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Stimmen für Gaza


20. Januar 2009

Erfolgreiche Veranstaltung der Initiative „Gaza muss leben“ an der Universität Wien

Eine volle Aula im Universitätscampus Altes AKH zeigte gestern das Interesse der österreichischen demokratischen Öffentlichkeit an einem solidarischen und kritischen Kontrapunkt zur medialen Berichterstattung über den Gaza-Krieg. Auf Initiative der Kampagne „Gaza muss leben”, der Personen aus der Solidarität-, Friedens-, Menschenrechts- und antiimperialistischen Bewegung angehören, stellte sich ein Fachpodium der Frage „Ist Friede für Gaza möglich”.

Mit Prof. Andrea Komlosy (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte), Prof. Roger Haecock (Gastprofessor am Institut für Sozialgeschichte), Kurt Palm (Regisseur, Schriftsteller und Publizist) und Paula Abrams-Hourani (Frauen in Schwarz, Wien) fanden sich vier engagierte und – eingedenk des pro-israelischen Drucks gerade im universitären Bereich – couragierte Vertreter aus Universität, Kunst und Solidarität, um verschiedene Aspekte des Themas zu beleuchten. Leo Gabriel moderierte für die Initiative „Gaza muss leben” die Diskussion, wobei er selbst noch unter dem Eindruck seiner Teilnahme am Forum „Beirut Resistance” stand, das in der Vorwoche im Libanon stattgefunden hatte und sich wie die Veranstaltung in Wien auf internationaler Ebene das Ziel des Dialogs stellte.

Roger Heacock wies auf die Kontinuitäten im palästinensischen Befreiungskampf als nationaler, sozialer und politischer Prozess hin. Darin stellte der Wahlsieg der Hamas auf einem demokratischen Reformprogramm eine kurzfristige Konsolidierungsphase dar, die nun, mit der militärischen Eskalation durch Israel, wiederum in eine Phase des Widerstandes übergeht. Andrea Komlosy zeigte einen problematischen Hintergrund für die mangelnde Solidarität mit den Palästinensern gerade im deutschen Sprachraum auf: die geradezu klassische Kolonialpolitik in Palästina werde durch das Argument des „Antisemitismus” überdeckt. Die Verantwortung für den faschistischen Holocaust wird auf die Palästinenser abgeschoben und ihr antikolonialer Widerstand als judenfeindlich motiviert verzerrt, um sie trotz schlimmster Menschenrecht- und Völkerrechtsverletzungen durch Israel von der Unterstützung durch eine internationale demokratischen Öffentlichkeit zu isolieren. Auch Kurt Palm wendete sich dezidiert gegen diese, besonders von Ariel Muzicant immer wieder vorgenommene, Verunglimpfung von Kriegs- und Besatzungsgegnern, Menschenrechtlern und Solidaritätsaktivisten im Zusammenhang mit Palästina als „Antisemiten”. Damit werde jegliche Möglichkeit der Auseinandersetzung, der Diskussion und des Dialogs unterdrückt – was gerade angesichts der Grauen des israelischen Krieges in Gaza, der offensichtlich zivile Opfer bewusst einkalkulierte, nicht hingenommen werden darf. Paula Abrams-Hourani berichtete von Aktionen gegen das Massaker in Gaza, die auch von Vertretern jüdischer Gemeinden und Organisationen in verschiedenen Ländern Europas getragen werden. Österreich sei dabei, wie auch bei der medialen Berichterstattung, ein besonders trauriges Beispiel von einseitig pro-israelischer Stimmung.

In der anschließenden Diskussion wurde besonders die Frage nach den Möglichkeiten und Hoffnungen für Frieden und Gerechtigkeit in Gaza gestellt. Zwar war die allgemeine politische Einschätzung zumeist pessimistisch, auch von dem neuen US-Präsident Obama wurde keine Änderung in der Palästina-Frage erwartet. Dennoch wurde immer wieder betont, dass der Kampf um Möglichkeiten des Dialogs notwendig ist und auch Chancen haben kann. Dabei gehe es zuallererst um so elementare Belange wie die Entkriminalisierung der palästinensischen Bewegung, insofern auch die demokratisch gewählte Hamas auf der Liste terroristischer Gruppen steht, was den öffentlichen und politischen Dialog de facto illegalisiert. Andererseits sollen auch Brücken gebaut werden, um Menschen in Europa und Österreich zu ermöglichen, mit eigenen Augen die Situation in Palästina kennen zu lernen. In diesem Zusammenhang wurde die Idee entwickelt, Beobachter nach Gaza zu schicken, sobald die Einreise möglich wird, um die Auswirkungen des israelischen Massakers zu dokumentieren.
Die Veranstaltung war gekennzeichnet durch eine informierte und tiefgehende Debatte über die Ereignisse in Gaza, aber auch durch eine deutliche Stellungnahme gegen Krieg, Besatzung und Embargo, für den Dialog mit den Palästinensern und ihren gewählten Vertretern. Schlussendlich war die Veranstaltung als solche bereits ein Schritt in diese Richtung, insofern nach Jahren verschlossener Türen, endlich wieder der öffentliche Raum der Universität für eine kritische Auseinandersetzung in Solidarität mit Palästina zurückgewonnen werden konnte.