Ein christlicher Aufruf zu Handeln gegen die Apartheid in Palästina
(1) „Schrei nach Hoffnung“
Aufruf zur Entscheidung und zum Handeln veröffentlicht am 1.Juli 2020 von Michel Sabbah (emeritierter Latein. Patriarch von Jerusalem) und Rifat Kassis (Koordinator von Global Kairos for Justice)
(cf https://cryforhope.org/media/attachments/2020/06/26/0-aufruf-schrei-nach-hoffnung—german.pdf)
In ihrem Aufruf laden sie ausdrücklich dazu ein… „einem Prozess des Bekennens beizutreten“…
„Wir können nicht Gott dienen und gleichzeitig zur Unterdrückung der Palästinenser schweigen …
Sie nehmen dabei bewusst Bezug auf ihre Vorgänger, die mit ähnlichen, nicht minder dringlichen, Krisentituationen konfrontiert waren:
– 1933 erklärte Dietrich Bonhoeffer, dass die Entrechtung der Juden durch das Nazi-Regime den status confessionis („Bekenntnisfrage“) für die Kirche bedeute;
– 1934 die Barmer Erklärung verstärkte die Verpflichtung der Kirche, gegen Ungerechtigkeiten aufzustehen und Ideologien der Tyrannei zu widerstehen;
– 1964 stellte Visser’t Hooft, GS des ÖRK (Ökumen, Rat der Kirchen) fest, dass Apartheid und Rassismus einen Bekenntnisfall für die Kirchen darstellen, ab 1969 folgte das Programm des ÖRK zur Bekämpfung des Rassismus
– 1977 erklärte der Lutherische Weltbund Apartheid für die Kirchen als status confessionis und suspendierte die Mitgliedschaft der weißen lutherischen reformierten Kirchen in Südafrika, 1982 schloss sich der Reformierte Weltbund an…
– 1985 veröffentlichte eine Gruppe von südafrikanischen Theologen „Kairos South Africa“ und forderten die Antwort der Kirchen auf unmenschliche Politiken des Apartheidregime heraus und provozierten wütende Diskussionen im Land und weltweit. https://kairossouthernafrica.wordpress.com/2011/05/08/the-south-africa-kairos-document-1985/
– 2009 folgte das Dokument „Die Stunde der Wahrheit“ von Kairos Palästina
(https://www.oikoumene.org › kairos-palestine-document)
Seitdem entstanden weltweit Kairos-Dokumente von ökumenischen Organisationen und Aufrufe zur Umkehr als Antwort darauf, die die Verpflichtung zum Umdenken und Handeln bekräftigen und erneut einladen, diesen „Prozessen des Bekennens“ beizutreten…
– 2022 hat der Ökumen. Rat der Kirchen auf seiner Vollversammlung in Karlsruhe aufgerufen, einen Prozess der Reflexion und der Verhaltensänderung zu beginnen, angesichts dieser aktuellen, unserer heutigen “Bekenntnisfrage”.
https://kairoseuropa.de/wp-content/uploads/2022/09/KPS-OeRK-Protest-mit-Link.pdf
Verschiedene Initiativen, Schriftenreihen, Seminarangebote greifen genau diese Herausforderung (“Bekenntnisfrage”) auf und unterstützen einen seit vier Jahren stattfindenden “Ökumenischen Prozess zum Thema ‘Israel als Apartheidsystem?“
(2) Gemeinsamkeiten dieser Dokumente in ihrer Analyse:
Überall werden folgende drei Typen von Theologien bzw. Kirchen unterschieden
(was uns helfen kann, um heute unsere Diözesen und Fakultäten zu durchschauen und verstehen):
1 – die Staatstheologien (bzw. Staatskirchen), die sich bedingungslos mit den Machthabern identifizieren: wie damals die Buren, so heute Evangelikale oder auch christliche Zionisten… die die Bibel zur Legitimation missbrauchen (Portugiesen und Spanier sagten zuerst der Papst als Stellvertreter Gottes habe die „wilden“ Völker ihnen zur Eroberung und Bekehrung gegeben; Aufgeklärte Weiße Siedler in Nordamerika oder Südafrika rechtfertigten Eroberung und „ethnic cleansing“ nicht im Namen Gottes, sondern einfach im Namen der westlichen Zivilisation…Hitler erklärte jüdisches als „unwertes“ Leben…).
Und sie blockieren und verdammen jede Kritik an den Kolonial- und Diskriminierungspolitiken
z.B. als Antisemitismus. (So wurde vor einigen Jahren Pax Christi’s Vorsitzender Bischof Manfred Scheuer angegriffen, und heuer zu Jahresbeginn der ökumen. Weltgebetstag der Frauen …
Auch an die 40 katholische Afrikamissionare ‘Weisse Väter’ wurden 1971 kritisiert und sofort aus der Kolonie ausgewiesen, weil sie gegen die portugiesischen bischöflichen Salazar-Anhänger in Mosambik protestiert hatten – und damit gegen den Vatikan selber. Dieser ersetzte im Jahr der Unabhängigkeit, 1975, plötzlich ein dutzend weiße Bischöfe durch schwarze, konnte aber damit die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht wieder herstellen. Opportunismus verfängt nirgends).
2 – die Kirchentheologien, die “neutral” zu sein vorgeben, darunter viele westliche, besonders deutschsprachige Kirchen unter dem Einfluss einer sog. „Staatsräson“, die aber selbst extremes Unrecht übersehen, zwar Versöhnung predigen, aber – ohne Gerechtigkeit, ohne jede Einforderung von Menschenrechten! Sie werfen anderen „Aktivismus ohne kritische Selbstreflexion“ vor und tappen unbemerkt in die Falle der Unglaubwürdigkeit…
3 – die prophetischen Theologien, die sich mutig mit den Opfern identifizieren, denen sich langsam immer mehr im globalen Süden anschließen, die bei uns systematisch und radikal verleumdet, bekämpft oder eingeschüchtert werden, damit die es wagen Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren oder ihren Namen als Unterstützende herzugeben, einen Rückzieher machen sollten…
Die Wahl zwischen diesen drei Möglichkeiten bedeutet eine reale Weggabelung, (die mehrmals angesprochene Bekenntnisfrage “status confessionis” Bonhoeffers), eine “Stunde der Wahrheit”, bzw. hält uns einen Spiegel vor, sodass wir „Farbe bekennen“ und einsehen müssen, wo stehen wir, nicht mit Worten allein, sondern mit unseren Taten, tatsächlich?
Eine unvermeidbare Reflexion und Wahlentscheidung, wo die Integrität und Glaubwürdigkeit der Kirchen definitiv – und auch der westlichen Demokratien – auf dem Spiel stehen und wo alle noch vorherrschende Doppelmoral entlarvt wird…
https://kairoseuropa.de/wp-content/uploads/2023/10/KPS-Aufruf-zur-Umkehr.pdf
https://kairoseuropa.de/wp-content/uploads/2023/12/KPS-GKJ- Kirchengemeinschaft-west.-Kirchen-mit-palaestinensischen-ChristInnen.pdf