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Hungerstreik der palästinensischen Gefangenen


4. November 2011

Israelische Polizei rächt sich an Solidarität

 

Sobald bekannt wurde, dass neun palästinensische Frauen vom Gefangenenaustausch, der Anfang Oktober zwischen der israelischen Regierung und der Hamas vereinbart worden war,  ausgenommen wurden, versammelten sich am 20. Oktober etwa 40 arabische und jüdische Aktivisten vor dem israelischen Frauengefängnis „Hadarim“ und forderten die Freilassung der übrigen Frauen. Initiator war die Bewegung Abnaa-Elbalad [arab. für die Einheimischen], die innerhalb des israelischen Staatsgebiets tätig ist.

 

Die Aktivisten waren auch die Initiatoren des Solidaritäts-Hungerstreik, der ebenfalls Anfang Oktober ausgerufen worden war, um die hungerstreikenden palästinensischen Häftlinge zu unterstützen. Hungerstreik und Solidaritätsaktionen riefen in der arabischen Gesellschaft großes Interesse hervor. Vor allem die Aktivist/innen des Solidaritäts-Hungerstreiks in Haifa erhielten weltweite Solidaritätsbotschaften und waren trotz Medienselbstzensur in der Lage, die Öffentlichkeit auf die Situation der palästinensischen Gefangenen aufmerksam zu machen.

 

Das mag der Grund für die Brutalität sein, mit der die israelische Polizei den gewaltlosen Demonstrant/innen am 20. Oktober begegnete. Kurz vor Ende der Kundgebung erklärte die Polizei diese (rechtswidrig) zu einer illegalen Versammlung und die Demonstrant/innen fingen an, auseinander zu gehen und sich zu den Autobussen zu begeben. Dort griff die israelische Polizei die Demonstrant/innen an und setzte Tränengas ein. Sechzehn Personen wurden verhaftet, davon 13 Araber und drei Juden.

 

Die Beteiligten waren alle formal israelische Staatsbürger, für welche im Gegensatz zu den Palästinensern im Westjordanland israelische Gesetze und nicht Militärgesetze gelten. Doch die weitere Behandlung der Verhafteten bekamen kann nur als politischer Schauprozess bezeichnet werden. Aus „illegaler Versammlung“ wurde „Aufruf zu Gewalt“. Den Verhafteten wurde nicht die Möglichkeit eingeräumt, ihre Verhaftung gegen Kaution zu beantragen. Anklagepunkte waren an sich nicht mehr als das Hissen der Palästina-Flagge und Zurufe für den palästinensischen Widerstand, wie etwa „Israel Terrorstaat“. Doch das Plädoyer des Staatsanwaltes schlug einen unangemessen scharfen Ton an: „Es sind israelische Araber und Juden. Sie und ihre Freunde sind Staatsfeinde. Wenn der israelische Staat und seine demokratischen Apparate [sic!] dies erlauben würden, dann wissen wir nicht, was aus diesem Staat wird“. Weiter ging das Plädoyer der israelischen Staatsanwaltschaft mit „das ist Agitation! Aufruf zu Ungehorsam! Untreue zum Staat, der sie bewacht, füttert und verteidigt.“

 

Der israelische Richter gab der Aussage statt, dass „Hissen palästinensischer Fahnen und staatsfeindliche Zurufe eine gewisse Gefahr darstellen“.

 

Das war die Grundlage dafür, dass das Gericht von einer akuten Gefahr ausging und die Verhafteten während des Prozesses nicht entlassen wurden. Die Aktivisten waren eine Woche lang von der Außenwelt abgeschnitten. Handys und Photoapparate, mit denen der Angriff der Polizei dokumentiert wurde, wurden konfisziert. Zudem unternahm die israelische Polizei Hausdurchsuchungen bei den Verhafteten und beschlagnahmte die Computer.

 

Da die Beweislage ungünstig für die israelische Staatsanwaltschaft war, bot diese den Verhafteten an, die Hälfte der Personen wegen illegaler Versammlung anzuklagen und bald frei zu lassen, die andere Hälfte jedoch wegen „Aufruf zu Gewalt“ anzuklagen. Dabei überließ es die Staatsanwaltschaft den Aktivisten, die „Freiwillige“ für „Aufruf zu Gewalt“ zu stellen. Während des gesamten Prozesses war die Polizei nicht in der Lage, Beweise gegen die Angeklagten vorzuweisen. Sie behauptete, es gäbe ein Problem mit dem Ton der Aufnahmen und das obwohl sie mehrere Handys der Demonstranten in ihrer Obhut hatte.

  

Am Sonntag, 27. Oktober, wurde der letzte Verhaftete aus Mangel an Beweisen freigelassen. Für drei Angehörige der gefangenen Frauen, für die demonstriert worden war, bedeutet diese willkürliche Verhaftung ein lebenslängliches Besuchsverbot.

 

Für die Aktivist/innen ist klar, dass die Woche Haft, begleitet von subtiler Folter (Isolation, enge Handschellen..) und der Schauprozess mit übertriebenem Sicherheitsaufgebot nichts anderes als ein politisches Zeichen seitens der israelischen Sicherheitsapparate sind, um den Schwung einzudämmen, den die Bewegung nach dem Hungerstreik gewinnen konnte.

 

Die Erzählung der langjährigen politische Aktivistin Iris Bar über das Verhör entlarvt die Lächerlichkeit des israelischen Staatsapparats:

 

„Dass Leute wie Sie so undankbar sind und den Staat als Terrorstaat bezeichnen, das verdankt ihr der Tatsache, dass wir in Israel zu viel Demokratie haben. In Syrien würden Sie für so was bestimmt verhaftet werden!“, brüllte der Verhörer.

 – Aber ich bin auch hier verhaftet worden!

Der Verhörer dachte eine Weile nach, dann antwortete er: „Ja da haben Sie recht“ und sagte darauf nichts mehr. Das war das Ende des Verhörs.

 

Die antizionistischen Aktivist/innen gewannen die Runde, jedoch bahnt sich aufgrund der Aggressivität der rechtsextremen israelischen Regierung die Gefahr einer breiteren Repressionswelle an, die hin zu einer neuen Vertreibung von Palästinensern aus dem historischen Palästina reichen kann. Rufe nach Entzug der Staatsbürgerschaft „untreuer“ Elemente sind im israelischen Parlament sehr salonfähig.