Neue Gaza Flottille sticht in See – Aktivsten, Journalisten und Blogger an Bord
Am Abend des 2. November 2011 verließen ohne großen medialen Wirbel die zwei Boote der kleinen Flottille „Wellen der Freiheit“ einen türkischen Hafen in Richtung Gaza. Ziel der Organisatoren ist es, erneut gegen die Gaza-Blockade zu protestieren und diese zu brechen. Am Bord der irischen „Freiheit“ und der kanadischen „Tahrir“ [arab. für Befreiung] befinden sich 20 bis 30 internationale Solidaritätsaktivist/innen, Akademiker/innen und Künstler/innen.
Voraussichtlich könnte die Flottille Gaza Donnerstagabend oder Freitag Morgen erreichen. Die israelische Regierung betonte die Bereitschaft der Marine, die Boote zu stoppen. Der Ausgang dieser Konfrontation im Mittelmeer ist nicht vorherzusehen.
Der Blogger als organischer Intellektuelle
Am „Tahrir“ befindet sich auch der palästinensische Blogger Majad Kayyal, der sich gerade von einem zehntägigen Hungerstreik erholt, an dem er in Haifa in Solidarität mit den palästinensischen Gefangenen teilgenommen hatte.
Auf seinem Blog „Message to the Tricontinental“ hinterließ der 20-jährige Philosophiestudent ein Rätsel, das lautet: „Einer verlässt das Land, um ins Land einreisen zu können. Wenn er ausreist und keinen Erfolg hat, dann kommt er in Land zurück. Wenn er ausreist und doch Erfolg hat, dann muss er das Land erneut verlassen, um ins Land erneut einreisen zu können“. Dass es sich um eine Reise innerhalb des in Israel, Westjordanland und Gaza geteilten historischen Palästinas handelt, ließ sich leicht erahnen. Keiner ahnte jedoch, dass es sich hier um die Teilnahme an der unter streng geheimen Bedingungen vorbereiteten Flotille geht. Kurz vor der Abreise schrieb Kayyal: „Liebe ist die Voraussetzung für die Idee, die Idee ist die Voraussetzung für Mut, Mut ist die Voraussetzung für dauerhafte Freude“.
Kayyal zählt zur zweiten Generation palästinensischer linker Blogger, die gegen Zionismus, die korrupte palästinensische Führung und die reaktionären religiösen Tendenzen schreiben. Mit viel Humor und Sprachwendungen bricht das linke palästinensische Blogger-Milieu viele Tabus und steht auch der orientierungslosen palästinensischen Linke kritisch gegenüber. Wenn die erste Generation (2004- 2007) erstmals kritische Thesen über die palästinensische Bewegung und die Linke aufstellte und dadurch zu einem neuen politischen Phänomen in der Region wurde, so trägt die zweite Generation nicht die Bitterkeit der ersten und tritt in ihren politischen und humoristischen Schriften selbstbewusster, positiver und mit klareren Ideen auf.
Die Teilnahme mehrerer Blogger am Hungerstreik von Haifa im Oktober bedeutet eine qualitative Wende: Die Blogger gingen damit vom individuellen Reflektieren zur organisierten politischen Aktion über.
In seinem Brief vor der Abreise schrieb M. Kayyal an die Genoss/innen in Haifa: Salam, Genossinnen und Genossen, In diesem Moment bewegte sich das Boot „Tahrir“ in Richtung Palästina, präziser auf das belagerte Gaza zu. Ich bin da, gemeinsam mit anderen elf Aktivisten und Journalisten. Die Moral ist himmelhoch und die Energien unbegrenzt, wissend was für Ehrlichkeit und Hingabe diese Aktion mit sich bringt. Ich hoffe, wir werden in der Lage sein, die Blockade zu brechen und in Gaza ankommen, oder gegen die Besatzung anzutreten, um wenigstens ein Zeichen zu setzen. Ich hoffe, dass diese Gelegenheit genützt wird, um der neuen jugendlichen Bewegung Kontinuität und Einheit zu verleihen und ihre politische Maximen weiterzuentwickeln.
Wir müssen mehr Bewusstsein über die Blockade schaffen und ich bitte euch darum, darüber zu schreiben. Wir werden auch von einem irischen Boot begleitet. Wir bewegen uns unter dem Titel „Wellen der Freiheit“. Bitte leistet den nötigen Beitrag, dass sich politisch auch bei euch etwas bewegt.
Ich entschuldige mich bei allen, mit denen ich Vereinbarungen hatte, die ich nicht einhalten konnte. Ich konnte vieles nicht arrangieren, weil ich diese Reise nicht bekanntgeben durfte.
Erinnert euch daran: Liebe ist die Voraussetzung für die Idee, die Idee ist die Voraussetzung für Mut, Mut ist die Voraussetzung für dauerhafte Freude“.
Mohammad Aburous