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JA zur Verurteilung von Antisemitismus, NEIN zur Verurteilung von Widerstand und BDS


26. Februar 2020

Offener Brief und Online Petition

Online-Petition unterschreiben:

https://www.openpetition.eu/petition/online/ja-zur-verurteilung-von-antisemitismus-nein-zur-verurteilung-von-widerstand-und-bds

 

Betreff: Tagesordnung 27.2.2020, Top 9 Budgetausschuss Antrag 141/A(E) Verurteilung von Antisemitismus und BDS-Bewegung

Sehr geehrte PräsidentInnen des Nationalrats, sehr geehrte Klubobleute, sehr geehrte Abgeordnete zum Nationalrat!

Die außenpolitischen SprecherInnen aller fünf Parlamentsparteien haben im vergangenen Dezember einen gemeinsamen Entschließungsantrag „betreffend Verurteilung von Antisemitismus und BDS-Bewegung“ im Nationalrat eingebracht, der am 27.2. auch im Plenum beraten und beschlossen werden soll. Mit Recht wird dort auf die jahrhundertelange verhängnisvolle Geschichte sowie die besorgniserregende aktuelle Zunahme des Antisemitismus hingewiesen. Es ist daher zu begrüßen, dass der Nationalrat jede Form des Antisemitismus klar verurteilt und die Bundesregierung auffordert, antisemitischen Tendenzen entschlossen und konsequent entgegenzutreten.

Für klar halten wir die Formulierung im Antrag dass „sachliche Kritik an einzelnen Maßnahmen der Regierung Israels zulässig sein“ muss. Diese Aussage wird allerdings in der pauschalen Verurteilung der BDS-Bewegung wieder zurückgenommen, weil hier allen kritischen Anfragen undifferenziert Antisemitismus unterstellt wird.  Die von der BDS-Bewegung ausgesprochene Kritik der israelischen Siedlungs- und Besatzungspolitik darf nicht einfach als „israelbezogener Antisemitismus“ unterdrückt werden. Im Gegensatz zur pauschalen Verurteilung von BDS im vorliegenden Antrag, sieht das Urteil des EuGH vom 12. November 2019, demnach Produkte aus israelischen Siedlungen in den seit 1967 besetzten Gebieten nicht als Produkte aus Israel bezeichnet werden dürfen, sehr wohl einen berechtigten Grund für Boykottmaßnahmen gegeben. Die Brandmarkung der gesamten internationalen BDS-Bewegung als „antisemitisch“ lehnen wir entschieden ab. Sie steht unter Schirmherrschaft des südafrikanischen Erzbischofs, Anti-Apartheid-Kämpfers und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu. Zunehmend findet sie weltweite Unterstützung, auch  in den USA, wo zahlreiche christliche Kirchen und kirchliche Organisationen Boykott und Sanktionen in der Tradition Mahatma Gandhis als Mittel im gewaltfreien Eintreten für Menschenrechte und gegen Unterdrückung verstehen.
Zusätzlich wird in gegenständlichem Entschließungsantrag das Rückkehrrecht der PalästinenserInnen in Frage gestellt, das klar im Völkerrecht (UN-Resolution 194 und weitere) verankert ist. Die reale Ausformung kann nur durch faire Verhandlungen mit beiden Seiten geklärt werden.

Weiters stellen wir die Frage, warum in dem Antrag Israel mehrmals – im Sinne des im Vorjahr von der Knesseth beschlossenen Nationalstaatsgesetzes – als „jüdischer Staat“ bezeichnet wird, ohne dass die Rechte der nicht-jüdischen – vor allem palästinensischen – BewohnerInnen auch nur erwähnt werden.

Wir machen Sie auch auf eine realpolitische Gefahr aufmerksam: Eine Verurteilung der BDS-Bewegung durch das österreichische Parlament liegt zweifellos im Interesse der Regierung der Besatzungsmacht Israel. Österreich würde mithelfen, den seit Jahrzehnten hart um seine Befreiung ringenden palästinensischen Volk ein völkerrechtlich völlig legitimes und unersetzliches gewaltfreies Mittel aus der Hand zu nehmen. Österreich würde sich daran beteiligen, ein schwer unterdrücktes Volk weiter in die Verzweifelung und – unschwer vorhersehbar! – verstärkt in einen andauernden gewalttätigen Widerstand zu treiben.

Wir appellieren daher an die ProponentInnen des Entschließungsantrages sowie an Sie und alle Abgeordneten im Nationalrat, den Text noch einmal zu überdenken und eindeutig auf die realen Gefahren des Antisemitismus zu fokussieren, damit er nicht als einseitige Parteinahme für die derzeitige israelische Regierungspolitik sowie gegen die Rechte des palästinensischen Volkes interpretiert werden kann. Dies umso mehr, als sich Österreich im vergangenen Jahrhundert einen guten Namen als Vermittler in internationalen Konflikten – insbesondere auch im Nahostkonflikt – gemacht hatte. Einen Ruf, der im Interesse der Glaubwürdigkeit einer aktiven Neutralitätspolitik dringend wiederhergestellt werden muss!

Mit freundlichen Grüßen