“Der Standard” Journalist Markus Sulzbacher warnte eindrücklich in einem vor kurzem erschienenen Artikel vor einem “Wiener [der den] iranischen Propagandasender Press TV mit Bildern von antiisraelischen Aktionen”1 versorgt und “zur Verherrlichung des Iran” beiträgt.
So ein Titel lädt selbstverständlich dazu ein, den Rest des Artikels zu lesen. Bedauerlicherweise bietet der Artikel außer vieler Innuendos über Dieter Reinisch — den Sulzbacher als “Chronist der [Palästina] Proteste für [den] iranischen Sender” PressTV bezeichnet — kein belastendes Material, da Sulzbacher nicht auf die Inhalte der “auf Englisch verfassten Videos” eingeht.
Warum “das Iranische Propaganda TV über die anti-israelischen Proteste in Wien berichtet”, ist auch nicht sonderlich überraschend. Es ist derselbe Grund, aus dem “Der Standard” gerne über Proteste in Hongkong berichtet2, oder Sulzbacher auf seinem X account sich nur darüber moniert, wie der Iran die Welt in die Irre führt, indem er durch die österreichische Firma Rotax hergestellte Motoren nicht in Go-Karts, sondern in Drohnen verbaut (siehe folgenden Tweet), es aber nicht der Mühe wert findet zu erwähnen, dass Rotax schon seit 2010 Motoren für taktische Hermes Drohnen an Israels Streitkräfte (IOF) liefert, die nicht nur mutmaßlich, sondern offensichtlich dazu benutzt werden, um die Bevölkerung Gazas zu terrorisieren.3 Jede Gelegenheit, die offiziellen Feinde in Verruf zu bringen, wird schamlos ausgenutzt, Sulzbachers Artikel bestätigt lediglich, dass sich “Der Standard” und der iranische Sender “PressTV” in diesem Punkt nicht unterscheiden.
Es wäre weitaus aufschlussreicher gewesen, wenn Sulzbacher der Frage auf den Grund gehen würde, warum die österreichischen Medien so wenig bis gar nicht über den Umstand Berichten, dass seit dem 7. Oktober jedes Wochenende eine Vielzahl von Österreichern gegen den nun auch schon vom Internationalen Gerichtshof (IGH) und Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) benannten Völkermord, den Israel unverhohlen in aller Öffentlichkeit begeht, auf die Straße geht. Aber vielleicht hat er in seinen Augen diese Frage schon beantwortet4, in dem er der Palästinasolidaritätsbewegung “antisemitische Erzählungen und Parolen” vorwirft, und diese beschuldigt, “die Auslöschung Israels” und die “Vernichtung ‘der Juden’” zu fordern, und somit die Schlussfolgerung nahelegt, dass der Antisemitismus die grundlegende Ursache für den Protest darstellt.
Ganz besonders ärgerlich findet Sulzbacher auch den Umstand, dass bei den Kundgebungen immer “Jüdische Demonstrierende [als] Schutzimpfung gegen Antisemitismus” missbraucht werden “um Vorwürfe des Antisemitismus zu entkräften.” Was Sulzbacher nicht erkannt hat, ist, dass man dieses Argument auch umkehren und auf ihn anwenden kann, wenn man bedenkt, dass in vielen seiner Artikel Isolde Vogel missbraucht wird, um Vorwürfe des Antisemitismus zu bekräftigen. Die DÖW-Mitarbeiterin Vogel, die wiederholt 4 5 6 von Sulzbacher zitiert wird, warnt unermüdlich “vor antisemitischen Denkmustern” und erklärt, dass “Antisemitismus […] immer als Widerstand daher [kommt und] als Gegenwehr [beziehungsweise] als Reaktion auf Mythen, auf angebliche Genozide, auf Staatsgrenzen oder Weltverschwörungsfantasien [zu verstehen ist].” (meine Hervorhebung)7
Vogel hebt besonders hervor, dass “unterkomplexes Denken und eine simplifizierende Weltsicht” junger Menschen “nicht die Lösung bringt, die sie verspricht […] und das […] automatisch auch ein Kampf gegen Antisemitismus [sei], weil dieser die grundlegendste komplexitätsreduzierende und verschwörungsmythische Ideologie ist.” 8 Leider scheint Frau Vogel — um es mit ihren eigenen begrifflich-abstrakten Sphären zu beschreiben — ihr eigenes “unterkomplexes Denken” und ihre eigene “simplifizierende Weltsicht” nicht aufzufallen, da sie anscheinend nicht in der Lage ist, zwischen der Kritik an der Ideologie des Zionismus, dem israelischen Staat, beziehungsweise der jüdischen Religion und den Juden zu unterscheiden. Sulzbacher dient hiermit als eine gute Illustration dafür, wie die von Vogel proklamierte allumfassende Definition von Antisemitismus in der Praxis umgesetzt wird.
Weitaus besorgniserregender aber sind Vogels Ausführungen, in denen sie die “Behauptung “Kindermörder Israel” [an die] althergebrachte judenfeindliche Anschuldigungen anknüpft”8 und diese somit als “vereinfachenden israelbezogenen Antisemitismus” zurückweist. Oder die Behauptung, dass “Antisemitismus […] immer […] als Reaktion auf angebliche Genozide”7 (meine Hervorhebung) in Erscheinung tritt. Sogar Kritik, die auf der Tatsache beruht, dass “Israel zur Liste jener UN-Staaten hinzugefügt wurde, die des Kindesmissbrauchs beschuldigt werden”9 und dies durch die beispiellose Anzahl getöteter und verstümmelter Kindern (über 15.000 seit dem 7. Oktober) auch von respektablen israelischen Zeitungen 7 bestätigt wird, ist laut Vogel somit als Antisemitismus einzuordnen.
Weitere Aktivisten, die Sulzbacher wiederholt der Verbreitung von Hamas Propaganda auf Social Media 1 10 und einer “Nähe zur Hamas” bezichtigt,11 sind Nicole S. und Wilhelm L. Den Konnex “zur Hamas” erkennt Sulzbacher durch ein Foto auf einer Facebook-Seite, die er den Aktivisten zuordnet, das angeblich einen “Mann bei einer Veranstaltung zeigt, dem Geheimdienste eine gewisse Nähe zur Hamas nachsagen.” Ob sich Mutmaßungen anonymer Geheimdienstmitarbeiter als verlässliche Quelle für seriöse Artikel eignen, oder so ein Vorgehen als journalistisches Fehlverhalten zu verorten ist, sollte durchaus ernsthaft in Erwägung gezogen werden, vor allem wenn man bedenkt, dass Berichte die auf Mutmaßungen iranischer, chinesischer, oder russischer Geheimdienste basieren, in unseren Kreisen prompt als übelste Propaganda abgestempelt werden.
Was die Verbreitung von Propaganda anbelangt, sollte Sulzbacher mit seinen Anschuldigungen etwas vorsichtiger umgehen. Er selbst verbreitet nämlich perfide Kriegspropaganda, die offensichtlich nur dem Zweck dient, Israels schwere Kriegsverbrechen in Form von Angriffen auf Krankenhäuser in Gaza zu rechtfertigen. Das als absurde Propaganda entlarvte Video12 in dem der israelische Militärsprecher Rear Admiral Daniel Hagari den Angriff Israels auf das Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza rechtfertigt, ist noch immer auf Sulzbachers X account zu sehen:
Es ist eigentlich die Verantwortung der Journalisten, die Wahrheit zu sagen und Lügen aufzudecken. Dies mag einem zwar als Binsenweisheit erscheinen, für den modernen Journalisten wie Sulzbacher ist dies jedoch überhaupt nicht selbstverständlich. Der Hintergrund für die Diffamierungen und Tatsachenverdrehungen ist in diesem Fall in der fortwährenden Unschuldsvermutung seitens Israels zu verorten. Sulzbacher ist in diesem Fall nur ein groteskes Beispiel von vielen, für die es ein unantastbarer Glaubensgrundsatz ist, dass die Motive Israels rein sind und keiner weiteren Analyse bedürfen. Die Heuchelei, die Sulzbacher somit an den Tag legt, ist erstaunlich und es braucht ein beeindruckendes Maß an Selbstdisziplin, diese nicht zu erkennen, aber er scheint diese Selbstdisziplin zu beherrschen.