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Kolonialismuskritik muss erlaubt bleiben


5. Dezember 2019

Wie sichert der Gemeinderat die Meinungsfreiheit?

Offener Brief an den Vorsitzenden des Wiener Gemeinderates Thomas Reindl und den Präsidenten des Wiener Landtages, Ernst Woller

Der Wiener Gemeinderat hat eine Reihe von einstimmigen Beschlüssen gegen Antisemitismus gefällt. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Getrübt wird die Freude allerdings dadurch, dass es zur gegenwärtigen virulenten Hetze gegen Musliminnen und Muslime keinen Beschluss gibt.

Mehr noch: Kritik am israelischen Kolonialismus und an der Unterdrückung des palästinensischen Volkes soll als antisemitisch abgestempelt und in Folge sogar unterbunden werden. Der antifaschistische Grundkonsens wird so gegen die Demokratie und die Menschenrechte gekehrt, die allen gleichermaßen zukommen müssten. Im Fadenkreuz befindet sich dabei die nach südafrikanischem Muster von der palästinensischen Zivilgesellschaft ins Leben gerufene Boykottkampagne BDS, die auf friedliche Art und Weise nicht mehr als die Einhaltung der einschlägigen UN-Resolutionen erreichen will.

Tragisches Ergebnis ist, dass dies letztlich alles auf eine unwidersprochene Unterstützung für die ultrarechte Regierung Israels hinausläuft. Denn selbst sehr moderate und sogar jüdische Kritikerinnen und Kritiker der israelischen Politik sind davor nicht gefeit, als Antisemiten diffamiert zu werden.

Dramatische Folge ist, dass israelkritische Veranstaltungen in Wien kaum mehr möglich sind – in öffentlichen und stadtnahen Räumlichkeiten ohnehin nicht mehr. Aber auch im privaten Bereich wird die Angst vor der drohenden Rufmordkampagne, die gerne auf die Gemeinderatsbeschlüsse verweist, immer größer.

Einige wenige Beispiele unter Dutzenden, die zeigen, wie die Meinungsfreiheit bereits massiv eingeschränkt wurde:

  • Paula Abrams-Hourani, der mittlerweile verstorbenen Gründerin des Vereins „Frauen in Schwarz“ und jüdische Wahlwienerin, wurde für eine Filmvorführung ein bereits zugesagter Raum im öffentlich geförderten Amerlinghaus wieder entzogen. Initiiert wurde die Kampagne damals von der FPÖ. (2016).
  • Hedy Epstein, mittlerweile ebenfalls verstorbene jüdische Holocaust-Überlebende wurde 2016 von einer Veranstaltung im Parlament, bei der sie mit anderen ZeitzeugInnen über Krieg und Faschismus sprechen sollte, wegen ihrer Kritik an Israel von Parlamentspräsidentin Doris Bures, SPÖ, wieder ausgeladen.
  • Ronnie Kasrils jüdischer Weggefährte Nelson Mandelas im Kampf gegen die Apartheid, ehemaliger Minister in Südafrika und heute Vertreter von BDS, durfte im März 2019 weder im Volkskundemuseum noch einem privaten Hotel bei einer Veranstaltung sprechen, nachdem die Mietverträge mit Verweis auf den Gemeinderatsbeschluss kurzfristig gekündigt worden waren.
  • Hanin Zoabi, ehemalige arabische Knesset-Abgeordnete, durfte im Mai 2019 im öffentlich geförderten WUK nicht sprechen. Interveniert hatte die heutige Vizebürgermeisterin der Grünen Birgit Hebein mittels eines „Geheimdossiers“ des DÖWs.
  • Ein Kinoabend mit dem argentinischen Film „¡Yallah ¡Yallah“ über palästinensische Fußballkinder konnte im September 2019 nicht stattfinden, da den VeranstalterInnen von der privaten Artis-Kinokette knapp vor der Österreichpremiere mit dem Hinweis auf den Gemeinderatsbeschluss der gültige Vertrag gekündigt wurde.

Wir fragen:

– Aus wem besteht die „Expertenkommission“ oder das „Monitoring-Komitee“, das hinter den Kulissen immer im Sinne der israelischen Besatzung agiert?

– Wenn ein solches Gremium überhaupt nötig ist, sollten dann dessen Mitglieder nicht nur namhaft gemacht werden, sondern auch die verschiedenen Sichtweisen auf den Konflikt repräsentieren?

Wir fordern:

Der Wiener Gemeinderat soll einen Beschluss zur Sicherung der Meinungsfreiheit fassen und damit sicherstellen, dass
– Kritik an Kolonialismus und Bevölkerungssegregation in öffentlichen Räumen der Stadt Wien wieder möglich wird und
– die politische Forderung nach Einhaltung der einschlägigen UN-Resolutionen nicht als Antisemitismus verfemt werden darf.

Sie unterstützen die Anliegen des offenen Briefes?

https://docs.google.com/forms/d/1sCeVlsp8nCEdwII3_uhpgwmVUaXkyhAGX_n-fEfBbec/

Unterstützer und Unterstützerinnen (Stand 5.12.2019):

  • Univ. Prof. Dr. Walter Sauer, Historiker, Wien
  • Samuel Welber, Jüdische Stimme für gerechte Frieden in Nahost, Wien
  • Bernhard Heitz, emeritierter Bischof der Altkatholischen Kirche
  • Mag.Dr. Meinrad Schneckenleithner, Vizepräsident Pax Christi
  • Kaplan Franz Sieder, Pax Christi, Amstetten
  • Franz Sölkner, Friedens- und Öko-Aktivist, Thal bei Graz
  • Stephan Bartunek, Medienaktivist, Gruppe42, Wien
  • Abhijit Ghosh, Pensionist, Multikultureller Stammtisch, Amstetten
  • Leo Gabriel, Sozialanthropologe und Mitglied im Rat des Weltsozialforums, Wien
  • Karl Helmreich, Benediktinermönch, Hirtenberg
  • Stefan Grasgruber-Kern, entwicklungspolitischer Aktivist und Sektionsvorsitzender SPÖ, Wien
  • Mary Pampalk, Frauen in Schwarz, Wien
  • Joseph Pampalk, Priester und Entwicklungshelfer im südlichen Afrika, Wien
  • Birgit Englert, Assoziierte Professorin für Afrikanische Geschichte und Gesellschaft, Wien
  • Wilhelm Langthaler, Autor und Aktivist für eine gerechtere Weltordnung, Wien
  • Andreas Auzinger, KPÖ Innviertel, Ried
  • Hannes Hofbauer, Publizist, Wien
  • Elisabeth Lindner-Riegler, pensionierte AHS-Lehrerin, Wien
  • Waltraud Schauer, ehemaliger menschlicher Schutzschild im Irak, Wien
  • Dr. Angela Waldegg, Künstlerin, Wien
  • Christine Hödl, Pensionistin, Graz
  • Gerhilde Merz, Friedensaktivistin und Mitglied von Pax Christi, Linz
  • Irina Vana, Soziologin, Wien
  • Eva Obemeata-Gimoh, Sozialarbeiterin, Wien
  • Frigga Karl, Menschenrechtsaktivistin, Wien/Paris
  • Murat Gürol, IT-Techniker, Wien
  • Thomas Pierer, KPÖ-Steiermark, Bruck an der Mur
  • David Stockinger, Vorsitzender SPÖ Schwechat, Vorstandsmitglied Solidarwerkstatt Österreich
  • Doris Höflmayer, Ärztin, Wien/Hamburg
  • Peter Unterweger, Sekretär Internationaler Metallgewerkschaftsbund, i. R, Wien/USA
  • Ursula Sagmeister, Frauen in Schwarz Wien, Maria Enzersdorf
  • Albert F. Reiterer, Gesellschaftswissenschaftler und Publizist, Wien
  • Boris Lechthaler, Solidarwerkstatt Österreich, St. Leonhard b. Freistadt
  • Karin Pilz, Aktivistin, Wien
  • Mag. Dieter Kurz, Pax Christi Stmk, Hausmannstätten
  • Maria Ziesler, Komitee Frieden für die Ukraine, Pöllauberg
  • Dr. Mag. Josef Windischer, Obmann Vinzenzgemeinschaft Waldhüttl, Innsbruck
  • Gerald Oberansmayr, Verleger, Solidarwerkstatt
  • Oliver F. Hashemizadeh, Angestellter und Aktivist
  • Marcus Scholz, Angestellter und Aktivist
  • Christian Schillinger, Aktivist, Wien
  • Dr. Ingeborg Grau, Afrika-Historikerin, Wien
  • Dr. Bea de Abreu Fialho Gomes, Afrikawissenschaftlerin, Wien
  • Erwin Bartsch, IT-Techniker, Wien
  • Helmut Seidl, Zimmerer/Kunstschmied und Kulturanthropologe, Pöllauberg
  • Christl Meyer, Biologin/Ethik, Frauen in Schwarz, Wien
  • Mag.a Andrea Mayer-Edoloeyi, Theologin, Solidarwerkstatt, Linz
  • Thomas Eiler, Angestellter, Wien
  • Walter Wolf, MBA, Amstetten
  • Johanna Weichselbaumer, Solidarwerkstatt Österreich, Alkoven
  • Waltraud Torossian, Architekt, Entwicklungshilfe Pakistan, Flüchtlingshilfe Libanon, Wien
  • Rudolf Schober, Gemeinderat der SPÖ Ottensheim
  • Gerhard Summer, Vermessungstechniker, BDS Austria, Wien
  • Daniel Jungmayer, IT-Consultant, BDS Austria, Wien
  • Roswitha Al-Hussein, Aktivistin, Graz

International:

  • Doris Ghannam, Menschenrechtsaktivistin, Berlin

Organisationen:

  • Solidarwerkstatt Österreich
  • Dar al Janub – Verein für antirassistische und friedenspolitische Initiative
  • Steirische Friedensplattform
  • Antiimperialistische Koordination