Der Freiheitsmarsch für Gaza steckt seit fünf Tagen in Kairo fest. Die Akteure geben aber nicht auf. Ein Gespräch mit Edith Lutz
Interview: Karin Leukefeld
http://www.jungewelt.de/2010/01-02/047.php
02.01.2010
Edith Lutz ist Mitglied der europaweit organisierten »Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden im Mittleren Osten«. Für den Gaza Freiheitsmarsch koordinierte sie die 40köpfige deutsche Delegation. Aus 43 Ländern beteiligen sich rund 1400 Menschen an dem Marsch, der die Aufhebung der Blockade von Gaza fordert.
Seit fünf Tagen stecken Sie mit dem internationalen Freiheitsmarsch für Gaza in Kairo fest, wie ist die Situation?
Am Silvestertag wollten wir ursprünglich zusammen mit 50000 Palästinensern im Gazastreifen demonstrieren, aber die ägyptische Polizei hat das verhindert, indem sie den Grenzübergang Rafah geschlossen hielt. Darum wollten wir einen Marsch von Kairo in Richtung Gaza machen, aber der wurde auch unterbunden. Polizei und Sicherheitskräfte haben uns wieder gestoppt, dicht zusammengedrängt und eingeschlossen.
Es hieß, daß Hotels umstellt und die Leute nicht rausgelassen wurden –können Sie das bestätigen?
Dieses Gerücht ist vermutlich dadurch entstanden, daß die Polizei sich um die Hotels herum aufgestellt hatte. Selbst vor dem Restaurant, wo wir uns morgens zum Frühstück trafen, standen Polizisten. Der Kellner mahnte uns zur Eile, weil er fürchtete, daß das Restaurant komplett umzingelt werden sollte. Aber ganz so dramatisch war es dann doch nicht, die Polizei stand einfach herum, ließ uns aber passieren.
Die Bevölkerung in Kairo bekommt doch mit, daß so viele internationale Friedensaktivisten in der Stadt Freiheit für Gaza fordern. Wie reagieren die Leute?
Zurückhaltend. Hier ist eine latente Angst in der Bevölkerung zu spüren, auch beim Stichwort Gaza. Taxifahrer machen einen riesigen Bogen um die Orte, wo demonstriert wird. Die Angst habe ich deutlich gespürt, als ich ein Internetcafé suchte, um Nachrichten zu verschicken. Ich war lange mit dem Taxi unterwegs, weil die Cafés im Zentrum sich weigerten, mich an den Computer zu lassen, ohne daß ich meinen Paß vorlegte. Ich mußte bis auf die andere Nilseite fahren, um ungestört in einem Internetcafé arbeiten zu können.
Wie berichten die ägyptischen Medien über die Proteste?
Die regierungstreue Al-Ahram schreibt nicht mehr als nötig. Die Zeitungen, die der Opposition zuzurechnen sind, berichten dagegen sehr ausführlich und zeigen deutliche Sympathie mit unserem Anliegen. Die Al-Ahram beschrieb die 100 Personen, die nach Gaza einreisen durften, als die »Auserwählten«, die Guten. Sie schrieben aber nicht, daß von den »Guten«, die meisten aus den Bussen wieder ausgestiegen sind, weil sie die Spaltung in »Gut« und »Böse« nicht mitmachen wollten.
Das Angebot der ägyptischen Regierung, 100 »Auserwählte« einreisen zu lassen, sollte vermutlich die Solidaritätsbewegung für Gaza spalten?
Genau, das ist eine erprobte Taktik. Man kann sagen: Seht her, wir tun doch was für die Leute in Gaza, wir helfen. Es ging ganz klar um Spaltung, »Teile und herrsche« wird immer wieder eingesetzt, um eine Bewegung zu blockieren.
Tatsache ist aber, daß der Marsch nicht nach Gaza durchgekommen ist – war das eine Niederlage?
Das kann man nicht sagen. Etwa 100 Leuten ist es gelungen, nach Arisch zu kommen, an die Grenze bei Rafah, und seit Tagen protestieren 400 Leute vor der französischen Botschaft. Das ist eine sehr politische und sehr wirkungsvolle Aktion.
Wie soll es jetzt weitergehen?
Es sind weitere Aktionen geplant, wir werden zum Beispiel vor der israelischen Botschaft demonstrieren. Für die Zukunft hoffe ich auf viel Unterstützung für die Fahrt eines deutschen Bootes nach Gaza – aus vielen anderen Ländern gibt es dafür große Unterstützung. Wichtig wäre uns aber der Rückhalt aus Deutschland.
Die internationale »Free Gaza«-Bewegung hatte das gleiche Ziel, und einmal waren Sie auch dabei, als die Boote den Hafen von Gaza erreichten. Doch Israel hat diese Seeverbindung mit Drohungen und militärischer Gewalt versperrt. Warum sollte gerade ein Boot mit schwarz-rot-goldener Flagge durchkommenen?
Israel hat wegen seiner Politik gegen die Palästinenser mittlerweile viele Freunde in aller Welt verloren – aber Deutschland steht weiter fest an seiner Seite. Ein Boot unter deutscher Flagge soll zeigen, daß auch ein befreundetes Land Freund Israel widersprechen kann und muß. Wenn wir viele deutsche und jüdische Teilnehmer aus aller Welt auf diesem Schiff versammeln können, wird das ein politisches Signal für Deutschland und für Israel sein.
Info: www.juedische-stimme.de