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Nachgedanken zur Liste GAZA – Stimmen gegen den Völkermord


8. November 2024

von Franz Sölkner, selbst Kandidat in der Steiermark und Mitglied der Steirischen Friedenslattform

Die Entscheidung zur Kandidatur der Liste GAZA war richtig. Wir haben ein breit wahrgenommenes Signal gesetzt und mit 19.000 Stimmen eine gute politische Basis für die Weiterarbeit geschaffen.

Zudem:

1. Verständlicherweise wurde unsere Kandidatur von sehr vielen WählerInnen nur als rein außenpolitisch fokussierte Ein-Themen-Kandidatur gesehen. Perspektivisch gesehen ist GAZA ist aber darüber hinaus ein geeignetes Kürzel/Symbol für das strukturell bestehende globale Unrecht einerseits und für die notwendige globale Befreiung andererseits. Wenn es uns gelingt, diesen Begriffstransfer glaubhaft zu kommunizieren kann das Kürzel GAZA für den Aufbau einer breiten politischen Bewegung und allenfalls auch für eine zukünftig parlamentsfähige Kandidatur erfolgreich verwendet werden. Ob das in der Formation einer Liste oder einer Partei geschieht ist dabei zunächst nebensächlich.

2. Das grundsätzliche Problem des herkömmlichen Systems besteht darin, dass die dominanten politischen Gestaltungskräfte weder in ihren Analysen und daher erst recht nicht in ihren Lösungsansätzen an die Wurzeln der globalen Systemkrise heranreichen. Die gesellschaftliche und politische Macht der in den Händen einer schmalen Schicht von Menschen angehäuften gigantischen Kapitalien, und daher die plutokratisch-oligarchische Strukturiertheit unserer Demokratie wird nicht thematisiert. Im Gegenteil: Die in den Parlamenten vertretenen Parteien versuchen die global zunehmend katastrophalen Folgen des systemischen Krisentreibers “globalisierter Kapitalismus”, mit einem innersystemischen nationalstaatlich-politischen Pragmatismus zu begegnen. Es ist evident, dass dies nichts zu nachhaltigen Problemlösungen beiträgt. Auch bei uns wissen oder spüren zunehmend mehr Menschen, dass die bestehenden Probleme – Konkurrenz, Stress, Beziehungslosigkeit, Arbeitslosigkeit und Präkarität, Teuerung, Verarmung, Klimawandel, Migration, Aufrüstung, Krieg, usw. – sich weiter verschärfen werden. Ihr weitergehender Vertrauensverlust in diese Politik ist die logische Folge.

3. Anders gesagt: Die herrschenden Schichten unserer Gesellschaft sind aus ihrer verengten Interessensorientierung heraus zu keinen sachadäquat tiefgreifenden Analysen des globalen Systemzusammenhangs fähig/willens. Aufgrund der interessensbedingten Seichtheit ihrer Analysen haben sie anstatt dauerhaften Lösungen nur Symptomkuren anzubieten. Logisch folgend müssen sie dabei zunehmend zu einer Politik der Austerität, der Angst, der Meinungssteuerung und der Repression greifen.

4. Änderungsbezogene Bewegungen und Wahlparteien brauchen für ihren längerfristigen Erfolg ein weltanschaulich markantes Alleinstellungsmerkmal, das von Gruppen, die systemintern-pragmatisch agieren, nicht geboten werden kann (z.B. hat mit dem Paradigma des ökologischen Denkens in den 1970 und 1980er-Jahren eine solche weltanschaulich-politische “Marktlücke” mit problemlösenden Erklärungspotential bestanden. Sie ermöglichte den Aufstieg der Grünen Bewegung). In diesem Sinn könnten wir einen längerfristig angelegten Begriffstransfer des Kürzels GAZA, als zukünftiges “Symbol für globale Gerechtigkeit und Freiheit” versuchen. Wir müssen weg von der eurozentrischen Weltsicht. Das bedarf aber einer entschlossenen und nachhaltigen politischen Kommunikation.

5. Unsere Analyse ist eine Strukturanalyse des herrschenden Kapitalismus und seiner hegemonialen Machtentfaltung. Da systemische Strukturen aber von vielen Menschen als abstrakt empfunden werden und nur begrenzt politisierbar sind, ist es notwendig in der politischen Auseinandersetzung auch Ross und Reiter, unterworfene Systemverlierer und Systemprofiteure klar zu benennen. Unsere Kritik am System, den politisch Verantwortlichen und ihren Magnaten im Hintergrund ist notwendigerweise scharf.

6. Für die Lösung der Krisen und Missstände geben wir den Menschen ihre demokratische Verantwortung zurück. D.h. wir machen Politik nicht “für sie”, sondern “mit ihnen”.

7. Unser friedenspolitisches Handeln orientiert sich an der Gewaltfreiheit. Gegengewalt unterdrückter Gruppen rechtfertigen wir nicht, klären aber konsequent über die dahinterliegenden Systemzusammenhänge auf.

8. Die globalen ökologischen Grenzen und unsere Orientierung an der ebenso globalen Gerechtigkeit erfordern ein selbstkritisches Überdenken auch unserer westlichen Lebensstile. Unsere politische Arbeit muss diese Kritik praktisch-glaubwürdig vorleben. Der Schlüsselbegriff dazu heißt nicht Bescheidenheit, sondern Genügsamkeit.

9. Im Gebrauch unserer “kulturellen Codes” achten wir auf deren weitgehende Akzeptanz in breiten Schichten der Bevölkerung. Das gilt vor allem für die Sprache. Ein Beispiel dafür ist ein oft unnotwendiger, überschießender Gebrauch von Anglizismen.

10. Während FPÖ und ÖVP einen Kulturkampf organisieren und sich die anderen Parlamentsparteien wegducken, nimmt unsere weiterführende Bewegung – und allenfalls aufzubauende Partei – aufgrund unserer bereits gegebenen ethnischen Diversität, die von uns angestrebte neue demokratische Kultur vorweg.

11. Der grundsätzliche und umfassende Ansatz unserer Politik lässt keine raschen durchschlagenden Erfolge erwarten. Vor uns liegen die Mühen der Ebene.