von Paula Abrams-Hourani
Sehr geehrte Damen und Herren!
Als ich erfuhr, dass Sie am 9. September eine Sendung über die Amerikanische Schule in Gaza bringen, war ich – wie immer – sehr interessiert sie zu hören. Leider, und es ist wahrscheinlich das erste Mal, hat mich Ihre Sendung verärgert und sehr enttäuscht.
Hat der verantwortliche Journalist den Gazastreifen kürzlich besucht? Bekanntlich herrscht dort eine strikte Blockade durch Israel und für viele hunderte von Studierenden, die ihre Studien außerhalb des Gazastreifens fortsetzen wollten, ist eine Kampagne von Gisha, dem Israeli Legal Centre for Freedom of Movement, organisiert worden. (www.gisha.org). Bis zum heutigen Tag gab es von den israelischen Behörden keine Reaktion.
Vor wenigen Wochen mussten sich internationale Menschenrechtsaktivisten Zugang nach Gaza mit Booten vom Meer her erzwingen, um sich selbst über die derzeitige Lage dort zu informieren, wobei sie vorher nicht wussten, ob die israelische Marine sie nicht doch abschießen oder verhaften würde (www.freegaza.org) . Zu Ihrer diesbezüglichen Information füge ich den exzellenten Artikel „The End of an Odyssee“ von Jeff Halper bei, dem einzigen Israeli, der sein Leben riskierte und an der Aktion ‚Free Gaza Movement’ teilnahm.
Ich frage mich, wann der Journalist der gestrigen Sendung den Gazastreifen besucht hat. Auf grund der israelischen Belagerung sind mehr als 240 Zivilisten – darunter ca. 50 Kinder – gestorben weil die Ausreise nach Israel oder anderswo nicht gestattet wurde. Es gab kürzlich erst Berichte in der internationalen Presse wie die israelische Armee ihre Macht über diese armen Menschen ausübt, indem sie Angehörige zur Kollaboration zwingt, bevor ein krankes Familienmitglied durch die Erez Crossing Point ausreisen darf.
Ferner füge ich die Kopie eines dringenden Appells bei, den mir meine Schwiegertochter im Jahr 2005 sandte, also lange bevor die Hamas in Gaza demokratisch gewählt wurde. Ihr Sohn besuchte zu dieser Zeit die Amerikanische Schule und der Rektor dieser Schule richtete damals ein dringendes Schreiben an den US-Botschafter in Tel Aviv, aus dem klar zu entnehmen ist, dass israelische Angriffe längst vor der Wahl der Hamas begonnen hatten. In Ihrer Sendung hörten wir, dass die Hamas für die meisten Probleme in Gaza verantwortlich ist, einschließlich der Mangel an Sicherheit in der Schule. Gewiss ist die Hamas Schuld an brutalen Aktionen und ich nehme sie absolut nicht in Schutz, aber die Wurzeln sind vor allem in der israelischen Besatzung und Abriegelungen von Gaza zu suchen, die nicht erst seit Juni 2007 sondern schon einige Jahrzehnte existieren. Diese Behandlung des Besatzungslandes haben dazu geführt – so scheint es – die palästinensische Gesellschaft allmählich zu ruinieren.
Es war sehr erstaunlich für mich zu hören, dass junge Studierende an der Amerikanischen Schule so reden als ob es für sie wirklich möglich wäre die Freiheit eines normalen Studenten zu haben und das gewählte Studium als freie Individuen machen zu können. Ich, die die Lage in Gaza beobachte und auch dort war, weiss, dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist und mit einem Radioprogramm den Eindruck zu vermitteln, dass diese Kinder so agieren können erweist ihnen und den 700.000 anderen Kindern und Jugendlichen in Gaza keinen guten Dienst. Kürzlich bekamen sogar einige Fulbright Stipendiaten keine Erlaubnis Gaza zu verlassen. – Vielleicht wäre es aber gut gewesen zu erwähnen, dass viele Kinder in Gaza dringend Hörhilfen benötigen als Folge der ultrasonischen Bombenangriffe der israelischen Luftwaffe während der letzten Jahre.
Herr Dr. Eyad Sarraj, der Direktor des Gaza Community Mental Health Programme und Menschenrechtsaktivist, ein Trauma-Experte, wird am 17. September 2008 im Wiener Afro-Asiatischen Institut sprechen (Einladung anbei). Er kann sicherlich ein genaueres Bild über Gaza und die Lage im Allgemeinen geben. Dr. Sarraj lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Gaza. Er ist eine unabhängige, international bekannte Persönlichkeit, weder mit Hamas noch Fatah verbunden.
Es wäre natürlich wünschenswert, wenn jemand beim ORF die Zeit fände, ein Interview mit Herrn Dr. Sarraj zu machen.
Paula Abrams-Hourani