Site-Logo
Site Navigation

Angebot zum Dialog


14. April 2010

Israels Linke appelliert an deutsche Linkspartei, sich für gerechten Frieden in Nahost einzusetzen

 

 

Israels Linke appelliert an deutsche Linkspartei, sich für gerechten Frieden in Nahost einzusetzen


Über 100 linke Israelis haben am Donnerstag in einem offenen Brief die deutsche Linkspartei zu einer solidarischen Politik als Voraussetzung für die Durchsetzung einer friedlichen Lösung des Konflikts in Israel/Palästina aufgefordert. Zu den Unterzeichnern gehören Universitätsprofessoren, prominente Feministinnen, Wehrdienstverweigerer und Künstler. Wir dokumentieren das Schreiben mit unwesentlichen Kürzungen.

 

Liebe Genossinnen und Genossen, diesen Brief schicken wir Euch als israelische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die in linken Gruppen und Organisationen in Israel/Palästina aktiv sind. Diese befassen sich mit Themen wie Menschenrechten, Ökologie, Frieden, Flüchtlingshilfe, soziale Gerechtigkeit, Arbeiterrechten, Feminismus und queeren Kämpfen. Wir setzen uns in unserem Land und in unserer Gesellschaft für eine grundlegende soziale Veränderung ein, für das Ende der Besatzung und die Schaffung einer Gesellschaft, in der alle Bewohnerinnen und Bewohner des Landes gleiche Rechte genießen.

 

Wir haben uns zu diesem Brief entschlossen, nachdem uns wiederholt Berichte über Aktivitäten Eurer Partei bezüglich der Situation in Israel/Palästina bekannt wurden, so die Teilnahme von führenden Mitgliedern Eurer Partei an einer Demonstration im Januar 2009 in Berlin, auf der die Weiterbombardierung des Gazastreifens gefordert wurde; das Bestehen und die Akzeptanz eines Bundesarbeitskreises in der Jugendorganisation Eurer Partei (BAK Shalom), der jedes militärische Vorgehen des Staates Israel unterstützt und militaristische und nationalistische Propaganda betreibt; schließlich das Schweigen der Mehrheit der führenden Parteimitglieder zur israelischen Besatzungspolitik. All das hat uns bewogen, unsererseits nicht länger zu schweigen, sondern zu intervenieren.

 

Die Problematik einer solchen Intervention ist uns bewußt. Wir haben nicht die Absicht, Euch vorzuschreiben, wie Ihr in Eurem Land zu agieren und Euch zu äußern habt. Wir wissen, daß der Diskurs über Israel in Deutschland – aus nachvollziehbaren und gewichtigen Gründen – ein sensibles Thema ist. Die Mahnung an den Holocaust und der auch heute in Deutschland gebotene… gegen den Antisemitismus gehören zu den wichtigsten Aufgaben jeglicher emanzipatorischen Bewegung. Nicht trotz, sondern gerade aufgrund dieser Tatsache fällt es uns schwer nachzuvollziehen, wie man die israelische Besatzungspolitik in Deutschland als Teil der »Lehren aus der deutschen Geschichte« rechtfertigen kann.

 

BRD ist mitverantwortlich

 

Wenn wir uns an Euch wenden, so geschieht dies, weil wir um die Bedeutung von Deutschland als Macht innerhalb der EU und darüber hinaus und daher auch um den deutschen Einfluß im Nahen Osten wissen. Die intensiven diplomatischen und militärischen Aktivitäten der Bundesrepublik in der Region und die aktive Unterstützung der israelischen Besatzungspolitik reichen uns, um in der BRD einen der Akteure zu sehen, die für die durch die israelische Regierung begangenen Verstöße gegen das Völkerrecht und für die israelischen Kriegsverbrechen mitverantwortlich sind. Aus diesem Grund denken wir, daß es unser Recht ist, von Euch als Aktivistinnen und Aktivisten für soziale Veränderung in Deutschland und als Mitglieder in einer Partei, die im Parlament und in regionalen Regierungen vertreten ist, Verantwortung für das Vorgehen Eures Staates in Bezug auf unser Land zu übernehmen.

 

Die andauernde Besatzung und Entrechtung sind keine innerisraelischen Angelegenheiten. Die antidemokratische Herrschaft des Staates Israel über mehr als drei Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser, die kein Wahlrecht haben, sowie die Kriegsverbrechen, die in den besetzten Gebieten stattfinden, sind Angelegenheit von allen, denen die Menschenrechte ein Anliegen sind. Vor allem aber tragen die Bürgerinnen und Bürger von Eu­ropa wegen ihrer – auch in der Gegenwart weiterhin stattfindenden kolonialistischen Interventionen im Nahen Osten eine besondere Verantwortung für den Konflikt.

 

Angesichts dessen ist eine Scheu davor, Israel zur Verantwortung zu ziehen, unangebracht. Die ökonomische, militärische und politische Unterstützung, die Israel von der EU und besonders von Deutschland erfährt – z.B. in Form von Waffenlieferungen und von Investitionen oder, indem Israel ein bevorzugter Status im Handelsabkommen mit der EU eingeräumt wird– fördert einen Friedensprozeß nicht, sondern trägt zur Aufrechterhaltung der Besatzung und zur umfassenden Repression gegenüber der palästinensischen Bevölkerung bei. (…)

 

Darüber hinaus bedürfte es angesichts der Schwäche der Palästinenserinnen und Palästinenser eines stärkeren Drucks auf Israel seitens der internationalen Gemeinschaft. Die stärkere Seite wird ohne wirksamen Druck ihre Postionen niemals aufgeben. Der Staat Israel hat immer wieder bewiesen, daß er nicht zu einem Friedensabkommen und zur Beendigung der Besatzung bereit ist, ohne daß im Ausland intensiv Druck seitens der Zivilgesellschaft und/oder der Regierungen ausgeübt würde. Wir sind ermutigt durch Eure letzten Wahlerfolge und hoffen, daß Euer Erstarken dafür sorgt, in Sachen soziale Gerechtigkeit, Bürgerrechte, Feminismus und Antirassismus in Deutschland neue Themen auf die Tagesordnung zu bringen. Wir sind überzeugt, daß eine linke und solidarische Politik auch eine internationalistische Agenda haben muß, und wir erwarten, daß sich Eure Partei auch in diesem Bereich am weltweiten Dialog mit linken, antirassistischen und feministischen Kräften aktiv beteiligt. Als Teil eines solchen Dialogs möchten wir unsere Positionen zur Politik Eurer Partei in bezug auf den Konflikt in Israel/Palästina darstellen.

 

Wir sind der Auffassung, daß der Staat Israel für die Besatzung, die rassistische Separation und die Kriegsverbrechen nicht belohnt und darin bestärkt werden sollte. Nur eine Politik, die Israel klarmacht, daß Verstöße gegen das internationale Recht nicht zu akzeptieren sind, kann einen gerechten Frieden für alle Bewohnerinnen und Bewohner des Landes bringen.

 

Einige Empfehlungen

 

Einige konkrete Forderungen, die Eure Partei stellen könnte, sind z.B.:

 

– Die Einstellung aller deutschen Waffenexporte nach Israel. (…) Deutschland treibt nicht nur Handel mit einem Staat, der systematisch gegen das internationale Recht verstößt, sondern verwöhnt Israel mit Geschenken in Höhe von Milliarden Euro. Deutschland wurde kürzlich von Israel sogar aufgefordert, ihm zwei Kriegsschiffe zu schenken.

 

– Die Verhinderung der Aufwertung der Handelsabkommen zwischen der EU und Israel. (…) Während in Europa eine solche Intensivierung der Beziehungen als Verbesserung des Vertrauensverhältnisses zwischen Israel und der EU betrachtet wird, faßt Israel solche Schritte als Schwäche der EU und als Ermutigung auf, weiterhin gegen die Menschenrechte zu verstoßen. Nötig ist ein allgemeines Importverbot der EU für israelische Produkte, die ganz oder teilweise in den besetzten Gebieten (inklusive Ostjerusalem) produziert werden.

 

– Die Förderung von Gerichtsverfahren gegen die Täter bei Kriegsverbrechen in Israel/Palästina und die Umsetzung der Empfehlungen des Goldstone-Berichts.

 

– Die Unterstützung von Organisationen und Aktivistinnen und Aktivisten der Zivilgesellschaft in Israel/Palästina und vor allem des gewaltfreien und basisdemokratischen Widerstands gegen die Mauer und die Siedlungen in den besetzten Gebieten.

 

Abgesehen von diesen Vorschlägen hoffen wir, daß Eure Partei sich erfolgreich darum bemühen wird, in Deutschland eine Debatte über die Bedeutung der deutschen Verantwortung für das Geschehen im Nahen Osten zu initiieren. Es sollte eine Debatte sein, die aus einer historischen und aktuellen Sicht, die alle Bewohnerinnen und Bewohner der Region gleichermaßen berücksichtigt, eine Politik des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit und der Menschenrechte fördert. Wir würden uns freuen, zusammen mit unseren palästinensischen Genossinnen und Genossen sowie Partnerinnen und Partnern an den Debatten in Eurer Partei über das Geschehen in unserer Region teilzunehmen und hoffen, daß dieser Brief zu einem fruchtbaren und gleichberechtigten Dialog zwischen der Linken in Deutschland und der Linken in Israel/Palästina beiträgt.

 

Mit solidarischen Grüßen

 

Miriam Abed-ElDayyem, Gadi Algazi, Udi Aloni, Galit Altschuler, Hila Amit, Roey Angel, Asaf Angermann, Gabriel Ash, Reuven Avergil, Danna Bader, Roni Bande, Ronnie Barkan, Yossi Bartal, Ofra BenArtzi, Mor Ben Israel, Yoav Beirach Barak, Elaenor Cantor, Shai Carmeli Pollack, Alex Cohn, Adi Dagan, Silan Dallal, Yossi David, Daniel Dokarevich, Keren Dotan, Ronen Eidelman, Nimrod D. Evron, Eli Fabrikant, Tamar Freed, Michal Givoni, Tsilli Goldenberg, Anat Guthmann, Connie Hackbarth, Yuval Halperin, Iris Hefetz, Hanan Hever, Shir Hever, Chaya Hurwitz, Argo Inna, Hedva Isachar, Matan Israeli, Matan Kaminer, Reuven Kaminer, Adam Keller, Hava Keller, Yana Knopova, Peretz Kidron, Assaf Kintzer, Yael Lerer, Orly Lubin, Adi Maoz, Eilat Maoz, Naomi Mark, Anat Matar, Hagai Matar, Michaeli Maya Wind, Edu Medicks, Yosefa Mekayton, Rotem Mor, Susanne Moses, Avital Mozes, Naama Nagar, Ido Nahmias, Dorothy Naor, Regev Nathansohn, Ofer Neiman, Norah Orlow, Hava Oz, Einat Podjarni, Yael Politi, Israel Puterman, Hili Razinsky, Moshe Robas, Shadi Rohana, Yehoshua Rosin, Eddie Saar, Sergeiy Sandler, Gal Schkolnik, Ayala Shani, Shemi Shabat, Aviram Shamir, Tali Shapiro, Fadi Shbeta, Ehud Shem Tov, Mati Shemoelof, Yehuda Shenhav, Kobi Snitz, Gideon Spiro, Bilha Sündermann Golan, Roy Wagner, Michael Warschawski, Sharon Weill, Yossi Wolfson, Uri Yaakobi, Sergio Yahni, Kim Yuval, Michal Zak, Shimri Zameret, Mai Zeidani, Talilla Ziffer, Beate Zilvesmidt, Moshe Zuckermann