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Herzl läßt grüßen.


3. Oktober 2024

Eine ironische Invektive

von Espérance Pfauenwedel

Eine etwas unbeholfene und klobige Vernaderung der Liste Gaza findet sich in der neuesten Nummer der in Wien erscheinenden Illustrierten Neuen Welt, gegründet 1897 von einem gewissen Theodor Herzl.

Homogene Völker, saubere Rassen.

Aber die Vernaderung hat es in sich, weil sie ist ziemlich hinterfotzig. Sie fragt sich z. B., ob diese Liste Gaza denn ” … eine österreichische Partei?” wäre. Ist es denn eine rassenfremde Partei? Hat er kein anderes Vokabular?

Man erinnert sich an die ÖVP-Hetze gegen Kreisky, mit der der eigene Kandidat, Josef Klaus, bei den Wahlen 1970 als „ein echter Österreicher“ bezeichnet wurde, in Anspielung auf die jüdische Herkunft Kreiskys. Klaus wurde auf diesen Plakaten besonders forsch und markig dargestellt (1).

Hier wird der bekannte Mechanismus auf uns umgemünzt. Wir, sind wir alle rassenreine Österreicher, die wir die Liste Gaza unterstützen? Oh je, leider nicht.

Oder wird die Liste von China unterstützt, oder (es schaudert mich) von Rußland? Werden ihr von den Houthis Securities zur Verfügung gestellt?

Wir sind Antisemiten.

Der Autor des mittelmäßigen Machwerks, das unter dem Titel “Gaza – Stimmen gegen den Völkermord“ – eine österreichische Partei?“ figuriert (2), der Verfasser, ein pensionierter österreichischer Beamter, berichtet, er habe in OE 24 (was Anderes liest er nicht?) “mit Entsetzen” gelesen, daß mit dieser Liste Astrid Wagner „in den Nationalratswahlkampf eintritt”. (Kursive Hervorhebungen von EPf)

Nu soll er sich entsetzen. Wir sind entsetzt über das, was derzeit im Gazastreifen passiert.  Es geht weiter: das Ganze sei “eine üble Form von Antisemitismus”- na also, damit wir endlich wissen, wie diese Leute uns beurteilen – “… gegen die konsequente opferreiche Kriegsführung Israels im Gazastreifen”.

Einbindung der Universität Wien verlangt.

Ein Schritt weiter: Der IKG (Israelitische Kultusgemeinde) habe er kürzlich vorgeschlagen, sie solle sich für „ein interdisziplinäres Gutachten“ der Wiener Universität einsetzen, auf dem geklärt werden soll, ob denn „Anti-Israelismus“ nicht „eine Unterform von Antisemitismus“ sei. Dazu meint er, nach kurzer Überlegung: „Ich denke ja.“ Wir sind verblüfft über das ungewöhnliche Urteil..

Man kann sich denken, wenn wir schon beim Denken sind, was da für „unparteiische“ Experten herangezogen werden könnten. Es kommt ärger: „Ein Unbedarfter könnte glauben, Israel ist in Gaza eingefallen, mordend, bombend, brandschatzend, vernichtend … und die armen, unschuldigen Palästinenser sind die Opfer.“ Fern sei uns diese wahnwitzige Annahme. Es ist doch wohl nur die konsequente Fortsetzung des jüdischen Befreiungskrieges von 1948, nicht?

Gleichschaltung der Justiz verlangt.

Ist das alles? Seine „ersten Gedanken kreisten“, berichtet er, soweit man bei ihm von Gedanken sprechen kann, aber sie kreisten, „um das Verbotsgesetz, § 268 b Strafgesetzbuch, Paragraphen gegen Finanzierung und Unterstützung von Terrororganisationen, etwa IS oder al Kaida oder (das folgende Wort wird im Original gar vom Beamten kursiv hervorgehoben) Taliban, und so begann ich zu recherchieren.“ Kann er das?

Zumindest müßte ihm, ausgehend von meiner halb-intimen Kenntnis der österreichischen Palästinasolidarität, mitgeteilt werden, daß dort niemand die Politik sei´s von IS, sei´s von Al Kaida oder gar der Taliban vertritt.  Nun ja, er hat es ja nicht behauptet, er läßt es nur anklingen. Semper aliquid haeret.

Er ist aber überrascht, daß es keinen Paragraphen „gegen diese Form von Terrorunterstützung oder gar Teilnahme an der Parlamentswahl eines EU-Staates“ gibt. Was für eine EU-Treue! Was interessieren uns Parlamentswahlen ausschließlich in EU-Staaten? Will der Israeldik uns außerdem auch noch mit Europäismus bewerfen?

Mit der Hetz-Suada werden wir aber zu Taliban-Anhängern abgestempelt. Aber nun aufgepaßt! Er peroriert: „Es ist eine echte Gesetzeslücke, die schleunigst in der nächsten Session des Nationalrates geändert gehört!“

Kein Verein, höchst verdächtig.

Nun recherchiert er weiter. Er alteriert sich, als echter beamteter Vereinsmeier, darüber, daß – offenbar meint er die Liste Gaza – der Verein im Vereinsregister nicht aufscheint. Hat er keine anderen Sorgen? Mit solchen läppischen „Recherchen“ kann man einen Gegner doch nicht in die Ecke treiben! Übrigens ein interessantes Problem für unsere Juristen, und Juristinnen.

Und seine Recherche führt ihn weiter zu einer Organisation aus dem fernen Jahre 2009, als man von dem Ausmaß des jetzigen Vernichtungskrieges noch nichts ahnte – zur Zusammensetzung etwa der jetzigen Palästinasolidarität, einer Koordinationsinstanz dutzender unterschiedlichster Organisationen zu recherchieren macht er sich (vielleicht kann man sagen Gott sei Dank!) nicht die Mühe, entweder weil er es nicht kann oder weil er zu faul ist, warum. Dazu müßte ich erst recherchieren -, einer Organisation, die sich HELP GAZA nennt, aus dem Jahre 2009, wie gesagt. Die ist ein eingetragener Verein, brav.

Aus dem Gesicht des Beamten spricht nichts als Pflicht, wie es Karl Kraus zum Massenmörder Schober mit unnachahmlicher und schärfster Ironie anmerkte. Der Vorsitzende des Vereins wird mit Namen genannt.

Und nun folgt ein exquisiter Blödsinn! „Also eine andere Baustelle. Immerhin vereinsrechtlich erfaßt. Das ist die Wahlgruppierung „GAZA – Stimmen gegen den Völkermord“ nicht.“ Schande.

Das ist von der Logik her nicht nur schwerfällig, sondern armselig. Wenn es „eine andere Baustelle“ ist, was hat sie hier zu suchen? Wenn es um eine politische Bewertung, respektive Auseinandersetzung geht, was hat die Eintragung als Verein überhaupt für eine Relevanz? Er regt sich außerdem auf, daß die Bundeswahlbehörde, die unter dem Vorsitz von Karner steht, wie er besonders anmerkt (will er den auch stigmatisieren?), und die wahlwerbende Gruppierung anerkannt hat. Wie reaktionär muß man sein, daß man sogar einen Karner ins Visier nimmt, der doch, trotz seiner guten Aussprache, ein echter Österreicher ist!

Verbot politischer Aktivitäten.

Nun fordert er einen Rundumschlag, und zwar wo?: „im „Wahlgesetz, Vereinsgesetz, Strafgesetzbuch, Verbotsgesetz“. Ist das alles?

Und was ist seiner Meinung das Ziel dieser Revue? „Bestimmungen zu erlassen, die es in Zukunft unmöglich machen, daß nichtösterreichische Themen (Kursives wiederum und wie immer von EPf) zu eigenen Parteien bzw. wahlwerbenden Gruppen für den Nationalrat führen.“ Etwas amtlich unbeholfen und steif, die Sprache.

Nichtösterreichische Themen? Wo sind wir hier gelandet? Das wäre geradezu ein Politikverbot!

Was will der ideologische Putschist? Sollten denn Parteien nicht internationale Themen auf ihrer Agenda haben dürfen? Etwa auch die SPÖ, die ÖVP, die Grünen, die FPÖ, die ja alle das „nichtösterreichische“ Israel auf ihrer Agenda haben?

Da dürfte es ja keine katalanischen Parteien geben, keine Südtiroler Volkspartei.

Oder gibt es „Österreich“ nicht mehr und ist es zu einer (ideologischen) Kolonie „Israels“ geworden? Dann wäre „Israel“ ja gar kein „nichtösterreichisches“ Thema mehr, da kann man dann also über Nichtösterreichisches reden, und es wäre stantepe Österreichisches, und die Eingemeindung vollziehen  in puncto Israel alle brav, denn „Israel“ ist ja unsere „Staatsraison“.

Wenn die gesamte Metternichpolitik Österreichs pro-Israel ist, wo ist dann der Unterschied zwischen „österreichisch“ und „nichtösterreichisch“? Es ist ein Schlag gegen die österreichische Souveränität, von außen-innen her, und somit aber auch von den diplomatischen Institutionen aus, die permanent die österreichische Politik mitdirigieren – wie´s auch im Falle der Ukraine passiert.

Sich andere Nationen oder Nationalitäten zum Hauptthema von Parteiaktivitäten zu machen, das war auch gerade im Falle der jüdischen Bevölkerung früher, in der Diaspora, durchaus möglich, ja geboten. Die Jüdische Nationalpartei hat sich – in der Monarchie – unter anderem für sprachliche Rechte und politisch-kulturelle Autonomie der Juden in Galizien eingesetzt, und zwar als Partei einer Nationalität, oder Nation.

Hören Sie! Als Partei, zugeschnitten für den Kampf für die Rechte einer Nation bzw. Nationalität! Einerrecht anderen Nation, von der Warte des Wiener Antisemitismus aus gesehen. Eine im Reichsrat vertretene Partei wagt es, sich zum Anwalt/zur Anwältin von Fremdrassigen, von einer ganzen anderen Nationalität zu machen!

Die meisten Forderungen wurden ihr aber nicht gewährt. Sie beschneiden ex-post  die  Rechte dieser historischen Partei und dies zusätzlich noch zur Verweigerungspolitik der Behörden der Monarchie, befinden sich also in einer jämmerlichen Tradition. Früher keine Rechte in einem Kronland, in dem die Juden außerhalb von Czernowitz hungerten, heute keine Rechte eines kolonisierten Landes, in dem die Palästinenser hungern, verhungern.

Ziehen Sie diesen lächerlichen Vorwurf des Nichtösterreichischen zurück! Ihre merkwürdige Assimilation an den österreichischen Patriotismus führt Sie offensichtlich in die Richtung eines Austro-Rassismus, mit dem Sie sich, als Zionist, amalgamieren. Ihre Positionen sind fraglich.

Vorwurf des Spitzeltums?

Ist dies alles ein Geplänkel? Der Rechercheur steigert: „Fraglich, ob die GAZA-Gruppierung nicht die Terrororganisation Hamas mit Wissen über EU und Europa bzw. sogar Geldmitteln unterstützt.“ Fraglich.

Das erbärmliche  Deutsch des Beamten läßt vermuten, daß er nicht richtig nachgedacht hat. Die Unterstützung wäre „fraglich“! Eine fragliche Sache, sagt er selbst.

Kann er sich konzentrieren? Wie kann er eine fragliche Behauptung als Argument präsentieren? Wenn er gesagt hätte „Mancher mag sich die Frage stellen …“, dann wiese sich der Satz ehrlich als bloße Vermutung aus, aber vielleicht war ihm eine so differenzierte Formulierung zu mühsam. Vielleicht hat er zu schnell geschrieben. Aber es mag ihm wohl weniger darauf ankommen, wie etwas formuliert ist, sondern daß vernadert wird. Und man ist ja eingebettet in die Institution eines zionistischen Weltblattes.

Die Semantik ist hatschert. „Die Terrororganisation Hamas mit Wissen …“ unterstützen? Mit Wissen unterstützen – vielleicht meint er „wissentlich“, im Sinne von bewußt und gezielt unterstützen? Das wäre was! Man kann aber nicht wissen, was er „mit Wissen“ meint. Vielleicht nichts. „ … über EU und Europa“ könnte aber auch heißen, so stellte es sich mir übrigens am Anfang dar: „ … mit Hilfe europäischer Organisationen/Parteien, die eine klammheimliche Sympathie für die Palästinenser haben.“ Auf Umwegen. Mit Hilfe gewisser Kräfte, ja Parteien. Etwa der PSOE.

Oder meint er am End: Die GAZA-Gruppierung unterstütze „Hamas mit Wissen über EU und Europa“, im Sinne einer Agententätigkeit?. Wer versteht, was er meint? Sind wir Spione? Na vielleicht läuft etwas in Richtung AKP oder MHP, oder Iran ab… Abschöpfen werden die bestimmt was.

Eine Unterstützung „mit Wissen über EU und Europa“. Wie kann er denn?  Will er ganz Europa vernadern? Recherchiert hat er nicht, er will nicht und kann nicht.

Vorwurf der Terrorfinanzierung.

„Fraglich, ob die GAZA-Gruppierung nicht die Terrororganisation Hamas mit Wissen über EU und Europa bzw. sogar Geldmitteln unterstützt“.

Das wäre ungefähr dasselbe, als wenn wir vermuten, ja behaupten würden, daß Gelder von der ÖVP  an Ben-Gvirs Otzma Jehudith fließen würden.

Ihm ist zu Ohren gekommen, daß in Wien ein zweitägiger (horribile dictu!) Palästina-Kongreß auf die Beine gestellt wird, der große Schwierigkeiten hat, und der wohl verhindert werden wird, wie vor einem Jahr der internationale Friedenskongreß unter letztlicher  Zuhilfe des ÖGB (die geschickt lancierte Initiative ging vom ukrainischen Botschafter aus) beinahe verhindert wurde, man hat es versucht, aber der Kongreß gelang schließlich doch. Die Komplotte kennen wir.

Für die Finanzierung des Palästina-Kongresses, für Anreise, Unterbringung trafen bisher 8000 Euro ein. Davon können wir für die Hamas nichts abzweigen!

Denn es muß für Flüge, Unterbringung der internationalen Gastreferenten gesorgt werden. Und es wird nichts mehr gefürchtet als eine internationale répercussion der österreichischen Zustände!

Vom Palästina-Kongreß weiß er wohl, von dessen Schwierigkeiten vielleicht nichts, vielleicht schon, vielleicht ist er ein Mittäter am politischen Aktionsverbot, der Mann einer tieferen Ebene.

Nun hat eine angesehene Bank das Konto der Solidaritätsorganisation gesperrt, und sie behält sich das Geld, gibt es nicht mehr heraus (Stand Mittwoch). So sieht´s aus, Herr Fellmann. Das aber ist Diebstahl, ein krimineller Akt besonderer Art.

Die islamischen Weltkräfte haben mehr Geldmittel zur Verfügung als wir, unser Geld brauchen sie nicht. Es wäre natürlich originell, wenn die Hamas in der Lage wäre, der deutschen Bank die 8000 Euro wieder zurückabzuzwacken – sozusagen mit einem echt und rein islamistischen Hacking, das Geld müßten sie aber dann ehrlichweise nach Wien zurückschicken, das wäre peinlich für uns.

Auch die Geheimdienste einbinden.

Jetzt kommt ein zweiter Rundumschlag des Herrn Ilan Fellmann: „Die Unterstützung der Hamas mit Wissen über EU und Europa bzw. sogar Geldmitteln … wäre durch STA Wien und Landeskriminalämter sowie Geheimdienste zu erforschen. Anzeigen an Rechtsanwaltskammer und STA bleiben vorbehalten.“ Beziehungsweise sogar.

Es disponiert förmlich, was zu machen ist, der Mann aus dem Tiefen Staat.

Und er gibt noch eine Empfehlung drauf: „Dieser Beitrag sollte auch in Deutschland veröffentlicht werden, damit unsere bundesdeutschen Kollegen (ganz der interne Sprech der Krimineser, EPf) Bescheid wissen, was hierzulande alles möglich ist. Eine Schande für Österreich!“

Wer? Fellmann?

Er zerschlägt, wie seine Gesinnungsgenossen, das echte Judentum! (2)

Und wir, wir wissen bis jetzt nicht, warum wir antisemitisch sein sollten.

P. S.: Es wird der jüdischen Kultur und Geschichte, der Kultur Medems, der Kultur von Alter und Ehrlich, der Kultur Jakob Israel de Haans, der Kultur Walter Benjamins, der Kultur Moyshe Leyb Halperns, der Kultur und Geschichte der jüdischen Aufklärung, dem Kampfe Sutzkevers ein schlechter Dienst erwiesen, wenn man in diesem Vereinsblatt (es handelt sich doch hoffentlich um einen Verein?) einen solchen Autor auftreten läßt.

(1) Georg Markus: Wie Kreisky eine neue Form des Wahlkampfs erfand, Kurier, 25. 8. 1913

https://kurier.at/politik/inland/wie-kreisky-eine-neue-form-des-wahlkampfs-erfand/23.989.683

(2) Jetzt zu finden unter: https://www.neuewelt.at/fileadmin/user_upload/3_2024.pdf

(3) Ilan Fellmann war Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, des Finanzministeriums und des Ministeriums für Landesverteidigung, ist außerdem Autor eines Buches über Korruption.