auf der Kundgebung der SOLIDARWERKSTATT Österreich am Burgring/Wien
Wir haben ein Land aus Worten…
sagt das Gedicht von Mahmoud Darwish, dem berühmten palästinensischen Dichter. Und ja, die Palästinenserinnen haben ein Land. Ein Land, das immer ihres bleiben wird, auch wenn es die ganze Welt Israel oder „die besetzen Gebiete“ nennt. Das Land Palästina, dass immer mehr zu Israel gemacht wird, ist ein Land aus Worten. Worte in UN-Resolutionen, Worte die PolitikerInnen kaum mehr in den Mund nehmen, um stattdessen israelischen Politikern die Hände zu schütteln und mit ihnen Geschäfte zu machen.
Die Worte der UN-Resolutionen wurden von Israel mit Bomben beantwortet. Den Gipfel des verächtlichen Umgangs mit palästinensischem Leben bewies das Israel von Barak und Netanjahu mit den Tausenden Toten von Gaza in den drei Kriegen zwischen 2008 und 2014.
Und wir vergessen nicht all die Attacken und Massaker, die zuvor begangen wurden.
Die Worte des Völkerrechts wurden mit noch mehr Landraub beantwortet. Den Gipfel des verächtlichen Umgangs mit palästinensischem Land bewies Netanjahus Israels mit der de-facto Annexion von großen Teilen der Westbank und Ostjerusalem.
Und wir vergessen nicht all den Raub, der zuvor begangen wurde.
Die Worte des Menschenrechts wurden mit gezielten Tötungen beantwortet. Den Gipfel des verächtlichen Umgangs mit palästinensischem Leben bewies Netanjahus Israel mit den täglichen Erschießungen am Zaun zu Gaza.
Und wir vergessen nicht all die Morde, die zuvor begangen wurden.
Das Österreich damals hat die UN-Resolutionen mitunterzeichnet. Das Österreich heute anerkennt den palästinensischen Staat nicht. Das Österreich des Sebastian Kurz schweigt bei Völkerrechtsbrüchen und Menschenrechtsverletzungen. Es zeigt sich ignorant gegenüber dem Internationalen Recht. Es versteht nicht, dass sein eigener Friede und Wohlstand von funktionierenden internationalen Gesetzen abhängen. Und dass diese Gesetze gleich für alle gelten müssen. Wer kann sich anmaßen, für sich das Recht zu konsumieren und es anderen zu verweigern? Ist das nicht der Kern kolonialautoritärer, rassistischer Denkart?
Die Regierungen der letzten Jahrzehnte machen aus Österreich immer mehr ein Land der leeren Worte. 1955 beschloss der Nationalrat die immerwährende Neutralität. Der Gründung des Staates Österreich liegt die Verpflichtung zur Neutralität inne. Doch statt dieses Wort mit politischer Praxis zu füllen, tut die österreichische Politik und Wirtschaft das Gegenteil davon. 1991 erlaubten sie die Durchfuhr von Kriegsgerät für Krieg gegen den Irak. 1993 unterschrieben sie den Vertrag von Maastricht. 1994 stiegen sie ein in der NATO Partnerschaft für Krieg. 1999 protestieren sie kaum gegen den unrechtmäßigen Überflug von 61 Nato-Flugzeugen über österr. Territorium im Jugoslawienkrieg. Seit 2015 beteiligen sie sich an den EU-Battlegroups und der Durchführung von Gefechtsübungen mit der deutschen Bundeswehr.
Österreich brach damit sukzessive das Neutralitätsgebot, das Wort der Verfassung. Ebenso wie mit Waffenexporten in kriegsverwickelte Regionen und an Staaten, die selbst Völkerrecht und Menschenrecht mit Füßen treten: wie Israel. Österreichische Firmen lieferten im Jahr 2018 Waffen in der Höhe von knapp 7 Millionen Euro nach Israel und der Umsatz explodierte seit 2016 um das 27-fache.*
Die israelische Armee konnte ihre Eliteeinheiten mit Glock-Pistolen ausstatten.
Österreich schießt mit, wenn palästinensische ZivilistInnen ermordet werden.
Motoren der Welser Firma BRP Rotax betreiben israelische Drohnen.
Österreich ist mitbeteiligt an der Totalüberwachung der palästinensischen Bevölkerung, dem Ausspähen von Bombenzielen und der gezielten Tötung palästinensischer Fedajin.
Diesen Sommer haben Einheiten des österr. Bundesheers gemeinsam mit der deutschen Bundeswehr und der israelischen Einheiten ein Cybermanöver in München abgehalten. Dort sollen hack-backs trainiert worden sein. Hack-Backs sind Gegenangriffe bei einem Hackerangriff. Sie werden von SpezialistInnen als höchst gefährlich eingeschätzt, weil die Auswirkungen nicht mehr zu kontrollieren sind und so zivile Systeme zerstört werden können.
Die 2008 durch Verteidigungsminister Darabos eingefädelte skrupellose Kooperation zwischen Bundesheer und israelischer Armee hat der ehemalige Kanzler und Sozialdemokrat Christian Kern 2016 durch ein Abkommen finalisiert. Seit 2019 steht Kern in engsten Beziehungen mit dem israelischen Rüstungskonzern Rafael. Seine Frau transferiert mit dem Unternehmen Blue Minds Cybersoftware nach Österreich. Aus Israel, das bekannt ist für die Entwicklung der Spionagesoftware Pegasus, die von autokratischen Regimes eingesetzt wird, um Regimegegner zu beseitigen.
Österreichs Offizielle haben damit kein Problem. Sehr wohl aber die Zivilbevölkerung, für die das Wort Neutralität noch Bedeutung hat. Viele erinnern sich an die Erzählungen ihrer Großeltern aus der Kriegsgeneration. Neutralität war für sie gleichbedeutend mit Frieden und Freiheit. Den selben hohen Stellenwert hat das Wort für viele MigrantInnen, die in Österreich Zuflucht vor Krieg und Not suchten.
PalästinenserInnen haben ein Land aus Worten. Worte, die in einer internationalen Staatenwelt, die sich von Kooperation und gemeinsamen Normen immer mehr verabschiedet, kaum mehr gelten.
Was wird mit Österreich passieren, wenn sich seine PolitikerInnen mehr und mehr vom Wort der Verfassung verabschieden? Wenn es sich vollständig in einen Kreislauf integriert, der nach dem Recht des Stärkeren funktioniert? Wenn es sich mitschuldig macht an Völkerrechtsbrüchen, Menschenrechtsverletzungen und Apartheid-Strukturen? Wenn der Profit die oberste Maxime ist? Wenn gegen Kritik im eigenen Land immer autoritärer vorgegangen wird?
Dann müssen wir von den PalästinenserInnen lernen, die Worte in der Verfassung hochhalten und Widerstand leisten:
Rüstungsbetriebe boykottieren! Völkerrechtsverletzungen anprangern! Kriegsgüterexporte blockieren!
Freiheit für Palästina – Hoch die internationale Solidarität
*) https://www.solidarwerkstatt.at/frieden-neutralitaet/waffenexporte-nach-israel-um-das-27-fache-gestiegen