Nablus
Es ist mein zweiter Besuch in Nablus in diesem Jahr. So wie für viele Besucher*innen ist Nablus ein Ort, an den man wieder zurückkommen möchte. Der Widerstand ist groß und spürbar. Und wieder wird mir bewusst, warum ich hier bin. Die Stadt gibt mir Energie, sie gibt mir Motivation, das Mindeste zu machen, was ich als Außenstehende machen kann: Informationen aufsaugen, einsammeln und in die Außenwelt tragen. Keine der westlichen Medien würde jemals darüber berichten, was in Palästina tagtäglich geschieht.
7.Dezember – Nablus: Frühmorgens wackeln die Wände der alten Steinmauern der Altstadt, als gerade ein Konvoi vom israelischen Militärjeeps die Altstadt stürmt. Wir sind alle wach geworden, ob es von den Schüssen oder den zitternden Wänden ist, tut nichts zur Sache. 1,5 Stunden lang, in der eigentlich so ruhigen und friedlichen Morgenstimmung: Schüsse, Explosionen, Rauch, Sirenen, Drohnen, Militärflugzeuge, Geschrei und Angst. Diesmal haben es die IOF (=israelische Besatzungsmacht) nicht geschafft, einen Widerstandskämpfer zu töten und verlassen wieder die Altstadt. Rettungswagen, welchen der Weg zu den Verwundeten von den IOF verhindert wurde, können endlich die Verletzten versorgen. A., der uns kurz davor noch mit Angst durchflossenen Augen noch aufrichtig ersucht hat, in unseren Zimmern zu bleiben, und über die Hausdächer zu den Verwundeten lief, kommt mit dem Erste-Hilfe-Koffer zurück und strahlt uns an “Niemand wurde getötet”. Ein Nachbar und Freund des Hauses wurde am Kopf von einer Kugel getroffen, welche von der IOF abgefeuert wurde, als er sich aus dem Fenster lehnte. Er wurde von A. erstversorgt. Nach ungefähr 2 Stunden kehrt wieder der “Alltag” ein und auf den Straßen, auf denen noch kurz bevor gekämpft wurde, spazieren die Kinder zur Schule, der Geruch von frischem Brot überdeckt nun den Geruch von Schwarzpulver. Auch unser Tag geht wie gewöhnlich weiter. Am Weg zum Bäcker laufen wir bei all den Plakaten der Märtyrer aus Nablus vorbei, Häuser und Türen haben Einschusslöcher und der Pflasterboden ist mit Kugeln übersät.
Abends, nachdem wir einen schönen Abend mit den Jungs von Nablus verbracht haben, gehen wir zu Bett und wissen nicht, wann die IOF wieder die Stadt stürmen wird, zu welcher Uhrzeit werden wir aus dem Schlaf gerissen, wird es erneut Märtyrer geben? Wird es ein ruhiger Morgen sein?
8.Dezember – Es war ein ruhiger Morgen für Nablus. Aber ein trauriger Morgen für Jenin. IOF haben 3 junge Männer getötet…
Wann wird dieses Grauen ein Ende haben?
Wie viele Menschen müssen noch getötet werden?
Wie viele Mütter müssen noch ihre Kinder verlieren?
Wie viel muss passieren, damit Palästina endlich befreit wird?
eine Aktivistin
Fotos auf: https://www.facebook.com/Pal%C3%A4stina-Solidarit%C3%A4t-%C3%96sterreich-566191377123146