Die Entscheidung zur Kandidatur der Liste GAZA war richtig. Wir haben ein breit wahrgenommenes Signal gesetzt und mit über 19.000 Stimmen eine gute politische Basis für die Weiterarbeit geschaffen.
Zudem:
1. Verständlicherweise wurde unsere Kandidatur von sehr vielen WählerInnen nur als rein außenpolitisch fokussierte Ein-Themen-Kandidatur gesehen. Perspektivisch gesehen ist GAZA aber darüber hinaus ein geeignetes Kürzel/Symbol für das strukturell bestehende globale Unrecht einerseits und für eine adäquat notwendige globale Befreiungsbewegung andererseits. Wenn es uns gelingt, diesen Begriffstransfer glaubhaft zu kommunizieren, kann das Kürzel GAZA für den Aufbau einer breiten politischen Bewegung und allenfalls auch für eine zukünftig parlamentsfähige Kandidatur erfolgreich verwendet werden. Ob das in der Formation einer Liste oder einer Partei geschieht ist dabei zunächst nebensächlich.
2. Das grundsätzliche Problem des herkömmlichen Systems besteht darin, dass die dominanten politischen Gestaltungskräfte weder in ihren Analysen und daher erst recht nicht in ihren Lösungsansätzen an die Wurzeln der tiefen globalen Systemkrise heranreichen. Die gesellschaftliche und politische Macht der in den Händen einer schmalen Schicht von Menschen angehäuften gigantischen Kapitalien, und daher die plutokratisch-oligarchische Strukturiertheit unserer Demokratie wird nicht thematisiert. Im Gegenteil: Die in unseren Parlamenten vertretenen Parteien versuchen – unter der Vorgabe Brüssels – die global zunehmend katastrophalen Folgen des systemischen Krisentreibers “globalisierter Kapitalismus” mit einem innersystemischen nationalstaatlich-politischen Pragmatismus zu begegnen. Dass dies nichts zu nachhaltigen Problemlösungen beitragen kann, ist evident. Auch bei uns wissen oder spüren zunehmend mehr Menschen, dass die bestehenden Probleme – Konkurrenz, Stress, Beziehungslosigkeit, Arbeitslosigkeit und Präkarität, Teuerung, Verarmung, Klimawandel, Migration, Aufrüstung, Krieg, usw. – sich weiter verschärfen werden. Ihr weitergehender Vertrauensverlust in diese Politik ist die logische Folge.
3. Anders gesagt: Die herrschenden Schichten unserer Gesellschaft sind aus ihrer verengten Interessensorientierung heraus zu keinen sachadäquat tiefgreifenden Analysen des globalen Systemzusammenhangs fähig/willens. Aufgrund der interessensbedingten Seichtheit ihrer Analysen haben sie anstatt langfristig wirksamen Lösungen nur Symptomkuren anzubieten. Logisch folgend müssen sie dabei zunehmend zu einer Politik der Austerität, der Angst, der Meinungssteuerung und der Repression greifen.
4. Änderungsbezogene Bewegungen und Wahlparteien brauchen für ihren längerfristigen Erfolg ein weltanschaulich markantes Alleinstellungsmerkmal, das von Gruppen, die systemintern-pragmatisch agieren, nicht geboten werden kann (z.B. hat mit dem Paradigma des ökologischen Denkens in den 1970 und 1980er-Jahren eine solche weltanschaulich-politische “Marktlücke” mit problem-lösenden Erklärungspotential bestanden. Sie ermöglichte den Aufstieg der Grünen Bewegung). In diesem Sinn könnten wir einen längerfristig angelegten Begriffstransfer des Kürzels GAZA, als zukünftiges “Symbol für globale Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden” versuchen. Wir müssen weg von der eurozentrischen Weltsicht. Das bedarf aber einer entschlossenen und nachhaltigen politischen Kommunikation.
5. Unsere Analyse ist eine Strukturanalyse des herrschenden Kapitalismus und seiner hegemonialen Machtentfaltung. Da systemische Strukturen aber von vielen Menschen als abstrakt empfunden werden und nur begrenzt politisierbar sind, ist es notwendig in der politischen Auseinandersetzung auch Ross und Reiter, unterworfene Systemverlierer und Systemprofiteure klar zu benennen. Unsere Kritik am System, den politisch Verantwortlichen und ihren Magnaten im Hintergrund ist notwendigerweise scharf.
6. Für die Lösung der Krisen und Missstände geben wir den Menschen ihre demokratische Verantwortung zurück. D.h. Wir machen Politik nicht “für sie”, sondern “mit ihnen”.
7. Unser friedenspolitisches Handeln orientiert sich grundsätzlich an der Gewaltfreiheit. Mit Ausnahme der Gewalt gegen Zivilist*innen ist Gegengewalt von Gruppen und Völkern gegen rassistische und koloniale Unterdrückung vom Völkerrecht/Genfer Konvention 1949 gedeckt. In jedem Fall klären wir aber konsequent über die dahinterliegenden Systemzusammenhänge auf.
8. Die globalen ökologischen Grenzen und unsere Orientierung an der ebenso globalen Gerechtigkeit erfordern ein selbstkritisches Überdenken auch unserer westlichen Lebensstile. Unsere politische Arbeit muss diese Kritik praktisch-glaubwürdig vorleben. Der Schlüsselbegriff dazu heißt Genügsamkeit.
9. Im Gebrauch unserer “kulturellen Codes” achten wir auf deren weitgehende Akzeptanz in breiten Schichten der Bevölkerung. Das gilt vor allem für die Sprache. Ein Beispiel dafür ist ein oft unnotwendiger, überschießender Gebrauch von Anglizismen.
10. Während FPÖ und ÖVP einen Kulturkampf organisieren und sich die anderen Parlamentsparteien wegducken, nimmt unsere weiterführende Bewegung – und allenfalls aufzubauende Partei – aufgrund unserer intern bereits gegebenen ethnischen, sozialen und kulturellen Vielfalt, die von uns angestrebte erweiterte demokratische Kultur praktisch glaubwürdig vorweg.
11. Der grundsätzliche und umfassende Ansatz unserer Politik lässt keine raschen durchschlagenden Erfolge erwarten. Vor uns liegen die Mühen der Ebene.
Franz Sölkner,
Liste Gaza Steiermark
20.12.2024