Der Staatsschutz und das heilige Existenzrecht
Wie aus einem Akt der Staatsanwaltschaft Klagenfurt hervorgeht, plant diese, basierend auf einer Sachverhaltsdarstellung des Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung Kärnten (LSE), Ermittlungen gegen mindestens einen Teilnehmer der „Frieden für Palästina“ Demo, die am 17.2. in Villach stattgefunden hat, aufzunehmen.
Grund für das Verfahren: Eine Teilnehmerin trug einen Schal, auf dem die Al-Aqsa Moschee abgebildet war. Darüber war auf Arabisch „Al-Quds (Jerusalem) ist die Hauptstadt von Palästina“ zu lesen. Laut Staatsanwaltschaft Klagenfurt wäre somit ein Anfangsverdacht, wegen „Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen“ (Paragraph 282 StGB) gegeben.
Wer nun nachvollziehen möchte, wie die Staatsanwaltschaft zu der absurden Annahme kommt, die Bezeichnung Jerusalems als Hauptstadt Palästinas wäre irgendeine „Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen“ bzw. deren „Gutheißung“, dem müssen sich bei der Begründung der Staatsanwaltschaft die Haare aufstellen. Dort heißt es allen Ernstes, ein Anfangsverdacht wäre gegeben, wenn auf Demos Bilder gezeigt oder Phrasen skandiert werden, „die die Existenz Israels in seinem jetzigen Ausmaß in Frage stellen“.
Jerusalem ist Teil des historischen Palästinas. Die Jerusalemfrage ist für die palästinensische Befreiungsbewegung von integralem Bestandteil. Alle Palästinenserorganisationen beanspruchen zumindest Teile Jerusalems als Hauptstadt eines palästinensischen Staates. Israel hält Ostjerusalem völkerrechtswidrig besetzt. Damit einher geht die Vertreibung der Bevölkerung, der Abriss von Gebäuden und die systematische Diskriminierung der Araber.
Besonders lächerlich ist die Behauptung „die Existenz Israels in seinem jetzigen Ausmaß“ würde in Frage gestellt werden. Was wäre denn das „jetzige Ausmaß“ des Staates Israel, liebe Staatsanwaltschaft? Etwa auch die Gebiete die Israel offen völkerrechtswidrig besetzt? Keine genauen Grenzen zu definieren, gehört nämlich zur Taktik des Siedlerexpansionismus des israelischen Staates. Seit Jahrzehnten werden illegale Siedlungen in den 1967 besetzten Gebieten gebaut. Auch die Golanhöhen werden von Israel besetzt. Von einem genau definierten Ausmaß des Staates Israel kann keine Rede sein. Die Staatsanwaltschaft schlägt sich damit auf die Seite des israelischen Siedlerkolonialismus, indem sie offensichtlich völkerrechtswidrig besetztes Land Israel verbal zuschanzen will. Wer umgekehrt behaupten würde Jerusalem wäre die Hauptstadt Israels, würde sich damit wohl kaum den Staatsschutz auf den Hals hetzen.
Selbst die leiseste Kritik am Status quo, also an Besatzung, Unterdrückung und Völkermord steht unter Generalverdacht das ominöse „Existenzrecht“ Israels, dass die Herrschenden hierzulande offensichtlich als neues Aushängedogma entdeckt haben, abzulehnen. Die nebulöse Phrase des Existenzrechts lässt sich leicht und geschmeidig auf alle möglichen Fälle anwenden und zurechtbiegen, sodass diejenigen, die Österreichs Völkermord-Mittäterschaft verurteilen, jedes Mal wahlweise als Antisemiten, Terrorunterstützer oder Hetzer diffamiert werden können. Das „Existenzrecht“ besitzt hierzulande Heiligenstatus.
Oskar Hummel