Warum „Liste Gaza“ nicht bei den Wien Wahlen kandidiert, die durch sie platzierten Themen aber so relevant wie nie sind. Einladung zu einem konstituierenden Prozess für eine breite Oppositionsplattform für Frieden und soziale Gerechtigkeit.
Die Liste GAZA hat bei der Nationalratswahl 2024 zentrale gesellschaftliche Widersprüche ins Zentrum gerückt: Österreichweit haben rund 19.000 Personen der Politik der etablierten Parteien und ihrer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung des Völkermords an den Palästinenser:innen mit der Stimme für die Liste GAZA eine klare Abfuhr erteilt. In Wien waren es sogar 1,12% der Wähler:innen.
Diese Menschen haben sich gegen eine Politik gewendet, die von Ausbeutung, Krieg und Vernichtung profitiert. Gegen die Politik der Entdemokratisierung, die sich in Demoverboten gegen die pro-palästinensische Bewegung zeigt und in der Diffamierung von oppositionellen Kräften. Gegen die Politik der Angst, die insbesondere gegen Menschen aus dem arabischen Raum bzw. Muslim:innen gerichtet wird, welche von den etablierten Parteien unter einen Generalverdacht der Gewaltbereitschaft und des Terrors gestellt und herabgewürdigt werden. Die Dehumanisierung, die Israels Politiker:innen gegenüber den Palästinenser:innen betreibt, äußert sich hier bei uns in politischer und sozialer Ausgrenzung, in Kriminalisierungsversuchen (wie bei der Operation Luxor) und Rassismus. Nicht zufällig hat die ÖVP-Landeshauptfrau Mikel-Leitner, als zentrale Aufgabe der kommenden Regierung den „Kampf gegen den Islam“ postuliert. Ausgrenzung und „Kulturkampf“ – vom Kreuz im Klassenzimmer, bis hin zu verpflichtenden Nikolofesten, Kopftuchverbot und Strafen für Eltern, die als „nicht integrationswillig“ gelabelt werden – damit wird gegen Muslim:innen in Österreich mobil gemacht. Die tatsächlichen Sorgen und Probleme – steigende Mieten und Lebensmittelpreise, Abbau des Sozialstaats, steigender Druck auf sozial schlechter gestellte Menschen, strukturierte Umverteilung zu den Besitzenden, die immer reicher werden, fehlende Mittel und Fachkräfte im Bereich Bildung – bleiben unberührt und unthematisiert.
So gesehen ist die Liste Gaza viel mehr als nur eine Wahloption, bei den Nationalratswahlen 2024 gewesen. Sie ist ein Projekt der Ermächtigung all jener, deren legitime Anliegen für Frieden und gleiche soziale und demokratische Rechte, in dem herrschenden System keine Repräsentation finden oder denen die Teilhabe an demokratischen Prozessen durch eine Politik der Angst, die von den etablierten Parteien instrumentalisiert wird, verwehrt bleibt. Und diese Gruppe, die Gruppe der Zweifler:innen, die wissen, dass die Interessen der Mehrheit der Menschen durch die etablierten Parteien nicht repräsentiert sind und die sich selbst daher auch nicht repräsentiert wissen, wird immer größer. Gaza ist weltweit zu einem Symbol für die Ungerechtigkeiten und das Gräuel dieses Systems geworden, dass sich am Leid der Vielen zum Wohl einiger weniger bereichert, aber auch zu einem Symbol für den wachsenden Widerstand gegen dieses und für Solidarität.
Die Forderung der Liste Gaza sind mithin nicht obsolet. Sie sind aktueller denn je:
Auch mit dem derzeitigen Waffenstillstand in Gaza bleibt das Elend unter der Besatzung in Palästina tägliche Realität. Die Atempause für die unter dem Genozid leidenden Menschen in Gaza wird von Israel dazu genutzt, die Kämpfe im Westjordanland zu intensivieren. Offen sprechen die Verbündeten Israels – wie etwa der US-Präsident Trump – über ihre Ideen den Gazastreifen von Palästinenser:innen zu „räumen“.
Die Politik Österreichs hat sich in Bezug zu Palästina ebenso in keiner Weise verändert: Obschon selbst Gruppen wie Amnesty International nunmehr eine klare Position zum Völkermord beziehen, und der gesellschaftliche Druck, politische, militärische und wirtschaftliche Verbindungen mit Israel zu kappen steigt, bleibt die 2023 zwischen Österreich und Israel unterschriebene „strategische Partnerschaft“ aufrecht. Aufrecht bleibt auch der Beschluss des Wiener Gemeinderats von 2018 BDS, eine der international breitestes Menschenrechtskampagnen zum Boykott des Apartheidstaats Israel, zu kriminalisieren und Veranstaltungen, sowie Personen, die für BDS sprechen, keinen Raum zu geben (zuletzt passiert, während des Völkermords bei den Wiener Festwochen). Die Diffamierung und Kriminalisierung von Aktivist:innen ist weiterhin an der Tagesordnung. Die Beispiele zeigen: weder hat die Forderung nach einem Ende der Komplizenschaft mit dem israelischen Besatzungsregime mit dem temporären Waffenstillstand in Gaza an Relevanz verloren, noch hat die Gemeindeebene bei Themen, die die Liste Gaza behandelt, keine Relevanz.
Trotzdem und trotz der insgesamt 9.053 Wiener:innen, die bei den Wahlen ihre Stimme gegen den Völkermord erhoben haben und die Liste GAZA wählten, haben wir beschlossen bei den kommenden Gemeinderatswahlen in Wien am 27. April nicht anzutreten. Wir wollen alle, die bereits einmal den Schritt gemacht haben, mit ihrer Stimme für die Liste GAZA ein Zeichen für eine gerechtere Welt zu setzten, ermutigen, auch bei den Wahlen in Wien diesem Kompass zu folgen. Denn in Wien treten unterschiedliche Parteien an, deren Aktivist:innen in der Palästinabewegung präsent sind und die auch als Kandidat:innen der Liste GAZA aktiv waren.[1]
Als Liste GAZA wollen wir unsere gemeinsame Energie dafür nutzen, eine breite, gesellschaftliche Opposition für Frieden und soziale Gerechtigkeit zu schaffen, die auf den Erfahrungen der Liste GAZA und den Verbindungen, die durch diese geschaffen werden konnten, aufbaut. Die notwenigen Kernthemen die durch eine solche Opposition aufgegriffen werden müssen, liegen auf der Hand und leiten sich von den konkreten Erfahrungen und Grundsätzen der Liste Gaza ab. Der Einsatz für soziale Gerechtigkeit, für Frieden und Demokratie entlang der folgenden konkreten Forderung:
- Verteidigung der Neutralität Österreich, als ein Instrument gegen Völkermord und für Frieden
- Verteidigung der demokratischen Grundrechte, gegen Demoverbote und die Kriminalisierung von oppositionellen Kräften
- Gegen Investitionen in Aufrüstung und Krieg, für Investitionen in Bildung und Soziales
- Gegen eine Politik der Feindbilder, für eine gemeinsam soziale und demokratische Opposition
Wir laden alle Kräfte, die sich in der Liste Gaza eingebracht haben, mit dieser eine Stimme bekommen haben und all jene Kräfte, die die oben genannten Grundsätze mit uns teilen ein, die konkreten Grundlagen einer solchen Opposition gemeinsam zu entwickeln.
Denn nicht zuletzt das Ergebnis der Nationalratswahlen und die derzeitigen Regierungsverhandlungen zeigen: Es gibt einen konkreten Wunsch nach einer solchen Opposition!
Bilder von der Diskussion am 23.1.25
Videos von der Diskussion am 23.1.25
[1] etwa Sali Attia, Gerhard Bruny und Youssef Shehata