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Palästina-Kongress Wien: Wahrheit wird sagbarer und nicht untersagbar


12. Oktober 2024

Hunderte Völkermord-GegnerInnen kamen in Wien in Verteidigung des freien Wortes zusammen – sich selbst in der Tradition der Solidaritätsbewegungen mit den Befreiungskämpfen in Vietnam und Südafrika sehend

Die zionistische Lobby hat nichts unversucht gelassen, um den Palästina-Kongress am 5./6.10.24 in Wien zu vereiteln. Ihr Vorbild war Berlin. Dort hatte die deutsche Polizei im Frühjahr eine ähnliche Veranstaltung mit roher Gewalt aufgelöst und damit aller Welt gezeigt, welches polizeistaatliche Meinungsdiktat sie schon aufgerichtet hat. Ihre Prämisse: Kritik am israelischen Völkermord und der westlichen Unterstützung dafür soll nicht mehr geübt werden dürfen.

Der Wiener Kongress hat sich von Anfang um möglichst breite Unterstützung bemüht. Ulrike Guérot, Michael Barenboim, Heini Staudinger sind nur drei Namen von mehr als 300. So unterschrieben den Aufruf auch zwei Bischöfe, zahlreiche prominente Vertreter des politischen Christentums sowie jüdische FriedensaktivistInnen, genauso wie Gewerkschaftler und Vertreter linker Organisationen. Auch ein Dutzend politischer Organisationen waren mit von der Partie. (hier die Unterstützerliste)

Palästina-Kongress Wien, 6.10.24 ©StefanieJSteindl

Auch die ReferentInnen deckten ein weites Spektrum ab: Einerseits die Breite des palästinensischen Widerstands und der Zivilgesellschaft in der Diaspora. So zum Beispiel Ahmed Othman, dessen Palästina Solidarität Duisburg verboten wurde, weil sie den Widerstand gegen den Völkermord als gerecht ansieht. Andererseits die unterschiedlichsten ExponentInnen der Bewegung gegen die israelische Apartheid, viele von ihnen mit jüdischen Wurzeln. Besonders bedeutungsschwer Andrew Feinstein, der ehemalige Abgeordnete des ANCs, dessen Mutter den Nazi-Terror versteckt in einem Kohlenkeller in Floridsdorf überlebt hatte. Kein Wunder, dass die Regimemedien darüber nicht berichten, denn das passt nicht zu ihrem Antisemitismus-Framing.

Die kolonialen Pressuregroups hatten auch in Wien ihre Finger gegen die Demokratie im Spiel, als der Pressekonferenz im Vorfeld des Kongresses der Raum entzogen worden war. Dann fielen sie über den lange geplanten Austragungsort, das Schutzhaus der Zukunft, her. Dessen Pächter hatten wir auf der Basis langjähriger Erfahrungen präventiv vor den Mafia-Methoden gewarnt. Doch seine Fantasie reichte für diese Niedertracht nicht aus. Mehrere Hundert Drohmails und -anrufe, Besuche der Polizei und des Verfassungsschutzes und die Angst vor Geschäftseinbußen reichten nicht aus, um ihn in die Knie zu zwingen. Dafür sorgte dann der Vermieter, der Obmann des Kleingartenvereins Schmelz, der den Kongress „untersagte“, wie er sich anmaßend auch schriftlich ausdrückte. Wie sehr die Stadt Wien beteiligt war, können wir nicht mit Sicherheit sagen, sondern nur vermuten. Tatsache ist, dass sie die friedliche und zivilgesellschaftliche Boykottbewegung BDS als antisemitisch einstufte und mit Raumentzügen verfolgt.

Ein am Vorabend des Kongresses verbreiteter Aufruf an die Stadt Wien und den Bürgermeister, die Rahmenbedingungen für die Inanspruchnahme der demokratischen Grundrechte herzustellen, erhielt in zwei Tagen über 500 Unterschriften.

Doch wir hatten vorgesorgt, denn uns hat man schon oft übel mitgespielt, sowohl was öffentliche als auch was private Räumlichkeiten betrifft. Wir verlegten den Kongress in einen vorsorglich parallel angemieteten Hochzeitssaal in Favoriten, wo wir unbehelligt blieben.

Ein zionistisches Fotografenpaar versuchte sein Glück von der Weite. Ein kindergartenreifer Kletterversuch in einen Hinterhof wurde entdeckt und auch ein Fotosturm über den Haupteingang unterbunden. Genozid-Sulzi vom Standard beliebte um die ehemalige Fabrikhalle herumzuschleichen und wurde mehrfach gesichtet. Aber ausrichten konnten sie nichts.

Aus Rache für ihre Niederlage schaltete die Israelische Kultusgemeinde am Sonntag eine Anzeige auf den Infoscreens der Wiener Linien, laut der sich Juden in Wien wegen des Palästina-Kongresses nicht mehr sicher fühlen könnten. Welch dumme und dreiste Lüge, zudem ja viele der ReferentInnen und TeilnehmerInnen selbst jüdisch waren.

Jedenfalls nahmen schließlich an beiden Tagen an die 300 Menschen am Kongress teil, eine für Wien sehr große Zahl, die für Völkermord-Jubelveranstaltungen, selbst mit voller Unterstützung des Regimes, nicht zu erzielen sind. Das Publikum war wie auf den Demos gut durchmischt mit einem hohen Anteil von jungen Menschen, einschließlich SchülerInnen und StudentInnen. Denn auf den Unis gibt es kaum Möglichkeit mehr, sich frei zu äußern. Es herrscht ein repressives Klima. Statt freier Debatte wird dort das zionistische Narrativ zwangsverordnet. Das war auch Gegenstand der Vorträge.

Ergebnisse

Der Konsens nicht nur gegen den Völkermord, sondern auch gegen dessen Ursache, nämlich den Kolonialismus, war überwältigend. Allen Menschen müssen gleiche Rechte zustehen – from the river to the sea. Die von Regierung, Medien und Staatsanwaltschaft verfemte und verfolgte demokratisch-antikoloniale Losung kann als Quintessenz des Kongresses verstanden werden. Besatzung und Apartheid müssen beendet und damit der Weg zu einem gerechten Frieden geebnet werden. Südafrika gilt als großes Vorbild und die Boykott-Bewegung (BDS) als eine der Möglichkeiten diesen Prozess der Entkolonialisierung zu beschleunigen.

Die Empörung über die österreichische Regierung und den politisch-medialen Machtkomplex ist ob deren Nibelungentreue zum Völkermord massiv. Meinungsfreiheit und außenpolitische Neutralität, wie sie in der Verfassung stehen, müssen auf Biegen und Brechen verteidigt werden.

Einen Kommentar betitelte der „Falter“ in der darauffolgenden Woche folgendermaßen. „Palästina-Kongress in Wien: Holt die Nahost-Debatte aus der Schmuddelecke!“ Übersetzt heißt das: Wenn das Regime weiterhin die Palästina-Solidarität unterdrücke, denn könne sich deren Position unweigerlich ausbreiten. Es sei daher notwendig, das harte zionistische Meinungsdiktat aufzuweichen und kontrollierte Kritik zuzulassen, um die Framing-Hoheit nicht zu sehr zu verlieren. Damit gesteht ein linksliberales System-Medium in der ihm eigenen verklausulierten Sprache den Erfolg des Kongresses ebenfalls ein.

Im Schlussplenum wurde die Aufgabe proklamiert, die politische Artikulation der wachsenden Opposition gegen den Völkermord und die Komplizenschaft der Eliten und ihres Systems zu organisieren. Dabei soll die antizionistische Position der Bewegung der AktivistInnen in das Meinungsspektrum der passiven Mehrheit, die sich dem Völkermord mittels staatlicher Neutralität entgegensetzen wollen, eingebettet werden.

Es ergeht der Aufruf an alle, sich an der Palästina-Solidarität aktiv zu beteiligen.

Willi Langthaler, Mitglied des Organisationskomitees

www.palaestinakongress.at