Am 9. November, einem symbolträchtigen Tag*, stürmten die österreichischen Sicherheitskräfte in einer Razzia gegen die Moslembrüder und die Hamas Häuser und Wohnungen von 70 Personen in Wien.
Das Innenministerium räumte ein, dass diese Aktion in keiner direkten Verbindung mit dem Attentat vom 2. November, sondern ein „Schlag gegen die Wurzeln des politischen Islams“ sei.
Medien sprachen von der Sicherstellung von 25 Millionen Euro in bar, wobei diese Angabe von der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt wurde. Derzeit ist bekannt, dass alle mobilen und immobilen Ressourcen der Betroffenen beschlagnahmt wurden. Es erscheint jedoch merkwürdig, dass bei dieser enormen Geldmenge keine einzige Festnahme stattgefunden hat.
Betroffene wurden als „Beschuldigte“ sowie als „Zeugen“ verhört. Auch bei jenen Personen, die nur als „Zeugen“ bezeichnet wurden, drangen Sicherheitskräfte in der Nacht vom 9. November gewaltsam in deren Wohnungen ein und versetzten Kinder und Angehörige in Angst. Türen wurden gewaltsam aufgebrochen, Spurhunde eingesetzt, Kinder wurden in der Kälte ohne Jacken stehen gelassen und erst nach mehreren Minuten wurde gestattet, ihnen Jacken zu holen. Bei mindestens einem der Fälle wurden Kinder befragt, „wo der Papa das Geld versteckt“. Einige Familien wurden mit aufgebrochener Tür und mit keinem Cent in der Tasche zurückgelassen. Die Sicherstellung der Gelder berücksichtigt nicht die Mindestsicherung von Menschen.
Bei den BVT-Vernehmungen wurden neben Fragen, die den konkreten Zweck der Razzia betreffen, andere Fragen gestellt, die wenig mit dem Tatbestand zu tun haben und vielmehr als Gesinnungsfragen angesehen werden können.
Das BVT befragte die Verdächtigten bezüglich ihrer Konfession sowie ihrer Ausübung der Religion, ihres Familienlebens und ihres sozialen Umfelds, ihrer Meinungen zu problematischen Themen der islamischen Religion bzw. ihrer Position zu politischen Aspekte des Islams. Weiters interessierte sich das BVT für den Umgang der Verhörten mit dem Begriff Islamophobie (!), und suggerierte mit einer suggestiven Nachfrage, dass Islamophobie ja doch gerechtfertigt sein könnte und ob der Befragte diese Ansicht nicht teile.
Erstaunlicherweise wurden die Verhörten auch zu Palästina gefragt, ein Thema, das willkürlich mit den anderen Fragen in Zusammenhang gebracht worden war. Man könnte vermuten, dass diese willkürliche Einbettung das Ziel hat, die Ablehnung des Zionistenstaates in Verbindung mit dem aus der Sicht des BVT zu bekämpfenden politischen Islam zu bringen, um diese zu kriminalisieren.
Dies ist umso mehr beunruhigend, da in derselben Woche ein Maßnahmenpaket der Regierung bekanntgegeben wurde, das mit Verweis auf die Bekämpfung von Terror einen Feldzug gegen den „politischen Islam“ als Gesinnung ankündigt und dafür Maßnahmen ergreifen möchte, die sowohl menschenrechtlich als auch juristisch äußerst fragwürdig sind. Sollen die während der Verhöre gestellten Fragen demnächst „Experten“ als Grundlage dienen, um über die Verhaftung von Menschen wegen „Gefahr“ und die Schließung von Vereinen wegen „terroristischer Propaganda“ zu entscheiden? Was wäre im Verständnis eines BVT-Beamten zum Beispiel die Verbindung zwischen Mädchenbeschneidung (die in Palästina kein Thema ist) und der Haltung eines Palästinensers zum israelischen Staat, der erst durch die Zerstörung seiner Existenz in Palästina entstanden ist?
Für uns als freiheitsliebende Menschen und besonders als in Wien lebende AraberInnen und PalästinenserInnen sind diese Fragen sowie das angekündigte Maßnahmenpaket des Innenministeriums mehr als beunruhigend. Es kann nämlich leicht in Gesinnungsjustiz einer Regierung umschlagen, die unkritisch gegenüber dem israelischen Staatsterror gegen die Palästinenser ist und vielmehr diesen Staat als Verbündeten im Kampf gegen den Terror sieht. Die kritiklose Übernahme von Positionen der Sisi-Militärdiktatur in Ägypten zum politischen Islam sowie jener der israelischen Kolonialisten zum palästinensischen Widerstand durch die österreichische Regierung kann keinesfalls die Radikalisierung verhindern, sondern eher signifikant zu deren Zuspitzung beitragen. Dafür braucht man nur einen Blick auf die Entwicklungen in jener Region zu werfen.
Wir erklären uns solidarisch mit allen Opfern von Unrecht und fordern die österreichische Regierung auf, das rechtswidrige Maßnahmenpaket zu revidieren sowie die Handlungen des Innenministeriums zu untersuchen und zu korrigieren.
In der arabischen und palästinensischen Gemeinde sehen wir im Moment eine absolute Notwendigkeit, die Menschen über ihre Rechte gegenüber der Exekutive aufzuklären. Eins davon ist vor allem: unter diesen Umständen auf keine Gesinnungsfragen antworten!
Arabischer Palästina-Club
Wien, 15.11.2020
* Am 9. November 1938 wurden in Deutschland und Österreich in der so genannten „Kristallnacht“ bzw. den „Novemberpogromen “ gezielte Gewaltmaßnahmen gegen Jüdinnen und Juden verübt.
Beispiele von Fragen, die bei BVT-Vernehmungen auftauchten:
Wie viele Freundschaften pflegen Sie und Ihre Familie mit autochthonen (alteingesessenen) bzw. nicht muslimischen Österreichern?
Besuchen Sie eine Moschee? Wenn ja welche, und besuchen Sie sie regelmäßig?
Wie sehen Ihre religiösen Verhältnisse zuhause aus?
Haben Sie um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht? Wenn ja, warum?
Was denken Sie über die Errichtung eines Kalifats?
Sind Sie dafür, dass man den Dialog bzw. die Friedensverhandlungen mit Israel führt und unterstützt?
Welchen Zugang benötigt es aus Ihrer Sicht, um den Konflikt zwischen Palästina und Israel zu lösen?
Wie sehen Sie eine Ehe von minderjährigen Mädchen ab dem 9. Lebensjahr?
Wie stehen Sie zur Beschneidung von Frauen und was soll der Sinn dahinter sein?
Sollen diese österreichischen bzw. in Österreich aufgewachsene Kinder zu Märtyrern erzogen werden?
Wollen Sie auch ein islamisches Kalifat und die Einführung der Scharia?
Wer ist Yahya Ayyash?
Finden Sie es richtig, dass man einem Mitglied der Terrororganisation HAMAS eine Bühne in dem sozialen Medium Facebook gibt?
Kennen Sie das Dokument „Die Protokolle der Weisen von Zion“?
Kennen Sie Jasser Arafat?
Was halten Sie von Jasser Arafat? Sehen Sie in Jasser Arafat ein Vorbild?
Werden die Muslime in Österreich unterdrückt?
Was verstehen Sie unter dem Begriff „Islamophobie“? Hat dieser Begriff aus Ihrer Sicht eine Berechtigung? Wenn ja, begründen Sie warum und was verstehen Sie unter diesem Begriff?
Ist der islamistische weltweite Terrorismus möglicherweise der Grund für Ängste, die vom Islam ausgehen oder die Unterdrückung vor allem von Frauen oder Andersgläubigen durch die Normen der Scharia?
Sind Muslime aus Ihrer Sicht Opfer? Was verstehen Sie genau unter Opfer? Wer ist der Täter?
Sind Sie dafür, dass Österreich, Europa bzw. die ganze Welt zu einem Kalifat wird?
Haben die Gesetze der Scharia für Sie in Österreich Bedeutung? Sind Sie für eine Einführung der Scharia in Österreich?
Wären Sie für die Einführung von muslimischen Enklaven/Wilayets in Österreich mit eigener Gerichtsbarkeit gemäß der Scharia ohne Trennung Kirche und Staat?
Sollen für Sie Frauen und Männer völlig gleichberechtigt sein?
Trägt Ihre Frau ein Kopftuch? Muss Ihrer Meinung nach Ihre Frau ein Kopftuch tragen oder darf eine muslimische Frau ihr Kopftuch ablegen?
Gemäß den Scharia Regeln darf eine muslimische Frau keinen Christen, Juden oder Ungläubigen heiraten. Sehen Sie das auch so?
Dürfte Ihr Sohn eine Christin, Ungläubige oder Jüdin heiraten? Bestimmen Sie den Ehepartner Ihres Sohnes?
Halten Sie, Ihre Frau und Ihre Kinder die Gebetszeiten ein?
Sind Sie für eine strenge Trennung von Männern und Frauen während der Gebetszeiten bei Ihnen zu Hause?
Sind Sie dafür, dass Frau und Kinder zu Gebetszeiten z.B. um ca. 04:00 Uhr geweckt werden?
Dürfte Ihr Sohn im Monat des Ramadan auch am Tag während der Schulzeit essen oder trinken? Ab welchem Alter müssen sich die/Ihre Kinder daran halten?
Was ist Ihre Meinung zu Personen, die den Glauben des Islams verlassen (Murdadd) und was steht im Koran dazu?
Stehen Sie vollinhaltlich zu den „Europäischen Menschenrechten“?
Sind Sie für die Einführung von Scharia-Gerichten parallel zur österreichischen Gerichtsbarkeit?
Ist Ihnen der Umgang mit Dieben gemäß dem Koran bekannt und wie stehen Sie dazu?
Was sagt die Scharia und der Koran zur Vorgehensweise mit Homosexuellen und wie stehen Sie dazu?
Was bedeutet für Sie der Begriff „Kuffare“?
Sind Christen für Sie Ungläubige (Kuffare)?
Dürfen Sie Freundschaften mit einem Kafir haben?
Das Eigentum der Kuffare gilt gemäß der Scharia als frei. Muslime können sich bedienen, auch an dessen Ehefrau und Kindern?
Darf man den Umgang mit Christen oder Juden pflegen und ihnen zu Feiertagen gratulieren oder an ihren Festtagen teilnehmen?
Darf Ihre Frau ohne Begleitperson die Wohnung verlassen und ihren Standort außerhalb von Verwandtschaftskontakten frei wählen?
Geht Ihre Frau alleine zum Einkaufen?
Dürfen muslimische Männer ihre Frauen schlagen? Bzw. dürfen sie die Frauen unter bestimmten Voraussetzungen schlagen oder züchtigen?
Laut Scharia müssen Christen oder auch Juden in einem islamischen Staat die Strafsteuer zahlen? Sind sie dafür, dass man in einem islamischen Staat die Strafsteuer für Christen einführt?
Darf man Ungläubige (Kuffare) belügen? Darf man sie über die wahren Absichten täuschen? Erlaubt die Scharia das Lügen gegenüber den Ungläubigen?
Was denken Sie über Integration? Sehen Sie sich als integriert?
An welchen gesellschaftlichen Veranstaltungen in Österreich (Oper, Kino, Theater, Konzerte, Festen, Hilfsvereinen, etc.) nehmen Sie teil bzw. pflegen Sie persönliche Freundschaften (abgesehen von Ihrem beruflichen Umfeld) mit christlichen Österreichern?
Sind Sie Sunnite oder Schiite?
Am 16.10.2020 wurde ein Mittelschullehrer in Frankreich aufgrund von Herzeigen von Mohammed-Karikaturen in seinem Geschichteunterricht vor seiner Schule von einem 18- jährigen Tschetschenen auf offener Straße mit einem Messer erstochen und anschließend enthauptet. Der Angreifer soll zudem vor seiner Tat „Allahu akbar“ gerufen haben. Was sagen Sie dazu?
Die Äußerungen von Macron dazu sind also legitim aufgrund der Meinungsfreiheit und sind nicht als Blasphemie zu werten. Sehen Sie das auch so?
Am 02.11.2020 verübte ein 20-jähriger muslimischer Mann in der Wiener Innenstadt einen islamistisch motivierten Terroranschlag, bei dem 4 Menschen getötet und zahlreiche Menschen verletzt wurden. Der Mann benutzte für seine Tat das Sturmgewehr AK-47, eine Pistole und er trug eine Sprengstoffgürtelattrappe. Was geben Sie dazu an?
V e r n e h m u n g B V T
Darf man im Namen Gottes töten? Wie sehen Sie das?
Wie gehen Sie damit um, wenn Ihr Prophet oder Ihr Gott beleidigt wird?
Immer wieder kommt es in Europa vermehrt zu islamistisch motivierten Gewalttaten. Wie sehen Sie das? Befürworten Sie diese Gewalttaten? Wo liegt da bei Ihnen die Grenze?
Arabischer Palästina-Club: https://www.facebook.com/%D9%86%D8%A7%D8%AF%D9%8A-%D9%81%D9%84%D8%B3%D8%B7%D9%8A%D9%86-%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A8%D9%8A-Arabischer-Pal%C3%A4stina-Club-1060883244089371