Im Schatten des Gaza-Kriegs lassen Israels Rechte die Sau raus
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31.07.2014 / Ausland / Seite 7
Von Knut Mellenthin
Auf palästinenserfeindlichen Demonstrationen in Israel hört man immer öfter den Sprechchor: »Morgen fällt in Gaza die Schule aus, es sind keine Kinder mehr übrig«. Araber, die zufällig den Weg der aufgeputschten Menge kreuzen, leben gefährlich. Zwei Zwanzigjährige wurden am vergangenen Freitag im besetzten Ostjerusalem von israelischen Jugendlichen, die mit Eisenstangen und Baseballschlägern bewaffnet waren, bis zur Bewußtlosigkeit verprügelt. In Haifa wurden in der vorigen Woche der stellvertretende Bürgermeister, ein Araber, und sein Sohn von einem jüdischen Mob unter Rufen wie »Tod den Arabern« und »Tod den Linken« brutal zusammengeschlagen. Polizisten sahen tatenlos zu. Für einen arabischen Bürger Israels kann schon der Versuch, sich gegen solche Angriffe zu verteidigen, vor Gericht enden.
Das politische Spektrum des jüdischen Israel rückt schon seit Jahren immer weiter nach rechts. Und unter den Rechten wächst, zumal gegenwärtig vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Bevölkerung des Gazastreifens, die Neigung zu menschenverachtenden, verbrecherischen und nicht selten auch mörderischen Phantasien. Mordechai Kedar, Dozent für arabische Literatur an der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv, malte sich bei Facebook aus, daß man die Schwestern und Mütter mutmaßlicher »Terroristen« vergewaltigen solle. Anders könne man die Täter nicht abschrecken, denn »das ist die Kultur, in der wir leben«.
Eine noch radikalere »Lösung« aller Probleme mit den Palästinensern schlug die Knesset-Abgeordnete Ajelet Schaked von der rechtsextremen Regierungspartei Habajit Hajehudi (Jüdisches Heim) vor: Man solle die Mütter festgenommener »Terroristen« töten, »damit sie keine weiteren Terroristen gebären können«. Ebenso solle man auch mit den Müttern der im Kampf gefallenen Palästinenser verfahren. Nachdem ihre Ideen internationale Aufmerksamkeit erregt hatten, behauptete die Parlamentarierin, sie sei »fehlinterpretiert« worden, und außerdem sei es typisch, daß mal wieder den Juden die Schuld gegeben werde.
Zu den spirituellen Quellen solcher Phantasien gehört das 2009 erschienene Buch »Torat Hamelech« (Das Gesetz des Königs) der Rabbiner Jitzchak Schapira und Josef Elitzur. Die Verfasser erklären es darin für legitim, nichtjüdische Kinder zu töten, wenn zu vermuten sei, daß sie später zu einer Gefahr für Israel werden könnten. Der israelische Generalstaatsanwalt stellte im Mai 2012 die Ermittlungen gegen die zwei Rabbiner ein, da ihnen eine Anstiftung zu strafbaren Handlungen nicht nachzuweisen sei. Die von ihnen betriebene Jeschiwa (Religionsschule) in einer Siedlung in der Westbank erfreut sich weiter üppiger Subventionen durch das Erziehungsministerium.
Etwas gemäßigter kommen die Vorschläge zur Lösung des Gaza-Problems daher, die der Likud-Abgeordnete Mosche Feiglin am 15. Juli, eine Woche nach Kriegsbeginn, auf der Website Arutz Scheva veröffentlichte. Man solle das gesamte Gebiet vollständig militärisch abriegeln und die Bevölkerung ultimativ auffordern, es sofort zu verlassen. »Die Sinai-Halbinsel ist von Gaza nicht weit entfernt, dorthin können sie gehen. Das muß die Grenze von Israels humanitären Bemühungen sein.« Nach dem Krieg müsse das Gebiet Teil Israels und von Juden besiedelt werden. Das werde auch zur Verminderung der Wohnungsnot beitragen.
Bei Facebook schrieb Feiglin, der einer der acht stellvertretenden Knesset-Sprecher ist und dem eine große Parteikarriere vorausgesagt wird, »die einzigen Unschuldigen« in Gaza seien die israelischen Soldaten. »Ein Haar auf dem Haupt eines israelischen Soldaten ist kostbarer als die gesamte Bevölkerung von Gaza.« Dem Abgeordneten verdankt Israel auch die 2004 veröffentlichte Erkenntnis: »Man kann einem Affen nicht das Sprechen beibringen und einem Araber nicht die Demokratie.«