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Mailkampagne zum Waffenhandelsabkommen (ATT)


16. Dezember 2024

Sehr geehrter Frau Schweitzer,

Sehr geehrter Fr. Solmirano,

Als Vertreter:innen der internationalen BDS Bewegung in Österreich (BDS-Austria) fordern wir alle Mitglieder des ATT mit diesem Schreiben auf, dringend Maßnahmen hinsichtlich der Waffenexporte der Bundesrepublik Deutschland nach Israel zu ergreifen.

Die Präamel des ATT unterstreicht die “freiwillige und aktive Rolle “welche die Zivilgesellschaft, einschliesslich nichtstaatlicher Organisationen, und die Industrie dabei spielen können, das Bewusstsein für Ziel und Zweck dieses Vertrags zu schärfen und seine  Durchführung zu unterstützen”. Deshalb bitten wir das Sekretariat, diesen Antrag unter den Mitgliedsstaaten weiterzuleiten (1). Weiters wollen wir Sie in Ihrer Rolle als österreichische Delegierte für das Waffenhandelsabkommen auf folgenden Umstand aufmerksam machen:

Seit Oktober 2023 verkauft Deutschland Waffen und Munition an Israel im Wert von mindestens 14,5 Millionen Euro – Stichtag ist der 21. August 2024 (2). Zudem weitet die deutsche Bundesregierung ihre Genehmigungen für Waffenlieferungen an Israel stärker aus als bisher bekannt. Nach Angaben des deutschen Auswärtigen Amtes (3) sind allein seit August 2024 Waffenexporte im Wert von 94,05 Millionen Euro nach Israel genehmigt worden. Deutschland ist damit der zweitgrößte Waffenlieferant nach den USA und der größte unter den ATT-Mitgliedern.

Als Vertreterin Österreichs vor den Vereinten Nationen ist Ihnen die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom 26. Januar 2024 sicherlich bekannt. Demnach gibt es plausible Gründe anzunehmen, dass Israel derzeit einen Völkermord an 2,3 Millionen Palästinenser:innen im besetzten und belagerten Gazastreifen begeht. Im Juli stellte der IGH fest, dass die gesamte israelische Präsenz, einschließlich der militärischen Besatzung und der kolonialen Siedlungen im Westjordanland und Ostjerusalem und im Gazastreifen, illegal ist und so schnell wie möglich beendet werden muss. Der IGH stellte außerdem fest, dass Israel gegen das Verbot der Apartheid verstößt. Aufgrund der Beschlüsse des IGH sind Drittstaaten  verpflichtet, sich nicht an Israels Genozid, illegaler Besatzung und Apartheid zu beteiligen und Maßnahmen zu ergreifen, um Israels Verbrechen und Verstöße zu beenden und zu bestrafen.

Im April 2024 wies der IGH in seinem Urteil zur Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Mittäterschaft an Israels plausiblem Völkermord im Gazastreifen Deutschland weiters darauf hin, dass die Lieferung von Waffen und die Bereitstellung anderer militärischer Unterstützung gegen die Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention verstoßen.Die Rolle Deutschlands bei der Ausfuhr und dem Transfer von Rüstungsgütern stellt daher eine vollständige, bewusste und anhaltende Verletzung der Normen und Verpflichtungen des ATT dar.

Nach Artikel 6.3 des Vertrags darf “ein Vertragsstaat keinerlei Transfer von konventionellen Waffen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 oder Gütern im Sinne des Artikels 3 oder 4 genehmigen, wenn er zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigung Kenntnis davon hat, dass die Waffen oder Güter bei der Begehung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, schweren Verletzungen der Genfer Abkommen von 1949, Angriffen auf zivile Objekte oder Zivilpersonen, die als solche geschützt werden, oder anderen Kriegsverbrechen im Sinne völkerrechtlicher Übereinkünfte, deren Vertragspartei er ist, verwendet werden würden (4).

Artikel 7.1 besagt: “ ist die Ausfuhr nicht nach Artikel 6 verboten, so bewertet jeder ausführende Vertragsstaat vor Erteilung der Genehmigung für die unter seiner Hoheitsgewalt erfolgende Ausfuhr von konventionellen Waffen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 oder Gütern im Sinne des Artikels 3 oder 4 in Übereinstimmung mit seinem nationalen Kontrollsystem, auf objektive und nichtdiskriminierende Weise und unter Berücksichtigung entscheidungserheblicher Faktoren, einschließlich Informationen, die der einführende Staat nach Artikel 8 Absatz 1 zur Verfügung gestellt hat, die Möglichkeit, dass die konventionellen Waffen oder die Güter:

a) zu Frieden und Sicherheit beitragen oder diese untergraben würden;

b) dazu verwendet werden könnten:

i) eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts zu begehen oder zu erleichtern,

ii) eine schwere Verletzung der internationalen Menschenrechtsnormen zu begehen oder zu erleichtern

iii) eine Handlung vorzunehmen oder zu erleichtern, die nach völkerrechtlichen Übereinkommen oder Protokollen betreffend den Terrorismus, deren Vertragspartei der ausführende Staat ist, eine Straftat darstellt,

iv) eine Handlung vorzunehmen oder zu erleichtern, die nach völkerrechtlichen Übereinkommen oder Protokollen betreffend die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, deren Vertragspartei der ausführende Staat ist, eine Straftat darstellt.

Nach offiziellen Angaben hat der genozidale Angriff auf den Gazastreifen bisher mindestens 46.000 Palästinenser:innen, der Großteil davon Frauen und Kindern, das Leben gekostet. Menschenrechtsexpert:innen der Vereinten Nationen haben bereits am 19. Februar darauf hingewiesen, dass auch geschlechtsspezifische Gewalt durch die israelischen Streitkräfte im Gazastreifen und im Westjordanland weit verbreitet ist. Als bekannte Fürsprecherin für Frauenrechte wollen wir Sie an den Artikel 7 Absatz 4 des ATT erinnern. Dort heißt es: “Bei dieser Beurteilung berücksichtigt der ausführende Vertragsstaat das Risiko, dass die in Artikel 2 Absatz 1 genannten konventionellen Waffen oder die in den Artikeln 3 oder 4 genannten Güter dazu verwendet werden, schwere geschlechtsspezifische Gewalttaten oder schwere Gewalttaten gegen Frauen und Kinder zu begehen oder zu erleichtern”.

Als unsere österreichische Vertreterin des ATT fordern wir Sie höflich dazu auf, die von Deutschland jährlich vorzulegenden Rüstungsexportberichte besonders genau zu prüfen und die deutsche Bundesregierung für die Nichteinhaltung der ATT-Bestimmungen zur Rechenschaft zu ziehen. Bei der Überprüfung der Jahresberichte müssen auch die Produktion und der Export deutscher Waffenhersteller in andere Länder (z.B. Rheinmetall in Spanien, Südafrika, Australien, Ungarn, Kanada, USA, Großbritannien) sowie israelische Rüstungsfirmen wie Elbit Systems mit Niederlassungen in Deutschland, die möglicherweise Rüstungsgüter nach Israel exportieren, berücksichtigt werden.

Mit großer Sorge mussten wir feststellen, dass auch Österreich das internationale Waffenhandelsabkommen verletzt. Das österreichische Bundesheer hat erst kürzlich einen Vertrag mit dem israelischen Rüstungskonzern ELBIT Systems (in Ö: ESLAIT) abgeschlossen (5). Dieser 7-jährige Rüstungsvertrag über den Kauf von Mörsertürmen für den Pandur Panzer im Gesamtwert von 53 Millionen US-Dollar stellt für die israelische Rüstungswirtschaft einen großen Gewinn dar und trägt zur Aufrechterhaltung des Völkermordes in Gaza bei. Der Import von Waffen aus einem Staat der nachweislich Kriegsverbrechen und sogar Völkermord begeht, stellt einen Verstoß gegene Artikel 6 des Waffenhandelsabkommens dar. Da in den Jahresberichten über die Exporte nach Israel auch viele Faustfeuerwaffen angeführt waren, möchten wir Sie weiters dazu aufforden, abzuklären ob diese Faustfeuerwaffen, vermutlich von der Firma GLOCK, auch an das israelische Militär (IDF) oder die israelische Besatzungspolizei (“Border Police”) gehen.

Die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen, die sich unter anderem aus der Völkermordkonvention, der Konvention gegen Apartheid, der IV. Genfer Konvention und dem Waffenhandelsabkommen ergeben, ist keine Frage des Ermessens, sondern eine völkerrechtliche Verpflichtung. Und als Vertreterin eines neutralen und demokratischen Staates erwarten wir von Ihnen, dass Sie dieser Verpflichtung nachkommen.

Wir fordern Ihre Delegation und alle Mitglieder des ATT auf:

(1) dafür zu sorgen, dass die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich von weiteren Waffenexporten an den Staat Israel absieht, bis Israel nachweisen kann, dass es als Endverbraucher alle Anforderungen des ATT erfüllt;

(2) zu prüfen, ob auch Österreich mit seinen Waffenexporten an Israel vertragsbrüchig ist

(3) andernfalls Deutschland und/oder Österreich vom ATT zu suspendieren

Wir bitten Sie weiters, sich dafür einzusetzen, dass Deutschland und Österreich den ATT-Jahresbericht für 2024 fristgerecht der Öffentlichkeit zugänglich macht, da es sich um eine Angelegenheit von großem öffentlichen Interesse handelt. Doppelstandards im internationalen Recht führen letztlich dazu, dass dieses noch weiter ausgehöhlt wird. Zuletzt wollen wir Sie noch über eine kurze Rückmeldung darüber bitten, ob Sie unserem Ansuchen nachkommen können und/oder wollen.

Für etwaige Rückfragen können Sie uns gerne kontaktieren.

Hochachtungsvoll,

BDS Austria (Wien)

(1) https://www.waffenexporte.org/wp-content/uploads/2019/09/Vertrag-%C3%BCber-den-Waffenhandel_Arms-Trade-Treaty-ATT.pdf

 (2) https://www.profil.at/ausland/deutschland-liefert-seit-maerz-keine-kriegswaffen-mehr-an-israel/402948362

 (3) https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/ruestungsexporte-ausgeweitet-deutschland-israel-100.html

 (4) https://www.waffenexporte.org/wp-content/uploads/2019/09/Vertrag-%C3%BCber-den-Waffenhandel_Arms-Trade-Treaty-ATT.pdf

(5) https://defence-network.com/elbit-systems-crossbow-moerserkampfsystem/

As representatives of the international BDS movement in Austria (BDS-Austria), we are writing to all members of the ATT to urge them to take urgent action regarding arms exports from the Federal Republic of Germany to Israel.

The ATT’s preamble emphasizes the “voluntary and active role that civil society, including non-governmental organizations, and industry can play in raising awareness of the object and purpose of this treaty and supporting its implementation”. We therefore ask the Secretariat to circulate this request among the member states (1). Furthermore, in your role as Austrian delegates to the Arms Trade Treaty, we would like to draw your attention to the following fact:

Since October 2023, Germany has been selling arms and ammunition to Israel worth at least 14.5 million euros – the deadline is August 21, 2024 (2). In addition, the German government is expanding its licenses for arms deliveries to Israel more than previously known. According to the German Federal Foreign Office (3), arms exports worth 94.05 million euros have been approved for Israel since August 2024 alone. This makes Germany the second largest arms supplier after the USA and the largest among the ATT members.

As Austria’s representative before the United Nations, you are certainly aware of the decision of the International Court of Justice (ICJ) of January 26, 2024. According to this decision, there are plausible grounds to believe that Israel is currently committing genocide against 2.3 million Palestinians in the occupied and besieged Gaza Strip. In July, the ICJ found that the entire Israeli presence, including the military occupation and colonial settlements in the West Bank and East Jerusalem and the Gaza Strip, is illegal and must be ended as soon as possible. The ICJ also found that Israel is in violation of the prohibition of apartheid. Based on the ICJ’s decisions, third states are obliged not to participate in Israel’s genocide, illegal occupation and apartheid and to take measures to end and punish Israel’s crimes and violations.

In April 2024, in its judgment on Nicaragua’s claim against Germany for complicity in Israel’s plausible genocide in Gaza, the ICJ further pointed out that Germany’s supply of arms and provision of other military assistance violates its obligations under the Genocide Convention.Germany’s role in the export and transfer of arms therefore constitutes a complete, deliberate and continuing violation of the norms and obligations of the ATT.

According to Article 6.3 of the Treaty, “a State Party shall not authorize any transfer of conventional arms as defined in Article 2, paragraph 1, or items as defined in Article 3 or 4, if, at the time of making the decision to authorize, it has knowledge that the arms or items would be used in the commission of genocide, crimes against humanity, grave breaches of the 1949 Geneva Conventions, attacks against civilian objects or civilians protected as such, or other war crimes as defined in international agreements to which it is a party (4).

Article 7.1 states that “if the export is not prohibited under Article 6, each exporting State Party shall, before authorizing the export under its jurisdiction of conventional arms as defined in Article 2, paragraph 1, or items as defined in Article 3 or 4, assess, in accordance with its national control system, in an objective and non-discriminatory manner and taking into account factors relevant to the decision, including information provided by the importing State pursuant to Article 8, paragraph 1, the possibility that the conventional arms or items:

a) contribute to or undermine peace and security;

(b) could be used to:

(i) commit or facilitate a serious violation of international humanitarian law,

(ii) commit or facilitate a serious violation of international human rights law

(iii) commit or facilitate an act that constitutes a criminal offense under international conventions or protocols on terrorism to which the exporting State is a party

(iv) to commit or facilitate an act that constitutes an offence under international conventions or protocols on transnational organized crime to which the exporting state is a party.

According to official figures, the genocidal attack on the Gaza Strip has so far cost the lives of at least 46,000 Palestinians, the majority of them women and children. United Nations human rights experts pointed out on February 19 that gender-based violence by Israeli forces in Gaza and the West Bank is also widespread. As a well-known advocate for women’s rights, we would like to remind you of Article 7(4) of the ATT. It states:

“Bei dieser Beurteilung berücksichtigt der ausführende Vertragsstaat das Risiko, dass die in Artikel 2 Absatz 1 genannten konventionellen Waffen oder die in den Artikeln 3 oder 4 genannten Güter dazu verwendet werden, schwere geschlechtsspezifische Gewalttaten oder schwere Gewalttaten gegen Frauen und Kinder zu begehen oder zu erleichtern”.

As our Austrian representative to the ATT, we politely urge you to scrutinize the annual arms export reports submitted by Germany and to hold the German government accountable for non-compliance with the ATT provisions. When reviewing the annual reports, the production and export of German arms manufacturers to other countries (e.g. Rheinmetall in Spain, South Africa, Australia, Hungary, Canada, USA, UK) as well as Israeli arms companies such as Elbit Systems with branches in Germany, which may export arms to Israel, must also be taken into account.

It was with great concern that we discovered that Austria is also violating the international arms trade agreement. The Austrian Armed Forces recently concluded a contract with the Israeli arms company ELBIT Systems (in Austria: ESLAIT) (5). This 7-year arms contract for the purchase of mortar turrets for the Pandur tank with a total value of 53 million US dollars represents a huge profit for the Israeli arms industry and contributes to the perpetuation of the genocide in Gaza. The import of arms from a state that is demonstrably committing war crimes and even genocide is a violation of Article 6 of the Arms Trade Treaty.

As many handguns were also listed in the annual reports on exports to Israel, we would also like to ask you to clarify whether these handguns, presumably from the GLOCK company, also go to the Israeli military (IDF) or the Israeli occupation police (“Border Police”).

Compliance with obligations under international law, including the Genocide Convention, the Convention against Apartheid, the IV. Geneva Convention and the Arms Trade Treaty is not a matter of discretion, but an obligation under international law. And as the representative of a neutral and democratic state, we expect you to fulfill this obligation.

We call on your delegation and all members of the ATT:

(1) to ensure that the Federal Republic of Germany immediately refrains from further arms exports to the State of Israel until Israel can prove that it fulfills all requirements of the ATT as an end user;

(2) to examine whether Austria is also in breach of the treaty with its arms exports to Israel

(3) if not, to suspend Germany and/or Austria from the ATT

We also ask you to ensure that Germany and Austria make the ATT annual report for 2024 available to the public in a timely manner, as this is a matter of great public interest. Double standards in international law ultimately lead to it being undermined even further. Finally, we would like to ask you for a brief response as to whether you are able and/or willing to comply with our request.

Please do not hesitate to contact us if you have any questions.

Yours sincerely,

BDS Austria

(1) https://www.waffenexporte.org/wp-content/uploads/2019/09/Vertrag-%C3%BCber-den-Waffenhandel_Arms-Trade-Treaty-ATT.pdf

 (2) https://www.profil.at/ausland/deutschland-liefert-seit-maerz-keine-kriegswaffen-mehr-an-israel/402948362

 (3) https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/ruestungsexporte-ausgeweitet-deutschland-israel-100.html

 (4) https://www.waffenexporte.org/wp-content/uploads/2019/09/Vertrag-%C3%BCber-den-Waffenhandel_Arms-Trade-Treaty-ATT.pdf

(5) https://defence-network.com/elbit-systems-crossbow-moerserkampfsystem/