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Ich sage: „From the river to the sea, Palestine will be free“ – Schluss mit der Kriminalisierung


23. September 2024

Von Martin M. Weinberger

Seit dem Oktober 2023 wird die Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ durch die Regierenden verwendet, um demokratische Grundrechte auszuhebeln, Versammlungen zu untersagen und Solidarität mit Palästina zu kriminalisieren, indem Hunderte Aktivist:innen wegen sehr schwerem strafrechtlichem Verdacht angezeigt werden und unter Beobachtung des Staatsschutzes stehen. Im Folgenden möchte ich diesen Repressionsmechanismus an meinem persönlichen Beispiel aufzeigen.

Am 8. Juni 2024 hielt ich anlässlich einer Palästinademo in Linz eine Rede, die durch die Polizei aufgezeichnet wurde. Im Zuge der Rede brachte ich folgende Passage (aus dem Protokoll der Polizei):

„17:49:27 Uhr: Österreich ist nach seiner Verfassung ein neutrales Land. Das ist in der Verfassung festgeschrieben. Und die Aufgabe Österreichs, als eines neutralen Landes, wäre es auf der Bühne der Welt, sich aktiv einzusetzen für einen gerechten, einen wahrhaften Frieden. Ein gerechter Friede bedeutet, dass alle Seiten einbezogen sind. Bruno Kreisky hat das damals gemacht, indem er die PLO anerkannt hat. 

17:50:09 Heute muss das passieren, indem auch der Widerstand in seiner Legitimität anerkannt wird, indem auch die Kräfte des Widerstands einbezogen sind, eine gerechte Friedenslösung zu finden. Das muss mal in aller Deutlichkeit gesagt werden. Aber das Österreich, das offizielle Österreich, beschreitet den gegenteiligen Weg, das beschreitet nicht den Weg, sich an einen Tisch zu setzen und auf einer Augenhöhe zu sprechen. Das offizielle Österreich wählt den Weg, mit nur …(Zahl unverständlich)… anderen Staaten gegen einen Waffenstillstand zu stimmen. Das offizielle Österreich geht den Weg der Kriminalisierung, Untersagung und Unterdrückung, der Ausschaltung der Meinungsfreiheit, denn die Stimme Palästinas darf nicht hörbar werden, in ihren Augen. Denn sie empfinden es als bedrohlich, dass die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher, der in Österreich lebenden Menschen keinen Völkermord wollen. Nichts … (unverständlich evtl „zu sagen“), nicht verstehen wollen, bei einem Völkermord der sich vollzieht, sie sagen (evtl auch „ich sag“): „Nie wieder, ist nie wieder, für Alle“, und die sagen: „Nein, wir können nicht mitmachen bei einem Völkermord.“ Wir müssen uns … (unverständlich – evtl „melden“), wir können nicht schweigen. 

17:51:42 Uhr Wir erleben auch Ungeheuerlichkeiten, beispielsweise, indem bestimmte Losungen für verboten erklärt werden, seitens der Polizei und seitens der Exekutive, auf politische Weisung von oben. Und wenn diese Dinge untersagt werden, dann wird auf der Grundlage, werden Versammlungen und Kundgebungen aufgelöst. Das betrifft das Wort mit „I…“, mit „Idi…“ am Anfang [gemeint ist natürlich INTIFADA; Anm. d. Verf.], das verboten wurde, für verboten erklärt wurde, obwohl es für das demokratische Anliegen eines Abschüttelns steht, in Arabisch bedeutet es „Abschütteln“. Abschütteln von Besatzung, Abschütteln von Fremdherrschaft, und es bedeutetet eine Volksbewegung, einen Volksaufstand für, der völkerrechtlich verbrieft und legitimiert ist. Und das wollen sie verbieten? Das wollen sie verbieten?

17:52:52 Uhr Und, ich zitiere aus einem Gerichtsurteil, dem Gerichtsurteil eines Verwaltungsgerichtes in Niederösterreich, wo wir eine Maßnahmenbeschwerde gegen eine Auflösung, eine Untersagung, eingereicht haben. Auch untersagt wurde diese Versammlung aufgrund der Tatsache, dass: „FROM THE RIVER TO THE SEA “ nicht, ah.., wir nicht bereit waren, das aktiv zu unterbinden. Wir haben gesagt, das ist eine … (unverständlich) Forderung, eine legitime Forderung, ist eine rechtliche Forderung. Und es ist mir egal, wenn das, ob, ob, …ob sie es für verboten, terroristisch, oder sonst wie erklären, heißt dann: „WILL BE FREE“. Und im Gerichtsurteil hat der Richter gesagt: „Diese Untersagung ist rechtswidrig.“. „Im Namen der Republik“, ich zitiere aus dem Urteil: „Im Namen der Republik – FROM THE RIVER TO THE SEA – PALESTINE WILL BE FREE – kann dem Frieden dienen“, kann dem Frieden dienen. … – Kurzfristig aufgrund Applaus und Beifallsrufen der Kundgebungsteilnehmer nicht verständlich. … hat das in seinem Urteil geschrieben. Aber die Polizei, die Exekutive, setzt sich darüber hinweg, über diese juristischen Urteile, sie sind ein ausführendes Organ, die Polizei muss sich österreichischen, demokratischen, juristischen Urteilen beugen. … – Kurzfristig aufgrund Applaus und Beifallsrufen der Kundgebungsteilnehmer nicht verständlich.“

Dieses Transkript der Rede wurde als Beweismittel herangezogen, mich seitens des Verfassungsschutzes wegen des Verdachts der Verhetzung (§ 283(2)) sowie der Gutheißug terroristischer Straftaten (§ 282a(2)) anzuzeigen und Erhebungen zu meiner Person zu veranlassen. Im Akt liest sich diese „Darstellung der Tat“so:

„Faktum I (283/2 – Verhetzung) 

WEINBERGER Martin Muhammad Omar sprach von 17:52:52 bis 17:55:19 Uhr in seiner oben angeführten Kundgebungsrede den Slogan „FROM THE RIVER TO THE SEA –PALESTINE WILL BE FREE“ aus, wobei er vorab mitteilte, dass er hier lediglich aus einem Gerichtsurteil „zitiere“ – durch dieses Zitat ist Martin Muhammad Omar WEINBERGER verdächtig, dem Staat Israel die Berechtigung abzusprechen“

„Faktum II (282a/2 – Gutheißung terroristischer Straftaten) 

WEINBERGER Martin Muhammad Omar sprach zwischen 17:49:27 und 17:51:42 Uhr in seiner oben angeführten Kundgebungsrede davon, dass: „… der Widerstand in seiner Legitimität anerkannt wird, …“, und davor: „Bruno Kreisky hat das damals gemacht, indem er die PLO anerkannt hat.“, wodurch er in Anbetracht des Inhaltes der gesamten Rede verdächtig ist, wenngleich verklausuliert, die Terrororganisation HAMAS, und somit auch den Terrorüberfall der HAMAS auf Israel am 07. Oktober 2023 mit den dabei 1.139 ermordeten Menschen, als legitim zu erklären und somit gutzuheißen.“

Bei meiner Vorladung zum Verfassungsschutz berief ich mich auf eine schriftliche Stellungnahme. Gemeinsam mit anderen Betroffenen erstatteten wir in Folge Anzeige gegen Ministerin Zadic wegen des Verdachtes auf Amtsmissbrauch, da durch den Erlass des Justizministeriums zur rechtlichen Würdigung der Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ die Staatsanwaltschaften per Weisung angehalten sind, einen Anfangsverdacht der Gutheißung anzunehmen und gegen Menschen zu ermitteln, die diese Parole aussprechen. Auf dieser Grundlage eines Generalverdachts wurden auch Kundgebungen und Versammlungen untersagt, unzählige Menschen wurden zum Verfassungsschutz vorgeladen, etliche angeklagt. Darin erkennen wir eine maßgebliche Schädigung an unseren Rechten, unter anderem am Grundrecht auf Versammlung und Meinungsfreiheit. Es kann nicht angehen, dass der Forderung nach einem freien Palästina pauschal eine „terrorgutheißende Bedeutung“ zugemessen wird, man also grundsätzlich verdächtigt wird, „Terror gutzuheißen“, und zur Abwendung einer Strafverfolgung das Gegenteil erst beweisen muss. Das ist ein tiefes Unrecht, die Dienstbarmachung der Staatsanwaltschaften zur Repression und Unterdrückung sowie Kriminalisierung der Palästinasolidarität der Versuch, Gesinnungsjustiz zu installieren.

Auf die Ladung der Staatsanwaltschaft Linz zur Einvernahme wegen des Verdachtes auf Verhetzung und Gutheißung reagierte ich mit folgender Stellungnahme:

STELLUNGNAHME

Ich nehme zu den mir vorgeworfenen Tatbeständen wie folgt Stellung: 

Die im Transkript aufgeführten Äußerungen habe ich in dieser Form getätigt. Ich habe „From the river to the sea, Palestine will be free“ im Zusammenhang eines Zitates in meiner Rede vorgetragen. Für mich subjektiv stellt diese Parole keinen Tatbestand der Verhetzung oder der Gutheißung und Aufforderung zu terroristischen Straftaten dar und ist seit langer Zeit eine der Kernforderungen palästinensischen Selbstbestimmungsstrebens, unabhängig von den Ereignissen des 7. Oktobers. Einen Anfangsverdacht aus der Verwendung und dem Gebrauch dieser Forderung zu konstruieren, werte ich als eine Schädigung an meinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Ich habe immer und werde immer diese Parole im folgenden Sinne verstehen und benützen:

Das palästinensische Volk hat ein – auch völkerrechtlich legitimiertes – Recht auf Selbstbestimmung und auf Widerstand gegen Besatzung. Dieser Widerstand kennt viele Formen und lässt sich nicht auf Hamas reduzieren.

Die israelische Besatzung im Westjordanland und in Gaza basiert auf Apartheid und Kolonialismus, damit auf einer Missachtung elementarer Menschenrechte für die Palästinenser:innen. Zudem unterliegen die besetzten Gebiete der Militärgerichtsbarkeit, was Demokratie als Dauerzustand außer Kraft setzt. Israel verübt in diesen Gebieten seit Jahrzehnten dokumentierte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Ein freies Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer zu fordern, ist die Forderung nach der Herstellung eines Zustandes der Demokratie und der Achtung vor den Menschenrechten für alle in diesem Raum lebenden Menschen. Alle Menschen in diesem Raum sollen gemeinsam, in Frieden und Demokratie selbstbestimmt leben können. Darin sehe ich den einzigen Weg, der zu einem dauerhaften Frieden und einem Ende der Gewalt führen kann, die unzählige Zivilist*innen das Leben kostet. Die Tötung von Zivilist*innen, egal auf welcher Seite, lehne ich ab. 

Auch hinter meiner Referenz auf Bruno Kreisky steht diese Überzeugung. Die Anerkennung der PLO durch ihn ermöglichte Friedensverhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Eine militärische Lösung, wie sie gegenwärtig durch Israel angestrebt wird, kann nach meiner Überzeugung keinen Erfolg haben und wird nur in weiteren Kriegsverbrechen, zivilen Todesopfern und unermeßlichen menschlichen Leiden münden. Es ist richtig, dass ich hinsichtlich Friedensgespräche für den Einbezug auf Augenhöhe auch des palästinensischen Widerstandes und seiner Vertretungen einstehe. Man mag zu politischen Zielen, Methoden oder spezifischen Akten ablehnend stehen, Hamas ist eine maßgebliche politische Kraft in der Auseinandersetzung zwischen Israel und Palästina. Eine friedliche Beilegung des Konfliktes ist nur möglich, indem die Seiten sich zu wirklichen Friedensgesprächen zusammenfinden. 

Zur Belegung meiner Aussagen füge ich ein Interview bei, das von mir am 11. Oktober 2023 zu „From the river to the sea…“ KroneTV gegeben wurde.