Abdallah Abu Rahmah, Träger von internationalen Menschenrechtspreisen, wieder von Haft bedroht
Die Frauen in Schwarz (Wien) hielten am Dienstag den 3. Februar eine Mahnwache vor dem Bundesministerium für Äußeres. Grund des Protests war Israels geplante Verhaftung von dem EU Menschenrechtsverteidiger und Carl-von-Ossietzky Preisträger und Koordinator des Gewaltlosen Widerstands im Westjordanland, Abdallah Abu Rahmah. Unser Brief an Aussenminister Kurz ist beigefügt.
Wir protestieren gegen die anhaltenden Verletzungen der universell verbrieften Grund– und Menschenrechte der Palästinenser durch die Regierung Israels. Desgleichen richtet sich der Protest auch gegen die stillschweigende Tolerierung der Selbstermächtigung Israels zur Suspendierung des Völkerrechts durch die Regierungen der USA und EU–Staaten.
Wir, die Menschenrechtsinitiative Frauen in Schwarz (Wien) und Kritische Jüdische Stimme (Österreich) – Mitglied von European Jews for a Just Peace, schließen uns einem Aufruf der Internationalen Liga der Menschenrechte, Landesgruppe Deutschland, sowie AMNESTY INTERNATIONAL an, um gegen die erneute, menschenrechtswidrige Verhaftung von Abdallah Abu Rahmah zu protestieren und rufen die österreichische Bundesregierung auf, sich nachdrücklich für die Achtung der als Internationales Recht universell verbrieften Grund– und Menschenrechte auch in den von Israel besetzten Gebieten einzusetzen.
Abdallah Abu Rahmah ist als langjähriger, mit internationalen Friedenspreisen ausgezeichneter Aktivist des gewaltfreien palästinensischen Widerstands bekannt, der sich im besonderen gegen die 700 km lange und 8 – 10 Meter hohe Mauer wendet, die Israel jenseits seiner international anerkannten Landesgrenzen auf dem Territorium der Westbank sowie um den Gazastreifen herum errichtet hat.
Im Jahre 2005 rief Abu Rahmah im palästinensischen Dorf Bil’in gemeinsam mit anderen Dorfbewohnern das Bürgerkomitee des friedlichen Volkswiderstands ins Leben, das von ihm seitdem koordiniert und von zahlreichen israelischen und internationalen Menschenrechts- und Friedensorganisationen unterstützt wird.
Auch in anderen Orten, wie Nil’in und Nabi Saleh gründeten sich solche gewaltfreien Widerstandsgruppen, die seither jeden Freitag Demonstrationen veranstalten, die regelmäßig vom israelischen Militär gewaltsam aufgelöst werden. Durch das brutale Vorgehen der israelischen Soldaten werden immer wieder Aktivisten verletzt, ja sogar getötet.
Abu Rahmah wurde am 10. Mai 2012 auf einer Demonstration festgenommen. Anlässlich des 64. Gedenktages der Vertreibung von 750.000 Palästinensern aus den ihnen seit Jahrhunderten angestammten Gebieten versammelten sich DemonstrantInnen in Beitunia, unweit des israelischen Militärgefängnisses Ofer, um gleichzeitig ihre Solidarität mit den tausenden palästinensischen Gefangenen auszudrücken, die bereits mehrere Wochen im Hungerstreik gegen die Haftbedingungen waren.
Allein die Teilnahme an einer Demonstration verstößt gegen die Militärverordnung Israels in den besetzten Gebieten. Palästinensern ist jede Form der Erhebung und der Mobilisierung zum politischen Protest untersagt. Als Straftat wertete die israelische Besatzungsarmee, dass Abu Rahmah sich Bulldozern in den Weg stellte, die Betonblöcke zur Errichtung von Straßensperren anlieferten. Gegen eine Kaution kam er wenige Stunden nach seiner Festnahme vorerst wieder frei. Im Februar 2013 wurde ein Strafverfahren gegen ihn wegen Behinderung eines Soldaten bei der Ausübung seines Militärdienstes eröffnet.
Am 21. Oktober 2014 sprach ihn das Militärgericht schuldig. Das Strafmaß soll nun am 8. Februar 2015 verkündet werden.
Knapp vier Jahre nach Verbüßung einer mehr als einjährigen Haftstrafe im Ofer-Gefängnis von Dezember 2009 bis März 2011, droht dem 44 Jahre alten Lehrer für arabische Literatur und Vater dreier Kinder abermals die Inhaftierung für mehrere Monate bis zu einem Jahr.
Im August 2009 erklärte die damalige Hohe EU-Außenvertreterin Cathrine Ashton, dass Abdallah Abu Rahma von der EU als „Human Rights Defender“ erachtet wird, der dem gewaltfreien Protest gegen den Verlauf der israelischen Trennmauer durch sein Dorf Bil’in in der Westbank verpflichtet sei. Die EU erachtet den Verlauf der Mauer als illegal, „sofern diese auf palästinensischem Land gebaut ist“. Es sei daher beunruhigend, meinte Frau Ashton, „dass eine mögliche Inhaftierung von Herrn Abu Rahmah in der Absicht geschehe, ihn und andere PalästinenserInnen daran zu hindern, ihr legitimes Recht wahrzunehmen und gewaltfrei gegen den Tatbestand der Trennmauer zu protestieren.“ (Brüssel, 24. August 2010 A167/10)
Internationale Menschenrechtsorganisationen und Persönlichkeiten stellten einstimmig fest: Die demütigende Festnahme von Koordinatoren und Aktivisten des gewaltfreien Widerstands gegen die Mauer durch die israelische Besatzungsarmee vor deren Familien diene vorrangig dem unhaltbaren Ziel, die weltweit mit viel Sympathie bedachte Bewegung des friedlichen Volkswiderstands in den besetzten Gebieten zu desavouieren und letztlich zu zerschlagen.
Die neuerliche Schikanierung Abu Rahmahs muss als Versuch der israelischen Regierung beurteilt werden, den vom südafrikanischen Apartheidgegner und Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu als „Gandhi der besetzten Gebiete“ titulierten Koordinator des palästinensischen Volkswiderstands, wenn schon nicht physisch zu liquidieren, so doch psychisch zu zermürben. Sein leidenschaftliches Engagement für Menschenrechte, für die Aufhebung der Besatzung und für die nationale Selbstbestimmung seines Volkes ist den Regierenden in Israel ein dauerhaftes Ärgernis.
Der hoch motivierte, bewundernswerte gewaltfreie Widerstand Abu Rahmahs, wie einer steigenden Zahl anderer Aktivisten und Gruppen in Palästina passt nicht ins Konzept der israelischen Besatzungsmacht, die bestrebt ist, den palästinensischen Widerstand als rein gewalttätig hinzustellen.
Zu Recht stellt daher Abu Rahmahs Verteidigerin, Gaby Lasky angesichts seiner neuerlichen Verurteilung fest: „Gegen die Besatzung zu demonstrieren kann kein Straftatbestand sein. Abdallah für schuldig zu befinden zeigt nur, dass die israelische Armee ein Werkzeug ist, die Besatzung aufrechtzuerhalten.“
Israel steht nicht über internationalem Recht! Die unveräußerlichen Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit müssen auch für PalästinenserInnen garantiert sein. Deshalb ersuchen wir die österreichische Bundesregierung, die Kriminalisierung gewaltfreier Demonstrationen durch Israel zu rügen, und auf die Einstellung des Verfahrens gegen Abdallah Abu Rahmah hinzuwirken.
Mehr Information:
http://www.popularstruggle.org/
http://www.stopthewall.org/
http://palsolidarity.org/