Das gesamte politische Establishment Österreichs samt der angeschlossenen Journaille haben in den letzten neun Monaten ihre geradezu dogmatische Unterstützung für den Völkermord in Gaza mit wenig mehr als Platituden gerechtfertigt, dafür aber umso mehr den politischen Widerstand dagegen diffamiert und kriminalisiert.
Wer die Reihen hinter dem Vernichtungskrieg Israels in Gaza nicht geschlossen hatte, und immer noch gegen Völkermord oder gar für gleiche Rechte der palästinensischen Bevölkerung im Gebiet „from the river to the sea“ eintrat, wurde dieser Tage schnell zum kriminellen Outlaw erklärt. Alle hatten sich hinter dem Konsensus versammelt, dass ein totes israelisches Kind mehr zählt als ein palästinensisches, ja zehn oder zwanzig palästinensischer Kinder. Und wer sich seinen Verstand und seine moralische Integrität in dem Hype noch erhalten hatte, und diese Propagandarechnung nicht bestätigte, war ein Antisemit. Hirnlos wiederholten Regierung, Parlamentsparteien, Medien und überhaupt jeder, der nicht geächtet werden wollte, den intellektuell so peinlich wie moralisch widerlichen Missbrauch des Antisemitismus-Vorwurfs – zum Schaden des Kampfes gegen wirklichen Antisemitismus, der damit verhöhnt und banalisiert wurde. So groß ist die von diesem Hype gestiftete intellektuelle Verwirrung, dass sich zuletzt sogar der KZ-Verband unter Berufung auf die „Verurteilung des Antisemitismus“ vom Mauthausenschwur distanzieren zu müssen glaubte. Man darf gespannt sein, ob dieses politische Vermächtnis der vom Nationalsozialismus Verfolgten selbst demnächst auf irgendeinem „pseudo-antisemitischen Index“ landet.
Was die Unterstützer des Völkermordes in Gaza aufbieten, ist ein Aufguss der immer skurriler und schriller werdenden zionistischen Propaganda, die aus durchsichtigen Motiven global nur noch ‚Antisemitismus‘ sehen will, …..
· …. bei der UNO, insbesondere deren Menschenrechtsagenturen und unabhängigen Menschenrechts-Rapporteuren, die seit dem Beginn von Israels Vernichtungskrieg nicht mehr einzeln, sondern gleich im Dutzend einen Aufschrei nach dem anderen abgesetzt hatten, ….
· ….. natürlich auch an den internationalen Gerichtshöfen in Den Haag, die nicht mehr umhin kamen den Völkermord in Gaza für „plausibel“ und jüngst die israelische Besatzung als solche für illegal zu erklären, …..
· …. und sowieso bei den unabhängigen Menschenrechtsorganisationen, die Israel seit langem der Apartheid und der routinemäßigen Folter inklusive sexueller Gewalt, willkürlichen Freiheitsberaubung (vulgo Geiselnahme), Verweigerung fairer Gerichtsverfahren, ungestraften Mordens der Sicherheitskräfte und israelischer Siedler an der Zivilbevölkerung, Kollektivstrafen wie etwa Wohnhausdemolierungen und Sippenhaftung, Landdiebstahl und Vertreibungen, usw., und nun auch des Völkermordes in Gaza bezichtigen, ….
· …. bei allen Regierungen, die Israel kritisieren, also ca. drei Viertel der Welt, …
· ….. Südafrikanern sowieso – vielleicht mit Ausnahme einiger rechtsradikaler „Weißer“, die Sehnsucht nach der alte Apartheid haben, ….
· …. auch bei den tausenden Universitätsprofessoren und Forschern, die ihre Stimme in öffentlichen Stellungnahmen gegen den Völkermord in Gaza erhoben haben, ….
· …. und sogar jenen deklariert jüdischen Menschen, Shoa-Überlebenden und deren Nachkommen, die den Völkermord in Israel weltanschaulich nicht (mehr) mittragen können und/ oder sich als Antizionisten verstehen (siehe die Gleichsetzung von Antizionismus mit Antisemitismus bei der Anti Defamation League/ ADL).
So bunt treiben es die ideologisch wie politisch in die Enge getriebenen zionistischen Propaganda-Abteilungen, wie die ADL, dass sogar liberale Zionisten, wie J-Street nicht mehr bei jedem Unsinn mitmachen wollen und sich bemüßigt fühlten, klarzustellen: „ …. many Jewish people have participated in or even led protests that are fiercely critical of the Israeli government and supportive of Palestinian rights. They are clearly not motivated by hatred of the Jewish people.”
Inhaltlich ist diese propagandistische Parallelwelt nicht mehr ernst zu nehmen: Wie konnten diese angeblichen „Antisemiten“ nur weltweit internationale Organisationen, Regierungen, Universitäten und sogar massenweise jüdische Gemeinden unterwandern? Sind wir mit einer antisemitischen Verschwörung noch nie dagewesenen Ausmaßes konfrontiert, die von den „Weisen von Genf“ (Sitz der meisten UN-Menschenrechtsorganisationen, wie OCHA, UNHCHR, Human Rights-Council, usw,) heimlich gesteuert wird?
In der historischen Wirklichkeit sind es aber vielmehr die systemimmanenten Legalitätsmasken von Zionismus, Rassismus und Kolonialismus, die gerade zerbrechen, und deren widerliche Fratzen überdeutlich frei geben. Denn die Argumentationslosigkeit des politischen Establishments und ihr Rückzug auf Staatsgewalt oder Marktmacht in dieser Auseinandersetzung zeigt nur die Erosion seiner „kulturellen Hegemonie“ (Gamsci), also von dessen Fähigkeit die Gesellschaft auch durch Herstellung eines weitgehend akzeptierten Konsenses zu beherrschen. Dies eröffnet praktisch neue taktische Spielräume für die Bewegung gegen den Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung. Dies soll hier an zwei jüngst veröffentlichten Dokumenten zum internationalen Recht im Hinblick auf die (schwindende) systemimmanente Legitimität der Komplizenschaft mit dem israelischen Vernichtungskrieg in Gaza und dem rassistischen Kolonialregime im weiteren Sinn erörtert werden.
Beginnen wir mit der offiziellerseits weitverbreiteten Behauptung, das Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte in Gaza, das nach dem International Court of Justice (ICJ) „plausibel“ Völkermord darstellt, wäre nur „Selbstverteidigung“.
Dies sei eine Rechtfertigung von Völkermord, die gegen die Verpflichtungen der Völkerrechtssubjekte nach internationalem Recht verstoße, meint jedenfalls eine im Mai erschienene Analyse des University Network for Human Rights (UNHR) mit dem Titel „GENOCIDE IN GAZA“, an der die Creme de la Creme der US-amerikanischen Law Schools beteiligt war, und in der es heißt: „States are under an obligation to not recognize Israel’s military operations in Gaza as lawful. In particular, they may not invoke or adopt any justification — including that of self-defense [Hervorhebung d. Autors] — to justify Israel’s conduct in Gaza“ (UNHR, Abs. 229).
Die fallbezogene Begründung der US-amerikanischen Law-Schools dafür hat es in sich, und wird deshalb hier in einiger Ausführlichkeit zitiert: „As discussed above, the totality of Israel’s conduct of military operations in Gaza violates the prohibition of genocide under international law, which bears jus cogens and erga omnes status,719 in addition to violating international humanitarian law. The gravity and scale of Israel’s violations (see Sections 3.a and 3.d.ii), and clear expressions of the genocidal intent of its use of force in Gaza (see Section 3.b) render it practically impossible to separate the genocidal elements of Israel’s military operations from elements that are non-genocidal, for purposes of assessing the legality of specific parts of Israel’s military operations in Gaza. It follows, therefore, that States have a duty to refrain from recognizing as lawful all of Israel’s military operations in Gaza (Section 6.a) and from rendering any aid or assistance to Israel in its conduct of military operations in Gaza (Section 6.b). Furthermore, States have a positive duty to cooperate to bring to an end Israel’s military operations in Gaza (Section 6.c) [Hervorhebungen d. Autors]“ (UNHR, Abs. 229).
Kurz gesagt, die Absicht und Umsetzung des Völkermords sei aus der israelischen Kriegsführung so klar erkennbar, dass es keinen rechtlichen Spielraum gäbe, diese nicht als Ganzes als Verletzung der Völkermordkonvention zu sehen, weshalb den anderen Staaten die Pflicht erwachse, diese als Ganzes als nicht rechtmäßig anzusehen und als Ganzes nicht zu unterstützen, sowie zur gänzlichen Beendigung dieser Militäraktion zu kooperieren.
Das ist für einen informierten und logisch denkenden Menschen zwar nichts wirklich Neues, und auch Militärs sagen klipp und klar, dass das israelische Vorgehen als „Aufstandsbekämpfung“ keinen militärischen Sinn machen würde und daher nur der Vernichtung palästinensischen Lebens dienen kann. Aber es ist doch bedeutsam, dass der völkermörderische Charakter der israelischen Militäraktion als solcher hier in der Form des internationalen Rechts durch argumentiert wurde; denn der Rechtsform bedienen sich Staat und Politik eben auch, wenn sie Völkermord und Besatzung Israels unterstützen, und die Völkermordgegner zu delegitimieren versuchen. Dem entzieht schon die UNHR-Analyse praktisch den Boden und noch viel mehr die jüngst verkündete Advisory Opinion des ICJ vom 19. 7. 2024(„Legal Consequences arising from the Policies and Practices of Israel in the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem“), die das über ein halbes Jahrhundert alte Besatzungsregime in seinen Grundfesten „loud and clear“ (wie das eine Repräsentantin von Amnesty International genannt hatte) delegitimiert. Der Historiker Tarik Cyril Amar bringt die Bedeutung der neuen ICJ Entscheidung treffend auf den Punkt: „All those who have long named Israel’s systemic crimes and called for resistance to them, whether outside or inside Palestine, now have, in effect, the highest court of the world on their side. There is no more room for debate about what Israel is doing, and once that has been settled, there is no argument left for defending it.“
Damit wird es immer schwieriger die brutale Besatzungs- und Kolonialpolitik Israels in den besetzten Gebieten in den gängigen ideologischen Kategorien von Recht, Demokratie (Stichwort: „Einzige Demokratie im Nahen Osten“), ja auch nur des modernen Krieges im Clausewitz’schen Sinn – als Fortsetzung einer (rationalen) Politik mit anderen Mittel und mit seinen daraus folgenden im Kriegsrecht kodifizierten Beschränkungen – zu verkaufen. Da ist nichts rechtmäßig, nichts demokratisch und die laut Propaganda „moralischste Armee der Welt“ entpuppt sich als undisziplinierte, schießwütige Siedlermiliz („Israeli military not a professional army; its ground incursions look like Daesh attacks“), die an die Freiwilligenverbände an der US-amerikanischen Frontier zur Vernichtung der letzten indigenen Völker im 19. Jahrhundert erinnert, und von Kriegsrecht und Clausewitz noch nie gehört zu haben scheint.
Konkret heißt das:
1. Das eingangs erwähnte Beispiel verweist nur auf eine besonders augenfällige Verletzung der internationalen Rechtsnormen durch das politische Establishment hierzulande – und anderswo. Die UNHR-Analyse leitet aber systematisch fünf Verpflichtungen für die Staaten aus dem internationalen Gewohnheitsrecht („customary international law“) und der Völkermord-Konvention („Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide) ab, die von der Advisory Opinion des ICJ vom 19. 7. 2024 um zwei weitere ergänzt werden, die sich auf das israelische Besatzungsregime als solches beziehen.
2. Allein die Anwendung dieser sieben Prinzipien entkleidet die Völkermord- und Apartheid-Unterstützter jeder rechtlichen Legitimation und kehrt die Beweislast praktisch um. Nicht die Gegner von Völkermord, Kolonialismus und Apartheid haben sich zu rechtfertigen, sondern hätten deren staatliche Unterstützer zu erklären, warum sie ihren Verpflichtungen nach dem internationalen Recht nicht nachkommen. Es handelt sich dabei um ‚jus cogens‘, aus dem sich Verpflichtungen ‚erga omnes‘, also für alle Völkerrechtssubjekte ergeben, unabhängig davon, ob diese in irgendeiner Weise betroffen sind, oder sich vertraglich daran gebunden haben. Umgekehrt legitimieren diese Verpflichtungen weitgehende Maßnahmen der Völkerrechtssubjekte gegen Israel zur Verhinderung, Bestrafung und Beendigung von dessen Rechtsbrüchen, vom diplomatischen bis zu wirtschaftlichen Boykott.
3. Dazu kommt, dass ‚erga omnes‘-Rechtsbestände – weil im Interesse aller Völkerrechtssubjekte – auch von jedem eingefordert oder eingeklagt werden können: „The violation of the prohibition of genocide, an erga omnes obligation under customary international law, generates standing for every State in the international community to invoke the responsibility of another State.813 …… A non-injured State may also claim from the breaching State reparations for the benefit of the injured State or other beneficiaries of the obligation breached815“ (UNHR, Abs. 260, s. a. ICJ 19.7.2024, Abs. 274). Dasselbe gilt für die Verpflichtungen nach der Völkermordkonvention ‚erga omnes partes‘, also zwischen allen Unterzeichnern (UNHR, Abs. 262). Somit drohen nicht nur Israel, sondern auch seinen Komplizen in den westlichen Regierungen Verfahren auf internationaler Ebene.
Sollte jemand die Regierung vielleicht informieren, dass sie schon eine ganze Weile auch formell in offenem Bruch ihrer Verpflichtungen nach dem Völkerrecht verharrt? Oder sollte man das Außenministerium auf die ca. hundert Seiten starke rechtliche Analyse des UNHR aufmerksam machen, die seinen Mitarbeitern u. a. bei der Abfassung der – vom Petitionsausschuss des Parlaments angeforderten – Stellungnahme zur parlamentarischen Bürgerinitiative für einen Waffenstillstand in Gaza sicher hilfreich sein würde?
Die UNHR-Analyse leitet aus dem internationalen Gewohnheitsrecht (UNHR, Part 5, 6.), …..
… und aus der Völkermord-Konvention selbst (UNHR, Part 5, 7.), …..
ab.
Die Advisory Opinion des ICJ vom 19. 7. 2024 spezifiziert Verpflichtungen ‚erga omnes‘ zum Schutz von Rechtsprinzipien, die von Israel durch seine widerrechtliche Besatzung verletzt werden, nämlich die ….
Die beiden – freilich unterschiedlich verbindlichen – Rechtsdokumente enthalten recht konkrete Aussagen zur Anwendungen der Rechtsnormen auf die Situation in Gaza im Speziellen – wie die eingangs zitierte – und in den besetzten Gebieten im Allgemeinen, die hier nur kursorisch referiert werden:
Die illegalen Siedlungen in den besetzen Gebieten werden von Israel als integraler Bestandteil des israelischen Staates verwaltet, weshalb die hier vom Gerichtshof formulierten Verpflichtungen eigentlich eine Legitimation für einen totalen Boykott des Staates Israel durch alle Völkerrechtssubjekte sind, der über Forderungen von BDS wohl weit hinausgeht. Dass das internationale Recht solche Maßnahmen legitimiert, geht auch aus den Verweisen der UNHR-Analyse auf – im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Kooperation zur Beendigung des Völkermordes (Prinzip 3) genannte – von der UNO legitimierte Maßnahmen gegen Apartheid-Südafrika hervor (UNHR, Abs. 235), als da wären: kein Austausch in den Bereichen Kultur, Bildung und Sport, eine Öl- und Waffenblockade, die Aberkennung von Wahlen und der Verfassung Südafrikas wegen ihres Widerspruchs zur UN-Charter.
„The occupation must end. Not because of the ICJ“, …. but possibly with a little help of it
Niemand wird sich darüber Illusionen machen, dass wegen einer Rechtsmeinung, selbst der eines internationalen Gerichtshofs, der Völkermord in Gaza oder gar die Besatzung der palästinensischen Gebiete enden würde.
Die Rechtsform ist und bleibt grundsätzlich ein Herrschaftsinstrument, das die realen Machtverhältnisse nur abbildet, nicht transformiert. Und wenn die Rechtsunterworfenen davon zu erfolgreich subversiven Gebrauch machen, werden die Regeln, sprich die Gesetze, den Machtverhältnissen angepasst und nicht umgekehrt. Freilich dürfte Letzteres beim internationalen Recht schwieriger als im Machtbereich eines nationalen Gesetzgebers sein. Möglich ist es allemal, wie die Entwicklung der „Responsibility to protect“-Doktrin (R2P) nach dem Ende des kalten Krieges zur Rechtfertigung von allerhand militärischen Abenteuern des Westens beweist.
Die Auseinandersetzung in Gaza wird durch den Widerstand der Palästinenser selbst und den von der internationalen Bewegung entfaltbaren realen Druck auf Regierungen, internationale Organisationen, Unternehmen, usw., dem israelischen Völkermord und der Besatzung ein Ende zu bereiten, entschieden werden. Dass ein solcher Druck notwendig sein wird, zeigen die Reaktionen des offiziellen Israels auf die Advisory Opinion des ICJ vom 19. 7. 2024, nämlich die Beschuldigung des Gerichtshofs als – erraten – „antisemitisch“ und der Beschluss der Knesset gegen jede Form eines unabhängigen palästinensischen Staats.
Denn das Mitglied des ‚Palestinian Legislative Council‘ Mustafa Barghouti, ein gemäßigter Politiker, der gegen den bewaffneten Kampf und die Hamas Stellung bezogen hat, zieht in seinem Kommentar nicht zu Unrecht folgende ernüchternden Schlussfolgerungen:
Für die taktische Nutzung der fortschreitenden rechtlichen Delegitimierung von Rassismus, Kolonialismus und Völkermord in Gaza bzw. Palästina in der internationalen Öffentlichkeit gibt es aber gute Gründe:
Letzteres zeichnet sich auch schon global in der Reaktion der Anti-Genocide-Bewegung auf die Advisory Opinion des ICJ vom 19. 7. 2024 ab. Angesichts der erwartbar negativen Reaktion auf die ICJ-Entscheidung in Israel in seiner gegenwärtigen politischen und sozialen Verfasstheit konzentrieren sich viele NGO’s auf die für alle Völkerrechtssubjekte ableitbaren Verpflichtungen, das Morden in Gaza und Palästina abzustellen, die auch Gegenstand dieses Artikels sind:
Auch Mustafa Barghutis Kommentar schlägt in dieselbe Kerbe, wenn er schon im Titel die Aufforderung führt: „Impose sanctions now!“ Der Kommentator folgert richtig, dass „demanding that the UN and its member states look into additional measures they can take to end Israel’s unlawful presence in the OPT“, eine bedeutsame Legitimation für eine rigoroses Boykott- und Sanktionsregime gegenüber Israel ist: „This demand, in conjunction with the legal grounds of the decision, together form a solid foundation for sanctions to be imposed on Israel, as well as boycott and divestment measures.“ (siehe auch oben 4.). Er erkennt, dass die Advisory Opinion beide Elemente der einzig realistischen Strategie legitimiert, wenn er schreibt: „So what is the solution? It is to resist the aggressor, which is legitimate resistance, and for all elements of Arab, Islamic and international solidarity to mobilise to enforce sanctions on the aggressor and force compliance with the law [Hervorhebungen d. Autors]“. Beides, der Widerstand und die Sanktionen stehen laut dem ICJ ausdrücklich auf dem Boden des internationalen Rechtes.
Mittel und Zweck: Wir bedürfen nicht notwendigerweise der Rechtsform, um unsere emanzipatorischen Ansprüche zu formulieren und zu verfolgen, das strategische Ziel muss immer sein, den Verwüstungen von Rassismus und Kolonialismus Einhalt zu gebieten, bevor der alte Slogan der Plästinasolidarität umgetextet werden muss in „Between the river and the sea, in ruins Palestine will be“. Dieser Tage sind sechs israelische Soldaten an die Öffentlichkeit gegangen, um die unerträgliche Feuer-Frei-Politik der israelischen Armee auf alles, was im Gaza-Streifen lebt, anzuprangern („‘I’m bored, so I shoot’: The Israeli army’s approval of free-for-all violence in Gaza“), weil Rassismus und Kolonialismus eben auch die Täter zerstört, wie schon Albert Memmi in seinem bekannten sozial-psychologischen Essay der „Kolonisator und der Kolonisierte“ erkannt hatte. Es sind auch israelische Ex-Soldaten der Gruppe ‚Breaking the Silence‘, deren Reaktion auf die ICJ-Entscheidung uns über alles Taktieren hinaus daran erinnert, was Mittel und was Zweck ist:
„The occupation must end. Not because of the ICJ. Because decades of tyranny are a moral disgrace which corrupts and distorts us all. Because ultimately, the occupation takes the lives of so many innocent souls. And that is why we will continue to break the silence, until it ends.“
Peter Oberdammer
[1] Tarik Cyril Amar: What the top UN court’s ruling means for Israel, RT, 21. 7. 2024