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Graz – Hochburg der anti-palästinensischen Repression


2. November 2024

Das Tragen eines Schals reicht aus, um verhört zu werden? Das Rufen einer Parole reicht aus, damit die Polizei an die Wohnungstür klopft? Das Abspielen der palästinensischen Nationalhymne bei einer Demo reicht aus, um vom Verfassungsschutz vorgeladen zu werden? Das Konto eines Vereins wird aufgelöst, weil er seine Mitgliederliste nicht herausgibt?

Ja! Das ist die Wirklichkeit in Österreich 2024, zeitgleich zum Genozid in Gaza und zu den brutalen Militärinvasionen und Siedlerattacken im Westjordanland.
Für Palästinenser:innen und für mit ihnen solidarische Menschen gelten die demokratischen Werte von Meinungs- und Versammlungsfreiheit nur mehr eingeschränkt. Die schöne Fassade der Proklamation der Menschenrechte „für alle Menschen gleich“ hat schon längst tiefe Risse bekommen. Jene, die diese Rechte konsequent verteidigen, sind selbst wüsten Attacken ausgesetzt: Auf der Weltbühne traf es beispielsweise die Generalstaatsanwältin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda und die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese, in der steirischen „Menschenrechtsstadt“ Graz jene Aktivist:innen, die sich gegen den Völkermord in Gaza engagieren.

Protestierende gegen Völkermord und für den Frieden werden des Terrorismus bezichtigt

Ab Jänner 24 begannen die Vorladungen durch Polizeibeamt:innen und vermummte (!) Verfassungsschützer:innen aufgrund von Ermittlungen der Grazer Staatsanwaltschaft gegen Aktivist:innen (unter ihnen auch Mindejährige) wegen Mitgliedschaft (!) in einer terroristischen Vereinigung. Diese schwerwiegenden und sicher für manche angsteinflößenden Anschuldigungen erfolgten wegen Rufen oder Zeigen der berechtigten Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“, aber auch beispielsweise wegen des Tragens eines Schals mit der Aufschrift „Jerusalem ist unser“ oder dem Abspielen von arabischen Liedern auf den Demos, die angeblich den bewaffneten Widerstand verherrlichen oder einer Aussage einer Demorede, in welcher die Rednerin meinte, dass die Hamas nicht vernichtet werden könne, weil der palästinensische Widerstand immer leben wird. Es benötigt allerdings schon eine große gedankliche Anstrengung aus dem Abspielen eines Liedes, dem Tragen eines Schals, einer Demorede oder dem Rufen einer Parole eine Mitgliedschaft bei der Hamas oder Hisbollah abzuleiten.

Es ist unrichtig, dass der Satz „From the river to the sea, Palestine will be free“ den Anschlag vom 7. Oktober gutheißen soll. Diese Parole wird vom palästinensischen Widerstand seit über 50 Jahren verwendet, auch bereits vor der Gründung der Hamas. Ost-Jerusalem ist gemäß Völkerrecht und UN-Resolution die Hauptstadt Palästina – wie kann dieser Slogan den Tatbestand des Terrorismus begründen? Bei den Liedern versuchte die Staatsanwaltschaft nicht einmal in schlüssiger Weise darzulegen, inwiefern der vorliegende Sachverhalt den von ihr angenommenen Tatbestand erfüllen soll. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft die Erfüllung eines Straftatbestandes in der bloßen Verwendung des Wortes „Märtyrer“ zu erkennen glaubt. Sprachliche, kulturelle, historische, politische und andere Zusammenhänge werden dabei gänzlich außer Acht gelassen, sodass freilich auch ausgelassen wird, dass nicht jeder „Märtyrer“ im Zusammenhang eines als „kämpferisch“ zu bezeichnenden Liedes auch als Terrorist zu sehen ist. Dass die Hamas nicht vernichtet werden kann, weil sie eine große Massenbasis hat, eine Ideologie ist, wird nahezu jeder:m politischen Beobachter:in der Erde, welcher sich mit der Situation in Palästina ernsthaft auseinandersetzt, geteilt. Die vom israelischen Staat gesetzten Ziele, insbesondere die „Auslöschung der Hamas“, sind völlig utopisch und nicht realisierbar. So

lange der zionistische Siedlerkolonialismus und sein Apartheidsystem existieren, wird es palästinensischen Widerstand geben.

Ausschließlich den Muslim:innen wurde bei den Verhören eine Art Gesinnungskatalog vorgelegt, mit dem abgefragt wird, ob man die Scharia gut heißt, wie man zur Gleichberechtigung von Mann und Frau steht, usw. Jedoch machten fast alle von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. Auf politischen Zuruf von Nationalratspräsident Sobotka in der ORF-Sendung Hohes Haus vom 12. 11. 2023 wollte die Staatsanwaltschaft gar Ermittlungen gegen 50 Teilnehmer:innen einleiten, die auf der Demo „Free Palestine“ riefen. Auch darin wollte die StA Graz bereits die Absicht zur Vernichtung Israels erkennen. Der Grazer Polizeikommandant wollte wegen der aufwendigen Ermittlungsarbeit, die mit einer hoher Wahrscheinlichkeit zu keinem strafrechtlich relevanten Ergebnis führen wird, einen Deal mit Graz for Palestine abschließen: zwei Aktivist:innen sollten sich opfern und sagen, dass sie mit der Parolen begonnen hätten, damit nicht 50 Personen vorgeladen werden müssten. Dieser „Deal“ wurde abgelehnt und man hörte nie mehr wieder etwas davon. Gegen all diese Kriminalisierungsversuche wehrten sich die Aktivist:innen juristisch erfolgreich. Sämtliche Verfahren wurden bis lang eingestellt, ein Verfahren ist noch anhängig – soweit wir es überblicken. Ob sie dennoch in der Statistik der Ermittlungen wegen antisemitischer Vorfälle gelistet werden?

Erfolgreiches Abwehren von Demoverboten

Die Palästina-Solidarität-Steiermark reagierte bereits im Oktober 23 mit Demonstrationen auf die genozidalen Angriffe der israelischen Besatzungsarmee auf den Gazastreifen. Die ersten beiden Demonstrationen wurden nicht genehmigt, wovon sich solidarische Demonstrierende nicht abhielten ließen und dennoch von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machten. Sie wurden allerdings eingekesselt, mit Drohnen überwacht, einzeln abfotografiert und nur gegen Vorlage eines Ausweises aus dem Kessel gelassen. Ein jugendlicher Aktivist wurde dabei brutal von der Polizei zu Boden geworfen und in U-Haft gesteckt. Dort wurde er völlig ungenügend über seine Rechte aufgeklärt und das Informieren eines Angehörigen unterbunden. Gegen beide Demo-Verbote laufen noch Einsprüche, die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Jedoch wurde das Verfahren gegen den Demo-Anmelder, er hätte es verabsäumt, trotz Untersagung die Anwesenden vom Demonstrieren abzuhalten, eingestellt.

Als eines Nachts die zionistische Fahne am Rathaus beschädigt wurde, verhaftete die Polizei in der Nähe einen jungen syrischen Burschen und brachte ihn in U-Haft. Man hat nichts mehr von ihm gehört und weiß nicht, welche und ob überhaupt ein Tatbestand gegen ihn vorliegt. Wegen des Postings eines 13-jährigen wird die Familienwohnung mit der Cobra gestürmt. Die Vorwürfe gegen ihn erwiesen sich als unhaltbar.

Ende Dezember 23 meldete die Palästina-Solidarität Steiermark eine Menschenkette an. Nachdem die Auflage, KEINE FAHNEN mitzubringen, nicht akzeptiert wurde, wurde die Menschenkette untersagt. Unverblümt versucht die Staatsgewalt nicht nur die Handlungsspielräume, sondern auch Parolen und sogar das wichtigste Symbol – die Fahne – der Solidarität zu verbieten: die Fahne würde für den palästinensischen Expansionsdrang stehen und sei somit zu untersagen. Der palästinensische Botschafter protestierte gegen dieses Vorgehen der

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Behörden und die Palästina Solidarität erhob Einspruch gegen den Untersagungsbescheid (Verfahren noch offen).

Die beabsichtige Einschüchterung vor allem junger Demonstrant:innen durch die rassistische Repression griff jedoch nicht. Die folgenden Demos mussten auf Grund des Drucks durch die Straße genehmigt werden. Sie wurden lauter und größer. Bis zu 3000 Teilnehmer:innen protestierten in Graz gegen den Genozid in Gaza und die militärischen Invasionen und Siedlerattacken in der Westbank.

Die Politisierung der Jugend bereitet der Repression Sorge

Der ORF Steiermark berichtete in seiner Online-Ausgabe über die lautstarken Demos in Graz und unterstellte darin den Teilnehmer:innen Antisemitismus. Die Mutter einer minderjährigen Teilnehmerin erhob Einspruch beim ORF gegen die Veröffentlichung eines Fotos ihrer Tochter und deren Freundin, auf welchem die Gesichter klar erkennbar sind. Der ORF verpixelte daraufhin im Online-Format die Gesichter. Artikel in der „Kleinen Zeitung“ diffamierten die friedliche palästina- solidarische Bewegung und kriminalisierten sie, u.a. mit einem Foto auf dem Teilnehmende einer Demo und ein Kind erkennbar sind. Neben dem Artikel platzierte die Kleine Zeitung ein Interview mit dem Leiter des Verfassungsschutzes Rupert Meixner, welcher eine Aufstockung und Ausbau des LVT ankündigte. In keiner Berichterstattung wurde jemals Demo-Teilnehmer:innen nach ihrer Motivation zum Protest interviewt.

Im ÖVP-orientierten Regionalmedium „Kleine Zeitung“ beklagte man unter dem Thema „Bildung“ den zunehmenden Extremismus an steirischen Schulen, hervorgerufen durch den „Nah-Ost- Konflikt“. Ursachen wurden in den Communities lokalisiert. Ihnen wurde unterstellt, dass Jugendliche mit „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit“ aufwachsen. Die Unwissenheit und Einseitigkeit der steirischen Pädagog:innen zu diesem Thema wurde zur Anklage gegen palästinasolidarische Schüler:innen und ihre Eltern. Zionistische Propaganda hielt ebenfalls über fragwürdige NGO-Workshops Einzug in steirische Schulen. Likrat, eine Organisation der israelitischen Kultusgemeinde Wien, verbreitet in Schulklassen typische Mythen, wie Palästina hätte es nie gegeben; Israel sei friedenswillig, hingegen die Bewohner:innen Gazas für den Genozid verantwortlich, usw. Die zionistische Propaganda in Österreichs Schulen, vermittelt über das Bildungsministerium, erreichte einen weiteren Höhepunkt, als drei Schülerinnen an einer Grazer Schule samt ihren Eltern vom

Extremismusbeauftragten der
Bildungsdirektion Steiermark vorgeladen
wurden. Es wurden ihnen Fotos von ihren
Demo-Teilnahmen (!) und Bilder von Opfern
des militärischen Angriffs der Hamas vom 7.
Oktober vorgelegt. Die Schülerinnen
wurden über ihre Gedanken dazu befragt.
Wir fragen uns, wieso sich die
Bildungsdirektion mit Demo-Teilnahmen
beschäftigt, die ausschließlich in der
unterrichtsfreien Zeit erfolgen? Dem Wunsch
bzw. der Forderung der betreffenden
Schülerinnen nach einem Workshop zum Thema Palästina in der Schule wurde seitens der Direktion mit dem Hinweis abgelehnt, dass Politik draußen bleiben müsse. Dank der Berichte palästinensischer Zeitzeug:innen wird die versuchte Manipulation der Jugend in Richtung prozionistischer Geschichtsfälschung jedoch keinen Erfolg haben.

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Die Staatsanwaltschaft Graz hat sich dem Anti-Islam-Kurs verschrieben

Das Material für die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsanordnungen stammt aus den Drohnen- und Videoüberwachungen auf den Demonstrationen, die uns seit Oktober begleiten. Der steirische Verfassungsschutz steht offenbar in bestem Einvernehmen mit einem Segment der Staatsanwaltschaft, das sich mit besonders verbissenem Einsatz der Verfolgung von palästina- solidarischen Aktivist:innen verschrieben hat. Staatsanwalt Winklhofer (und nun seine Nachfolgerin Weber) im Verbund mit Teilen der Richterschaft ist bekannt für sein überbordendes Vorgehen gegen den sogenannten „Dschihadismus“.

Dieses institutionelle Netzwerk will die Palästina-Solidarität in der Steiermark absichtsvoll in einen dschihadistischen Kontext stellen. Damit handelt sie nach dem Drehbuch der proisraelisch- zionistischen Hasbara (Propaganda). Mena-watch und Kronenzeitung und diverse Winkelschreiber in den Sozialen Medien sekundieren mit Ansagen voller falscher Wahrheiten, verdrehter Tatsachen, Vorurteilen, Unterstellungen und vagen Andeutungen.

Winkelhofer trägt für das extreme Debakel von Luxor die Verantwortung. Cobra-Soldaten stürmten im November 2020 seit langem anerkannte humanitäre Vereine und angesehene Einzelpersonen vorwiegend ägyptischer und palästinensischer Herkunft in Graz. Aus dem Akt der Anklage erfährt man, dass auch gegen Aktivist:innen der Palästina-Solidarität (StFP/BDS) ermittelt wurde/wird. Beispiellose jahrelange Überwachung führte zu keinerlei Anklagen, zerstörte stattdessen Existenzen durch defacto Berufsverbote. Es war auch Winkelhofer, der 2014 einen arabischen Demo-Teilnehmer dreifach anklagte: wegen Verhetzung, Nötigung und Sachbeschädigung. Eine Demo gegen den Gaza-Krieg 2014 verlief friedlich, bis am Hauptplatz Provokateure mit einer Israelfahne und Beschimpfungen auftauchten. Die anwesende Polizei verhinderte die Provokation nicht; die Fahne wurde den Provokateuren entrissen und am Boden verbrannt; dem Ordnerdienst gelang die weitere friedliche Fortführung der Demo. Staatsanwalt Winkelhofer wollte das Entreißen und Verbrennen der Fahne Israels als antisemitischen Akt mit einer hintergründig terroristischen Gesinnung nachweisen. In zweiter Instanz muss der Vorwurf der Verhetzung fallengelassen werden; – zu viele Stimmen aus der Zivilgesellschaft ließen nicht zu, dass ihre Demo-Teilnahme gegen Bombardierung und für Frieden als Verhetzung dargestellt wurde.

Es war auch Staatsanwalt Winkelhofer, der 2012 die beiden Rapper Yasser und Ozman wegen Verhetzung und Gutheißung von strafbaren sowie terroristischen Handlungen anklagte. In ihrem Gangsta Rap-Video „An alle Brüder“ mit politischen Aussagen, die sich gegen das zionistische Israel und die US-Regierung richten, sieht man rappende Jugendliche, die sich für Palästina und unterdrückte Muslime stark machen.

Die Kriminalisierung der Palästina-Solidarität in Graz/Steiermark vollzieht sich auf mehreren Ebenen:
1. Aufbereitung der öffentlichen Meinung durch Artikeln in Medien, die insbesondere arabische/muslimische Jugendliche als eine Gefahr erscheinen lassen. Jahrelang gepflegte Bilder stellen die verschleierte muslimische Frau als unterdrückt oder gefährlich dar.

2. Observation von Demonstrationen und Versammlungen durch Drohnen, Filme, Fotos, Tonaufnahmen. Dabei werden Informationen über die Teilnehmenden gesammelt. Es bleibt unbekannt, wo und wie lange und zu welchem Zweck diese Materialien gespeichert werden.
3. Verwendung der Materialien für abstruse Anschuldigungen, die auf Zuruf der Politik und Geheiß der Staatsanwaltschaft Graz zu Ermittlungen und Vorladungen zu Verhören durch Polizeibeamt:innen und vermummte Verfassungsschützer:innen münden.

4. Die Verhöre werden genutzt, Persönlichkeitsprofile zu erstellen. Dazu wird ein Gewissensfragen-Katalog benützt, der den meist jugendlichen Befragten klarmacht, welches

Verhalten und welche Weltanschauung in Österreich moralisch wünschenswert und welche tadelnswert sind. Wieder ist es unbekannt, wo, wie und zu welchem Zweck diese Informationen gespeichert werden.

Wissenschaftliches Beiwerk liefert die Dokumentationsstelle Politischer Islam, ein Lieblingsprojekt des Ex-Polizisten und Luxor-Verantwortlichen BK Nehammer. In deren Einschätzung zum kriminalisierten Slogan „From the River to the Sea – Palestine must be free“ wird die Zeitnähe zum 7.10. als Hauptargument herangezogen, um eine „dezidierte Vernichtungsphantasie des Staates Israel und ein ideologisches Naheverhältnis zur Hamas“ zu konstruieren. Eine auf zwei Seiten zusammengestauchte Geschichte Palästinas, widersprüchliche Fakten, ein Durcheinander von Namen und Ideologien entsprechen der Gebrauchsanleitung einer Waschmaschine. Es ist nicht mehr als eine Aufforderung an die Staatsanwaltschaft amtszuhandeln.

Distanzierung und Diffamierung

Im Juni 24 wurde der Steirischen Friedensplattform durch die Spardabank das Konto gekündigt. Nach zwanzig Jahren Kundschaft, bei einem ungefähren Jahresumsatz zwischen 3.000 bis 4.000 Euro, unter dem Vorwand der Geldwäsche und Terrorfinanzierung verlangte die Bank die Aushändigung von Rechnungen und Mitgliederliste. Die Rechnungen bekamen sie, die Mitgliederliste nicht, weil sie keine Auskunft über die rechtliche Basis dafür lieferten. Diesem Schriftverkehr folgte die Kündigung, sicherlich kein Zufall, ist doch die Steirische Friedensplattform für ihre Palästina-Solidarität und Israel-Kritik bekannt.

Erwähnung muss in dieser Auflistung von Repression und Ausgrenzung auch noch unsere Auseinandersetzung mit der Roten Hilfe Steiermark finden. Uns wurde die Rote Hilfe empfohlen: sie könnten Schulungen machen, wie man sich politischen Aktivitäten verhalten soll, welche Rechte man gegenüber der Polizei habe und einzelne Aktivist:innen sogar im Fall des Falles juristisch unterstützen. Dazu gab es im Juli ein Kennenlern-Treffen, bei welchem sich Aktivist:innen von Graz for Palestine und Palästina Solidarität Steiermark vorstellten, ihre Motivation für die Solidaritätsarbeit teilten und Vorstellungen äußerten, was wir von Rote Hilfe brauchen könnten. Zwei Wochen nach dem Treffen teilte uns eine Vertreterin der Roten Hilfe mit, dass der Vorstand beschlossen habe, uns nicht zu unterstützen. Begründung: sie hätten massiven Antisemitismus bei uns wahrgenommen. Trotz unserer Bemühungen und Aufforderungen blieben sie Graz for Palestine bis heute eine Erklärung schuldig, aus welchen Aussagen sie dies herauslesen wollten.

Wir kennen aus der Geschichte die Aufwärmphasen autoritärer und diktatorischer Regimes. Stigmatisieren von Minderheiten, Kriminalisieren nicht genehmer Weltanschauungen, Verhöre, Festnahmen bis hin zu ideologisierten Gerichtsverfahren mit hohen Strafen kennzeichnen sie. Doch alle finsteren Praktiken der Staatsmacht greifen erst dann, wenn die bequemen Wegschauer und Kontaktschuld-Geängstigten mitspielen. Wenn allein die Erwähnung des Kürzels BDS (Boykott-Desinvestment-Sanktionen) ausreicht, um eine Petition (wie bei aufstehn.at) oder eine Radiosendung (wie bei Radio Agora) oder einen Raum für Veranstaltungen schlichtweg zu streichen, betrifft dies dann gerade oft die mit dem fortschrittlichen, linken Selbstverständnis. Karriere, Fördergeld gehen dann doch vor Gewissenshinterfragung und Ethik. Am 9. Dezember 2022 wollte die Steirische Friedensplattform am Beispiel BDS über Meinungsfreiheit im Israel- Palästina-Konflikt diskutieren. Dafür wurde Anfang Oktober einen Mietvertrag mit dem Land Steiermark geschlossen. Nach einem öffentlichen Zuruf von Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde MMag. Elie Rosen an LH Drexler wurde uns innerhalb eines Tages durch die Landesregierung der Mietvertrages gekündigt. Gegen diesen Raumentzug und der damit verbundenen Einschränkung der Meinungsfreiheit legte die Steirische Friedensplattform nun

Beschwerde beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ein, nachdem der Instanzenweg in Österreich abgeschlossen ist. Es handelt sich nicht um den einzigen Raumentzug: der Bürgermeister von Thal untersagte die Nutzung des Gemeinderatssaal für einen Vortrag über einen Menschenrechtseinsatz in der Westbank einer Aktivistin der Palästina Solidarität Steiermark und ein Grazer Kulturverein zog eine Raumzusage für eine Palästina-Veranstaltung zurück, aus Angst Förderungen zu verlieren.

Die Kriminalisierung der Palästina-Solidarität ist die Fortsetzung eines zunehmend autoritär agierenden Staates. Die Demokratie in Österreich stößt an ihre Grenzen, wenn es um das gemeinsame Interesse am Apartheid-Staat Israel geht, der bereits von Herzl als Bollwerk zur Durchsetzung imperialer Interessen konstruiert wurde. Das wurde auch deutlich in der politischen Auseinandersetzung mit den sog. Demokratie-Verteidiger:innen. Diese organisierten auch in Graz im Frühjahr 2024 Demonstrationen gegen Rechts und zur Verteidigung der Demokratie. Es lag ihnen aber fern, sich gegen die Kriminalisierung der Palästina-Solidarität, die massive Einschränkung der Meinungsfreiheit, gegen die willkürlichen und einschüchternden Ermittlungen wegen Terrorunterstützung und Hetze einzusetzen und damit besonders vulnerable Menschen wie jugendliche Migrant:innen zu schützen. Junge Palästina-Aktivist:innen ließen nicht abhalten und reklamierten sich in die Demo hinein und eine Aktivistin aus Gaza hielt sogar eine Rede, gemeinsam mit einer jüdischen Aktivistin. Bei der Folgedemo vor der EU-Wahlen wollten sie wiederum nicht den Faschismus in Israel anprangern und nicht zum andauernden Genozid in Gaza Stellung nehmen, sondern fürchteten vielmehr den Vorwurf des Antisemitismus und einen damit einhergehenden Verlust der politischen „Mitte“ und wollten so palästina-solidarische Menschen fernhalten. Das ist ihnen nicht gelungen, der Palästina-Block war auf der Demo sehr präsent, so präsent, dass die Demokratie-Verteidiger:innen nun die geplante Demo im September vor den Nationalratswahlen gar nicht mehr abhielten.

Doch das Spiel ist gelaufen

Die Brutalität des Siedlerkolonialismus und seiner Zulieferer und Profiteure liegt offen vor den Augen und dem Gewissen der Weltbevölkerung.

Die Protestbewegungen und die weltweite Solidarität fordern Gerechtigkeit für das palästinensische Volk.
Der globale Süden fordert seine Würde zurück und seine Rechte ein.
Das besetzte Palästina ist seit 76 Jahren wohl der schärfste Stachel im Fleisch der kolonial- faschistischen Kontinuitäten US-Europas.

Der extreme israelische Ethnonationalismus geht aus einer Interpretation der zionistischen Ideologie hervor, die eine jüdische Vorherrschaft durch den Anspruch auf ein Land für sich alleine erzwingen will. Dafür gibt es Schützenhilfe von einem Westen, der nach demselben ideologisch präparierten Bild einer Weißen Herrenmenschen Mentalität handelt, weil er es für seine ökonomische Vorherrschaft mit der dafür nötigen Ausbeutung der Ressourcen unterjochter Bevölkerungen in Asien und Afrika braucht. Das Holocaust-Verbrechen wird als Abwehrschild gegen Kritiken missbraucht;- eine unbeschreibliche Perversion der Losung nach dem Nazi- Faschismus, die lautet: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Der antifaschistische Kampf war immer verbunden mit dem Kampf um weltweite Befreiung, gegen Imperialismus und Militarismus. Die Täter, aber auch jene, die den Genozid in Palästina mittragen, weil sie wegschauen oder solidarische Menschen verfolgen und anklagen, werden sich eines Tages rechtfertigen müssen. Ob sie in Graz oder anderswo Unrecht tun.

Schluss mit Justiz- und Polizeigewalt gegen die Palästina- Solidaritätsbewegung!
Schluss mit Willkür- und Gesinnungsjustiz gegen Palästinenser:innen!

Schluss mit Diffamierung und Kriminalisierung
von Migrant:innen und Muslim:innen in den Schulen!

Schluss mit hetzerischen Artikeln gegen die Palästina- Solidarität in den Medien!

Für die Freiheit von Meinungs- und Versammlungsfreiheit! Für Frieden und Gerechtigkeit!

Stoppt den Genozid! Schluss mit der Besatzung!

Für ein freies Palästina ohne Rassismus und Kolonialismus vom Fluss bis zum Meer!

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verfasst von Palästina Solidarität Steiermark, Oktober 24