischen “Wunderkinds” Sebastian Kurz (ÖVP) führten.
Die FPÖ, eine Partei, die nach dem Zweiten Weltkrieg von ehemaligen SS-Mitgliedern und Nationalsozialisten gegründet wurde, galt lange als eine Partei, die von Nazis für Nazis geschaffen wurde. In dem ORF-Interview wies Mikl-Leitner die Notwendigkeit vorgezogener Neuwahlen zurück und stellte die Möglichkeit einer Regierungsbildung mit der FPÖ unter Herbert Kickl in Aussicht—einem Politiker, der sich offen mit dem Titel “Volkskanzler” identifiziert, einem Begriff, der historisch mit Adolf Hitler verbunden ist. Noch im letzten Jahr sangen FPÖ-Mitglieder, die der Beerdigung eines langjährigen Parteifunktionärs beiwohnten, ein Lied zu Ehren des “heiligen Deutschen Reichs”, das während der NS-Zeit populär war. Dennoch scheint für Mikl-Leitner der Islam eine größere Bedrohung als die Nazis darzustellen.

Die Normalisierung der Islamfeindlichkeit in Österreich

Ihre Aussage blieb während und nach der Ausstrahlung des Interviews unwidersprochen, was die Normalisierung eines islamfeindlichen Diskurses in der österreichischen Gesellschaft widerspiegelt. Hunderte von Medienprofis—Produzenten, Redakteure und Journalisten—hatten die Gelegenheit, eine kritische Frage zu stellen oder ihre Rhetorik zu verurteilen, doch sie blieben stumm. Diese Passivität ist nicht nur ein Versagen journalistischer Ethik, sondern auch eine stillschweigende Billigung der gefährlichen Ideologien, die ihre Worte verkörpern. Diese Gleichgültigkeit erinnert an die Zeit vor dem Holocaust, als giftige Parolen gegen Juden ungehindert verbreitet wurden. Damals wie heute spielte die Rolle der Medien eine entscheidende Rolle bei der Legitimierung von Hass—sei es durch aktive Zustimmung oder durch passives Ignorieren.


Das gezielte Vorgehen gegen den Islam


Mikl-Leitners Aussagen sind kein isolierter Vorfall; sie sind Teil eines breiteren gesellschaftlichen Trends, in dem diskriminierende Sprache und Politik zur politischen Norm werden. Später behauptete sie, ihre Aussage sei ein “Lapsus” gewesen und sie habe eigentlich “politischer Islam” gemeint. Doch diese Klarstellungen konnten das zugrundeliegende Vorurteil nicht verschleiern. Der Begriff des Freud’schen Versprechers, wenn unbewusste Gedanken ungewollt an die Oberfläche treten, ist in diesem Kontext besonders bedeutsam—vor allem, wenn man bedenkt, dass Sigmund Freud selbst, ein österreichischer Jude, 1938 aufgrund des institutionalisierten Rassismus aus seiner Heimat fliehen musste. Damals war das Ziel der Hasskampagne das Judentum; heute ist es der Islam. Die Parallelen sind erschreckend. Sowohl Antisemitismus als auch Islamfeindlichkeit beruhen auf Prozessen der Entmenschlichung, indem sie die betroffenen Gruppen als existenzielle Bedrohung für die kulturelle und politische Ordnung darstellen. Weit davon entfernt, ein bloßer Versprecher zu sein, offenbaren Mikl-Leitners Worte eine tiefere Krankheit in der politischen und gesellschaftlichen Landschaft Österreichs. Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) forderte eine Erklärung für ihre Äußerungen. Hakan Gördü, Vorsitzender der linksgerichteten Partei Soziales Österreich der Zukunft (SÖZ), verlangte eine umgehende Entschuldigung. Mikl-Leitner verweigerte jedoch nicht nur eine Entschuldigung, sondern verschärfte ihre Rhetorik weiter: “Wer mit offenen Augen durch unser Land geht, wird sehen, dass zu viele Migranten in Österreich ihre Religion über unsere Bräuche und Gesetze stellen. Und das akzeptiere ich nicht.”

Ein Test für den Rechtsstaat

Im Gegensatz zu einigen europäischen Nachbarländern gab es in Österreich bisher keine öffentlichen Koranverbrennungen, was auf einen soliden rechtlichen Rahmen zum Schutz der Religionsfreiheit zurückzuführen ist. Das österreichische Strafgesetzbuch kriminalisiert in § 189 ausdrücklich Handlungen, die durch Gewalt oder Androhung von Gewalt religiöse Riten stören oder gefährden. Verstöße können mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren geahndet werden, was die Verpflichtung des Landes zum Schutz
religiöser Gemeinschaften unterstreicht. Aussagen, die zu einem “Kampf gegen den Islam” aufrufen, stellen eindeutig eine Gewaltandrohung dar. Es bleibt abzuwarten, ob die Gesetze, die Mikl-Leitner so gerne erwähnt, auch auf sie selbst angewendet werden. Derzeit sieht sie sich mit rechtlichen Schritten konfrontiert, die von verschiedenen Organisationen und Einzelpersonen, darunter die Partei SÖZ, eingeleitet wurden.


An einem Scheideweg

Wird Österreich seine eigenen Gesetze konsequent anwenden, oder sind Muslime bereits zu Bürgern zweiter Klasse degradiert? Das Versäumnis, Gleichheit vor dem Gesetz durchzusetzen, würde einen gefährlichen Schritt in Richtung systemischer Ungleichheit bedeuten und könnte darauf hindeuten, dass Österreich in einen Zustand gerät, der dem eines Apartheidstaates ähnelt. Dieser Fall stellt auch die österreichische Verpflichtung zum Säkularismus auf die Probe, der sowohl die Trennung von Religion und Staat als auch die Nichteinmischung der Regierung in religiöse Angelegenheiten erfordert. Wenn Gesetze gerecht sein sollen, müssen sie auch auf Politiker angewandt werden, deren Rhetorik Hass gegen eine bestimmte Religion schürt.
Esad Širbegović

Esad Širbegović stammt aus Bosnien, arbeitete lange beim Bundesrechenzentrum in Wien und lebt nun in der Schweiz. Er ist Journalist und Kommentator.