Die Geschäftsführung des Automatisierungscluster AT-Styria beabsichtigt, dem israelischen Hightechstartup Cyolo über die Firma Bearingpoint Tür und Tor zu steirischen Betrieben zu öffnen. Die Steirische Friedensplattform hat einen Offenen Brief an Clusterfirmen und Medien geschickt, um über die Problematik einer solchen Kollaboration aufzuklären.
Graz, 15.1.2024
OFFENER BRIEF
an Firmen des Automatisierungsclusters AT-Styria und Medien
Betrifft: Bearingpoint GmbH ignoriert Völkermord an Palästinensern
Sehr geehrte Geschäftsführung!
Gemäß Kleiner Zeitung vom 3.1.24 beabsichtigen die Herren Helmut Röck und Herbert Ritter vom Automatisierungscluster AT-Styria dem israelischen Hightechstartup Cyolo Tür und Tor zu steirischen Betrieben zu öffnen. Dieses Geschäft soll über die Firma Bearingpoint in Premstätten/Stmk abgewickelt werden. 1)
Israel ist für seine Bedenkenlosigkeit im Hightechgeschäft bekannt. Die israelische Firma NSO kam mit der Spyware Pegasus in die internationalen Schlagzeilen. Ohne Skrupel und wohl auch zu Testzwecken verkaufte NSO die Spyware an autoritäre Regimes zwecks Einsatz gegen Regimegegner. 2)
Erinnert sei auch an die weltweiten Wahlmanipulationen der israelischen Softwarefirma “Team Jorge“. 3)
Wie diese Firma haben quasi alle israelischen Cyberunternehmen in der militärischen Forschung und Anwendung ihren Ursprung.
Es ist bekannt, dass Israel seine militärderivaten Produkte mit dem Label bewiesener Praxistauglichkeit bewirbt. 4)
Dieses Alleinstellungsmerkmal – zum Beispiel für Softwareprodukte – gewinnt Israel aus der Überwachung der von ihm besetzten Gebiete: Westbank, Ostjerusalem, Gaza, Golanhöhen und Südlibanon. 5)
Zur permanenten Kontrolle findet israelische Software u.a. Anwendung in Drohnen, die Tag und Nacht die palästinensische Bevölkerung bedrohen und mit Geräuschen zermürben, in Handys und auf PCs von Zivilisten, die unter Terrorverdacht gestellt werden, sowie in Bomben, die bei massiven kriegerischen Überfällen, wie jenen auf Gaza 2008/9, 2012, 2014, 2021 und heute abgeworfen werden.
Die derzeitigen Bombardements des Gaza-Streifens übersteigen im Ausmaß an Verwüstung und menschlichen Opfern die bisherigen Attacken um ein Vielfaches.
Südafrika hat deshalb Israel vor den Internationalen Gerichtshof gebracht. Der Vorwurf: Genozid am palästinensischen Volk. 6)
Ein abgesperrtes Gebiet von 360km2 wurde mit einem beispiellosen Bombenteppich überzogen. 23 843 Menschen wurden in Gaza binnen 100 Tagen getötet, 70 Prozent davon Frauen und Kinder. Über 7000 Menschen werden vermisst und befinden sich wohl noch unter den Trümmern.
Über 60 000 Menschen wurden – zum Teil schwer – verletzt.
1,9 Millionen Menschen wurden seit Kriegsbeginn vertrieben, das entspricht 85 Prozent der Bevölkerung von Gaza.
Das menschliche Leid ist unbeschreiblich.
Israel behauptet, es müsse sich so selbst verteidigen, da es unter Angriff einer militanten palästinensischen Organisation stehe.
Südafrika argumentiert vor dem Gerichtshof, dass derartige Flächenbombardements mit solch hohen Opferzahlen durch nichts zu rechtfertigen sind.
Im Hintergrund dieses unfassbaren Massakers, dessen Zeitzeugen wir sind, steht der Anspruch des israelischen Siedlerstaats auf die koloniale Inbesitznahme palästinensischen Bodens.
Die seit 1948 in alle Welt Vertriebenen 700 000 Palästinenser und die seit 1967 unter Besatzung Leidenden wehren sich immer wieder gegen die israelische Drangsalierung.
Sie kämpfen für die Rückkehr in ihre Häuser und für ein Leben in Würde, Selbstbestimmung und Freiheit.
Zahlreiche UN-Resolutionen bestätigen die Rechtmäßigkeit ihrer Anliegen. 7) Doch Israel hat diese Resolutionen mit Hilfe der USA ignoriert und seine völkerrechtswidrige Besatzung immer weitergetrieben und verschärft. 8)
Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass eine Involvierung des israelischen Unternehmens Cyolo in Ihr Unternehmen für Sie – einerseits als Firmenverantwortliche und andererseits als Privatpersonen – bedeutet, eine brutal agierende Kolonialmacht zu unterstützen.
Durch solcherlei Geschäfte kann sich die Besatzungsmacht leisten, weiterhin Gaza zu bombardieren, einzukesseln und abzusperren.
Wir appellieren an Ihr Verantwortungsbewusstsein gegenüber Ihrer Firma, Ihrer Belegschaft, der österreichischen Gesellschaft und der Menschheit insgesamt.
Mit der Verweigerung einer solchen Kollaboration helfen Sie mit, einen Krieg zu beenden, der großes Leid über so viele Menschen bringt. Sie helfen mit, seine Ausbreitung zu verhindern, die – wie bereits zu bemerken ist – internationale Handelswege tangiert. Die Folgen könnten auch Ihr Unternehmen in Mitleidenschaft ziehen, mit Produktionsausfällen bis hin zu Kündigungen.
Es ist in unser aller Sinne, dass Sie der Firma Bearingpoint hinsichtlich der Kooperation mit Cyolo eine Absage erteilen.
Mit freundlichen, friedenspolitischen Grüßen
für die Steirische Friedensplattform
Franz Sölkner
Veronika Rochhart
2) https://de.wikipedia.org/wiki/Pegasus_(Spyware)
3) https://www.youtube.com/watch?v=GmQzi3nWfAQ
5) Beispiel lückenlose Überwachung Westbank: https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/israel-palestinians-surveillance-facial-recognition/2021/11/05/3787bf42-26b2-11ec-8739-5cb6aba30a30_story.html
7) https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_United_Nations_resolutions_concerning_Palestine
8) https://globalaffairs.org/bluemarble/how-us-has-used-its-power-un-support-israel-decades
OFFENER BRIEF: Bearingpoint GmbH ignoriert Völkermord an Palästinensern