Grazer Politik ist gefordert, sich vor ihren Menschenrechtsbeirat zu stellen.
Ähnlich jenen gepanzerten Schubraupen, die in Palästina seit Jahrzehnten zigtausende palästinensische Gebäude einfach weggeschoben haben, walzt die Pro-Israel-Propaganda seit Jahren auch durch Österreich. Ihr Ziel besteht darin, Kritik an Israels Palästina-Politik mit dem Vorwurf des Antisemitismus mundtod zu machen. Israels Kolonialismus, Rassismus und Apartheid, die Besatzung, die Siedlungspolitik, die Belagerung von Gaza, der Raub von Land und Wasser, die außergerichtlichen Hinrichtungen, die Praxis der menschenrechtswidrigen Administrativhaft, die schrittweise Aushebelung des Völkerrechts, usw. sollen der öffentlichen Debatte entzogen werden.
Schauplatz Graz: Nach monatelangem Druck war MMag. Elie Rosen, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Graz, am 14. Nov. 2019 erfolgreich. Mit Ausnahme der KPÖ haben sich alle Parteien des Grazer Gemeinderates dazu hergegeben, Kritik am Zionismus und die Unterstützung von BDS (= die auf gewaltfreien Boykott Israels setzende internationale Palästina-Solidaritätsbewegung) als “antisemitisch” zu diffamieren. Im Bezug auf Israels jahrzehntelange harte Unterdrückung des palästinensischen Freiheitswillens wurde das Grundrecht auf Meinungsfreiheit außer Kraft gesetzt. Diskussionen darüber werden aus dem öffentlichen Raum der Stadt Graz verbannt. In städtischen Räumlichkeiten dürfen keine Veranstaltungen mehr durchgeführt werden, die sich dezitiert kritisch mit Israels Palästina-Politik auseinandersetzen. Vereine und Organisationen, die den Zionismus, die ethno-nationalistische Staatsideologie Israels ablehnen, dürfen nicht mehr gefördert werden. In Wien gibt es einen derartigen Beschluss schon seit Juni 2018. Innsbruck hat Ende Jänner 2019 nachgezogen. Der nächste dieser Schritte zur Einschränkung der Meinungsfreiheit droht auf Bundesebene durch einen in den Nationalrat eingebrachten Allparteienantrag.
Die extrem einseitige Parteinahme des Welthegemons USA unter Trump verleiht der Pro-Israel-Lobby weltweit Auftrieb. Auch in Österreich. BK Kurz hat angekündigt, Anfang März Präsident Trump und AIPAC, der politisch einflußreichsten Pro-Israel-Lobby in den USA, einen Besuch abzustatten. In Graz bäckt man zwar kleinere Brötchen aber auch hier hat Herr Rosen jetzt zum nächsten Schlag ausgeholt. Dass er dabei auch BDS, die Steirische Friedensplattform/Franz Sölkner, die Plattform “Palästina Solidarität Österreich” attackiert, ist aus seiner Sicht verständlich. Anders als er orientieren wir uns ja nicht an der brutalen Politik der Netanjahus und Trumps, sondern an den legitimen Freiheitsrechten des unterdrückten palästinensischen Volkes und an den Stimmen der Friedens- und Menschenrechtsbewegungen in Israel und weltweit.
Neuerlich hart angegriffen wird aber auch der renommierte Grazer Völkerrechtler Univ. Prof. em. Dr. Wolfgang Benedek. Er soll aus der Antisemitismus-Arbeitsgruppe des Grazer Menschenrechtsbeirats hinausgedrängt werden. Widrigenfalls droht Herr Rosen mit Kooperationsverweigerung seiner Gemeinde. Nun ist freilich auch das nicht ohne Logik: Die überwältigende Mehrheit der Weltgemeinschaft hat Trumps “Unfriedensdiktat” als völkerrechtswidrig abgelehnt. Da hat man verständlicherweise keine Lust, ausgerechnet mit einem kundigen Lehrer des Völkerrechts in einer Arbeitsgruppe zu diskutieren.
Mit seiner Drohung der Gesprächsverweigerung gegenüber Univ. Prof. Benedek überschreitet Herr Rosen aber eine, in demokratischen Kulturen gezogene Grenze. Wir erwarten von der Grazer Stadtpolitik eine klare Zurückweisung dieser Grenzüberschreitung.
Herr Rosen sagt, er spreche im Namen der Jüdischen Gemeinde Graz. Wir befürchten, längerfristig gedacht, erweist er mit dieser völlig überzogenen, künstlichen “Antisemitenmacherei” seiner Gemeinde einen Bärendienst. Indem unsere politische Klasse diesem Druck ohne Gegenwehr nachgibt, zeigt sie sich unfähig die Problematik tief und langfristig zu durchdenken. Indem sie Menschen in ihrem Recht auf öffentliche Meinungsäußerungen einschränkt, erzeugt sie Groll und fördert so tatsächlich Vorurteile, Verschwörungsdenken und Hass.
Palästina Solidarität Steiermark