von „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ (Österreich) und „Frauen in Schwarz“ (Wien)
Herrn
Bundesminister für Landesverteidigung
Norbert Darabos
Franz-Josefs-Kai 7-9
1010 Wien
Wien, 16.Dezember 2009
Sehr geehrter Herr Bundesminister!
Wir fanden den Empfang, den Sie dem israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak im Namen der Republik bereiteten, höchst befremdend. Es entzieht sich sicher nicht Ihrer Kenntnis, dass Ehud Barak in seiner Funktion als Verteidigungsminister Israels, gemeinsam mit den Regierungsmitgliedern Ehud Olmert, ehemaliger Premier Minister und Tsipi Livni, ehemalige Aussenministerin, für den militärischen Angriff auf den Gazastreifen im Dezember 2008 verantwortlich war. Wie Sie wissen, kostete dieser Angriff über 1400 Palästinensern, meist Zivilisten, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, das Leben, verwundete über 4000 Menschen und zerstörte nahezu völlig Gazas Infrastruktur.
Auch sind Sie gewiss über den Bericht der UNO-Kommission für Menschenrechte, den sogenannten Goldstone-Bericht, informiert, in dem Israels Kriegsverbrechen im Gazastreifen dokumentiert sind und der von der UNO-Generalversammlung angenommen wurde. Bereits zuvor haben israelische Soldaten, Mitglieder der Soldatenbewegung „Brecht das Schweigen“, darauf hingewiesen. Sie wissen ferner, dass Israels Aktionen in Gaza, im Westjordanland und in Ost-Jerusalem in völligem Widerspruch mit dem UN-Charter und dem internationalen humanitären Recht stehen. Gegen Barak wurde bereits im September von einem britischen Gericht ein Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen erlassen, gegen Tsipi Livni vor wenigen Tagen, als sie eine Reise nach London plante. Das Gleiche könnte den Verantwortlichen für den Angriff auf Gaza in Spanien, Belgien und Norwegen zustossen.
Nichtsdestotrotz wurde Ehud Barak in Österreich „mit allen Ehren“ empfangen und was noch anstössiger ist, – denn ein Empfang könnte noch als unbedeutende Formalität abgetan werden – dass das neutrale Österreich eine militärische Zusammenarbeit mit dem ständig angriffsbereiten Israel (s.Libanon und Gaza) ins Auge fasst. Wir empfinden dies als eine tiefe Schande für unser Land.
Wie wir aus Medienberichten entnehmen, war in einem der Treffen mit Barak die Rede von Österreichs Rolle im „Friedensprozess“ für die sogenannte „Zwei-Staatenlösung“. Sehen Sie nicht, dass dieser angebliche „Friedensprozess“ vom gegenwärtigen Premier Minister Netanyahu an Stelle eines wahren und gerechten Friedens betrieben wird und eine pure Heuchelei ist? Es wird so getan, auch von österreichischer Seite, als ob man von Verhandlungen zwischen ebenbürtigen Kräften spräche und nicht von einem „Besatzer“, der fünftstärksten Militärmacht der Welt und dazu noch Atommacht und einem „Besetzten“, einem wehrlosen, seines Landes beraubten, kleinen Volkes? Haben Sie sich oder Ihre israelischen Gesprächspartner je gefragt, Herr Bundesminister, wo genau ein zusammenhängender und lebensfähiger palästinensischer Staat entstehen soll?
Im Westjordanland und rund um Jerusalem haben sich über eine halbe Million israelischer Siedler in 200 Siedlungen, völkerrechtswidrig und meist auf den Palästinensern gestohlenem Land, eingenistet, das sie nicht aufzugeben bereit sind. Sonst wäre ja das „Einfrieren“ des Siedlungsbaus kein Streitobjekt zwischen den U.S.A. und Israel. Das Westjordanland hat schliesslich keinen zweiten Stock, auf dem für einen palästinensischen Staat Platz wäre! Meinen Sie wirklich, dass da, wo der U.S.-Präsident Obama am Widerstand Israels scheiterte, Österreich in einer Vermittlerrolle Erfolg haben könnte?
Mit freundlichen Grüssen,
MMag.Peter Melvyn
„Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ (Österreich)
Karlgasse 7
1040 Wien
Paula Abrams-Hourani
„Frauen in Schwarz“ (Wien)
Kirchengasse 24
1070 Wien