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≫Hysterische Psychosen≪ und die JÖH


2. November 2024

Solch hysterische Auslegungen der @joehwien wirken mit der Zeit in der Tat ermüdend. Falls Herr Alon Ishay (aktueller Präsident der @joehwien) noch nach einer Doktorarbeit sucht, ist der Themenblock rund um die „Hysterische Psychose“ in diesem Zusammenhang sicher interessant; vor allem da Herr Ishay eine Affinität zur Diagnose von Psychosen aufweist, wie folgendes Posting eindrücklich beweist:

Dieser kleine Exkurs schweift jedoch vom Inhalt des ursprünglichen Beitrags ab, dem der Fokus dieses Artikels gilt und zu dessen Diskurs ich hiermit zurückkehren möchte.

Die Episode mit “Der III. Weg” ist ein @joehwien Schreckgespenst, dass immer wieder aus der Zombiekiste hervorgeholt wird, um Astrid Wagner mit Schmutz zu bewerfen, obwohl diese sich eindrücklich von den Anschuldigungen distanziert hat:

Es ist auch bezeichnend, dass die Vergleiche, die Frau Wagner anspricht, dieses Maß an Empörung hervorrufen, wo doch eine simple Google-Suche eindrücklich zeigt, dass diese nicht unangebracht sind, vor allem wenn man bedenkt, was das politische Spektrum in Israel sagt. Folgendes ist nur ein winziger Bruchteil der Aussagen, um das Argument exemplarisch zu untermauern:

Herzog: “There are no innocent civilians in Gaza.

Netanyahu: “Gaza is the city of evil, we will turn all the places in which Hamas deploys and hides into ruins. I am telling the people of Gaza — get out of there now. We will act everywhere and with full power.

Yoav Kisch: “Those are animals, they have no right to exist. I am not debating the way it will happen, but they need to be exterminated”. (Minister of Education)

Revital Gottlieb: “Bring down buildings!! Bomb without distinction!! Stop with this impotence. You have ability. There is worldwide legitimacy! Flatten Gaza. Without mercy! This time, there is no room for mercy!” (MK)

Sind nicht, wie sogar israelische Medien treffend hervorheben, die grotesken Vergleiche, die Israelis zwischen dem Holocaust und dem 7. Oktober machen, weitaus problematischer? 1 2

Letztlich wäre es angebracht, sich selbst an die Standards, die man anderen auferlegt, zu halten. Denn Aussagen, in denen Vertreter der @joehwien die FPÖ mit den Nazis gleichsetzen, fallen, gelinde gesagt, passgenau in die Kategorie von problematischen NS Vergleichen, die von der @joehwien so lautstark kritisiert werden, wie folgendes Beispiel gut illustriert:

Guttmann: “The Freedom Party should not be part of Austria’s government. We must work together with those who oppose power-sharing with Nazis and we must do our utmost to oppose them.” 3

Die FPÖ ist in der Tat eine rechtspopulistische, deutschnationale, EU-skeptische und rechtsextreme Partei, die sich Angst und Xenophobie gerne zu politischen Zwecken zu nutzen macht. Dennoch ist es geschmacklos, sie mit den Nazis und deren abscheulichen Gräueltaten gleichzusetzen.

Wer im Glashaus sitzt, sollte also nicht mit Steinen werfen!

Darüber hinaus existiert ein Segment der Bevölkerung, diesem gehört auch Herr Alon Ishay und die @joehwien an, das eine hysterische Abscheu über die Charakterisierung des „Gaza-Holocaust“ ausdrückt. Es lohnt sich, daran zu erinnern, dass dieser Ausdruck lediglich die Drohung des israelischen Verteidigungsministers Matan Vilnai wiederholt, „eine größere Shoa“ gegen die Palästinenser auszulösen. 4

Vergleiche zwischen dem Nahostkonflikt und dem Holocaust wurden auch in einer von IFES verfassten Antisemitismus Studie 2024 thematisiert. 5 6 In dieser Studie wurde unter anderem folgende Schlussfolgerung gezogen:

“40% (!) [junger Leute] stimmen Vergleichen zwischen Nahost-Konflikt und Holocaust (voll/eher) zu.” 6

Diese Schlussfolgerung ist in der Tat besorgniserregend und liegt unter Umständen daran, dass die Opfer Zahlen und die Rhetorik der israelischen Regierung an Völkermorde der Vergangenheit wie zum Beispiel den Armenischen Völkermord [>600.000 Opfer] oder den Völkermord der Herero und Nama [>34.000 Opfer] oder den bosnischen Völkermord [>25.000 Opfer] erinnert. Bei den Opferzahlen wurden konservativen Schätzungen herangezogen.

Vielleicht ist auch die Tatsache, dass das Wort Völkermord das Wort Holocaust als Synonym hat, eine weitere Ursache für dieses Abstimmungsverhalten. Bestimmt gibt es noch andere Ursachen für diese besorgniserregenden Tendenzen und es bedarf einer nüchternen Analyse eben dieser, um die Ursachen dieser Entwicklung zu reversieren. Es ist somit nicht zielführend, diese Tatsachen hysterisch, reflexartig und automatisch als Antisemitismus zu kategorisieren und jede Analyse, die über den Tellerrand des Antisemitismus hinausgeht, als Verschwörungstheorie abzustempeln.

Vergleiche, die “die Lage der Menschen in Gaza mit einem nationalsozialistischen Ghetto” zogen, wurden ebenfalls als “unzulässig” denunziert. 7 8 Über die Legitimität von Vergleichen kann man bekanntlich unterschiedlicher Auffassung sein, so ganz an den Haaren herbeigezogen war zumindest der Vergleich mit dem Ausbruchsversuch der Juden aus dem Warschauer Ghetto nicht. Zumindest nicht, wenn man die Motivation für den Ausbruch in Erwägung zieht:

“Der Aufstand war die logische Konsequenz […] jahrelangen Widerstands einer Bevölkerung, die unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt, gedemütigt, verachtet und wie eine Bevölkerung von Untermenschen behandelt wurde. Trotz dieser Bedingungen […] organisierten die […] Bewohner ihr Leben, soweit sie konnten, nach den höchsten […] Werten. Zu der Zeit, als die kriminelle Besatzungsregierung ihnen das Recht auf Bildung, Kultur, Wissen, Leben und einen ehrenvollen Tod verweigerte, bauten sie unterirdische Universitäten, Schulen und Hilfseinrichtungen […]. Diese Aktionen, die Widerstand gegen alles hervorriefen, was das Recht auf ein ehrenhaftes Leben bedrohte, führten zum Aufstand. Der Aufstand war das ultimative Mittel, um unmenschliche Lebensbedingungen abzulehnen; der ultimative Weg des Kampfes gegen die Barbarei und für die Wahrung der Menschenwürde.” 9

Die Annahme, dass sich das obige Zitat auf das bezieht, was zum 7. Oktober in Gaza führte, ist nicht abwegig. Es ist jedoch eine Beschreibung dessen, was zum Aufstand, der 1943 im Warschauer Ghetto stattfand, führte. Sie stammt von Marek Edelman 10, einer der bekanntesten Untergrundaktivisten im Warschauer Ghetto. „Für ihn war der Aufstand nicht zionistisch, sondern universell, Teil der universellen Not der Menschheit gegenüber satanischen Männern.“ 11

Bei all der aufgebrachten Empörung über die Angemessenheit von Vergleichen und mutmaßlicher Relativierung, muss ich immer an folgendes Zitat von Prof. Dr. Sybille Steinbacher, Direktorin des Fritz Bauer Instituts und Inhaberin des Lehrstuhls zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust, denken:

»Ein Vergleich relativiert und verharmlost nicht, sondern macht Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar, sorgt also für Klärung und Erkenntnis, nicht für Gleichsetzung.« 12

Igor Böhm


Referenzen

  1. Sam Sokol, Poll: Over half of Israeli Jews see comparison between Holocaust and October 7, Times of Israel, May.6, 2024. ↩︎
  2. Matt Lebovic, Holocaust scholars weigh in on politicians’ comparisons of Hamas to Nazis, Times of Israel, Oct.29, 2023. ↩︎
  3. Benjamin Guttmann, We Austrian Jews Must Not Legitimize the Nazis in Our Government, Haaretz, Dec.20, 2017. ↩︎
  4. Israeli minister warns of Palestinian ‘holocaust’, The Guardian, Feb.29, 2008. ↩︎
  5. Antisemitismus 2024: Bericht Snapshot Junge ↩︎
  6. Antisemitismus 2024: Präsentation Snapshot Junge ↩︎
  7. Israel: Preis für Masha Gessen wackelt wegen Nazi-Vergleichs, Der Standard, Dec.14, 2023. ↩︎
  8. Offener Brief an den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken, Deutsch Israelische Gesellschaft Bremen, Dec.13, 2023. ↩︎
  9. Mark Edelman, Widerstand gegen den Holocaust: Gegenwehr im Warschauer Ghetto, Ocean Press, 2004. ↩︎
  10. Marek Edelman, Erinnerungen an das Warschauer Ghetto • Das Ghetto kämpft, Reclam Verlag. ↩︎
  11. Avraham Burg, The Holocaust is Over; We Must Rise From Its Ashes, Macmillan Publishers, Oct.28, 2008. ↩︎
  12. Sybille Steinbacher, Über Holocaustvergleiche und Kontinuitäten kolonialer Gewalt, in: Saul Friedländer u.a., Ein Verbrechen ohne Namen. Anmerkungen zum neuen Streit über den Holocaust, München 2022, S. 53-68, hier S. 58; vgl. auch Steinbacher, Holocaust und Völkermorde (Anm. 11). ↩︎