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Vergesst die Zwei-Staatenlösung


13. Juni 2008

Israelis und Palästinenser müssen das Land gleichmäßig unter sich aufteilen
von Saree Makdisi, 13.05.2008 — Counterpunch

 

von Saree Makdisi, 13.05.2008 — Counterpunch

Es gibt keine Zwei-Staatenlösung mehr für den israelisch-palästinensischen Konflikt. Vergesst das endlose Argumentieren, wer was angeboten hat und wer wen zurückgewiesen hat und ob der Oslo-Prozess damals starb, als Yasser Arafat vom Verhandlungstisch wegging oder ob es Ariel Sharons Spaziergang auf dem Tempelberg in Jerusalem war, der dies verursachte.

All dies sind Fakten vor Ort, von denen die Wichtigste die ist, – dass nach vier Jahrzehnten intensiver jüdischer Besiedlung in den im 1967-Krieg eroberten palästinensischen Gebieten – Israel unwiderruflich das Land, auf dem ein palästinensischer Staat hätte entstehen können , fest im Griff hat.

60 Jahre nachdem Israel geschaffen und Palästina zerstört wurde, sind wir dort, wo wir begonnen haben: zwei Bevölkerungen bewohnen ein Stück Land. Und wenn das Land nicht geteilt werden kann, dann muss es gemeinsam gleichmäßig und gleichwertig untereinander geteilt werden.

Ich bin mir im klaren darüber, dies ist eine Position, die Amerikaner überraschen wird. Nachdem man jahrelang eine Zweistaatenlösung verfolgt hat und das Gefühl hatte, dass der Konflikt beinahe gelöst worden sei, ist es schwierig, die Idee als undurchführbar aufzugeben.

Aber sie ist undurchführbar. Ein vom UN-Büro veröffentlichter Bericht für die Koordination für humanitäre Angelegenheiten fand heraus, dass 40 % der Westbank nun von der israelischen Infrastruktur wie Straßen, Siedlungen, Militärbasen, usw. für die Palästinenser nicht zugänglich, übernommen wurden. Israel hat systematisch die Reste des verbliebenen Territoriums in Dutzende von Enklaven auseinander gebrochen und von der Außenwelt durch Zonen abgeschnitten, die es allein kontrolliert ( einschließlich 612 Kontrollpunkten und Straßensperren).

Nach dem Bericht nähert sich außerdem die jüdische Siedlerbevölkerung einer halben Million und wächst weiter. Ja seine Wachstumsrate ist drei mal größer als die der israelischen Bevölkerung. Wenn das so weitergeht, dann wird sich die Siedlerbevölkerung in nur 12 Jahren verdoppeln auf 1 Million. Viele sind schwer bewaffnet und ideologisch motiviert. Es ist unwahrscheinlich, dass sie freiwillig von dem Land weggehen, von dem sie behaupten, dass Gott es ihnen gegeben hat.

Allein diese Fakten machen den Status des Friedensprozesses zu einer rein akademischen Frage.

Zu keiner Zeit hat Israel, seit die Verhandlungen in den frühen 90er-Jahren begannen, den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten suspendiert – und damit das Völkerrecht schwer verletzt. Kurz vor dem Gipfel in Annapolis (USA) im vergangenen November (2007) wurde weitere Enteignung von palästinensischen Besitz in der Westbank angekündigt; dann folgte die Ankündigung, dass die Har Homa-Siedlung um weitere Wohneinheiten erweitert werden soll. Und es hat Pläne für Hunderte andere in anderen Siedlungen angekündigt.

Die Israelis siedeln nicht in den besetzten Gebieten, weil sie den Raum für sich brauchen. Sie besiedeln das Land, weil nach ihrem seit langem bestehenden Glauben dieses Land ihnen gehört, nur weil sie Juden sind. „Das Land Israel gehört der Nation von Israel – und nur der Nation Israel,“ erklärt Moledet, eine der Parteien im national-religiösen Block, die eine starke Vertretung im israelischen Parlament hat.

Moledets Position ist nicht weit entfernt von dem des Ministerpräsidenten Ehud Olmert, wie einige Israelis behaupten. Obgleich Olmert sagt, er glaube theoretisch, dass Israel die Teile der Westbank und des Gazastreifens aufgeben soll, die dicht von Palästinensern bewohnt seien. Er sagte allerdings 2006 auch, dass jeder Hügel in Samaria und jedes Tal in Judäa ein Teil des historischen Heimatlandes“ seien und dass wir an den historischen Rechten des Volkes Israel am ganzen Land Israel festhalten.

Judäa und Samaria: diese alten biblischen Bezeichnungen werden von israelischen Offiziellen noch immer für die Westbank benützt. Nach mehr als zehn Jahren nach dem Oslo-Friedensprozess, von dem angenommen wurde, er führe zu einer Zwei-Staaten-Lösung, zeigen Karten in israelischen Schulbüchern weiter nicht dir „Westbank“ an , sondern „Judäa und Samaria“ – und nicht als besetzte Gebiete, sondern als integralen Teil Israels.

Wie viel Raum gibt es dann noch für Palästinenser bei einer solchen Vision jüdischer Ansprüche auf Land ? Keinen. Sie werden bestenfalls als demographisches „Problem“ angesehen.

Der Gedanke an die Palästinenser als ein „Problem“ ist nicht neu. Israel wurde 1948 als jüdischer Staat gegründet und zwar nur dadurch, dass eine vorsätzlich geplante und zwangsweise Vertreibung von so viel einheimischer palästinensischer Bevölkerung wie möglich. Dies wird von Palästinensern die Nakba oder Katastrophe genannt, woran in dieser Woche gedacht wird.

Der israelische Historiker Benny Morris sagt: „Ein jüdischer Staat wäre nicht ohne die Vertreibung von 700 000 Palästinensern …entstanden. Es gab keine andere Wahl, als diese Bevölkerung zu vertreiben.“ Für Morris war dies einer „jener Umstände in der Geschichte, die ethnische Säuberung rechtfertigen.“

An die Palästinenser als ein „Problem“ zu denken, das entfernt werden muss, geht auf die Zeit von vor 1948 zurück. Es war von dem Augenblick an, als die zionistische Bewegung – vom britischen Empire unterstützt – 1917 das Projekt der Schaffung eines jüdischen Staates in einem Land in Gang setzte, das eine überwiegend nicht-jüdische Bevölkerung hatte. Das einzige jüdische Mitglied der britischen Regierung zu jener Zeit, Edwin Montagu war strikt gegen das zionistische Projekt, da es ungerecht sei. Henry King und Charles Crane von Präsident Wilson zu einer Fact-finding-Mission nach Palästina geschickt, pflichteten dem bei: Solch ein Projekt würde enorme Gewaltanwendung erfordern. Sie warnten deshalb: Entscheidungen, die Armeen zur Ausführung benötigen, sind manchmal nötig, aber sie sind sicher überflüssig, wenn sie im Interesse schwerwiegender Ungerechtigkeit gebraucht werden.

Aber sie wurden gebraucht. Dies ist ein Konflikt, der von seinen Anfängen an seinen Antrieb vom exklusiven zionistischen Verständnis der Besitzansprüche auf das Land hatte. Gab es auch palästinensische Gewalt? Ja. Ist sie immer gerechtfertigt? Nein. Aber was würdest du tun, wenn dir jemand erzählen würde, das es für dich auf deinem eigenen Land keinen Platz gebe, dass allein deine Existenz schon ein „Problem“ sei . Kein Volk der Geschichte ging nur deshalb weg, weil ein anderes Volk dies wünschte – und die Gefühle von Crazy Horse und Sitting Bull (Indianer Amerikas) leben weiter unter den Palästinensern bis zum heutigen Tag.

Die Gewalt wird nur dann enden, und ein gerechter Frieden wird nur dann kommen, wenn es beiden Seiten klar ist, dass der andere bleiben wird. Viele Palästinenser haben diese Prämisse akzeptiert, und eine wachsende Anzahl ist bereit, die Idee eines unabhängigen palästinensischen Staates aufzugeben und das Konzept eines einzigen, demokratischen, säkularen und multikulturellen Staates anzunehmen, den sie mit israelischen Juden gleichmäßig teilen .

Die meisten Israelis haben sich noch nicht mit dieser Position einverstanden erklärt. Zweifellos zögern einige, die Idee eines „jüdischen Staates“ aufzugeben und die Realität anzuerkennen, dass Israel nie exklusiv jüdisch war und dass von Anfang an, die Idee, dass Mitglieder der einen Gruppe privilegierter als die der anderen Gruppe seien, grundsätzlich undemokratisch und unfair ist.

Doch genau das ist es, was Israel tut. Sogar unter seinen eigenen Bürgern gewähren israelische Gesetze gegenüber den Juden Rechte, die sie Nicht-Juden gegenüber verweigern. Beim besten Willen ist Israel keine echte Demokratie: es ist ein ethno-religiöser exklusiver Staat, der versucht, die multikulturelle Geschichte des Landes, auf dem er gegründet wurde, zu verachten.

Um den Konflikt mit den Palästinensern zu lösen, müssen die israelischen Juden auf ihre exklusiven Privilegien verzichten und das Rückkehrrecht der aus ihren Häusern vertriebenen Palästinensern anerkennen. Was sie dafür bekommen, wäre die Möglichkeit, sicher zu leben und mit den Palästinensern zusammen zu gedeihen – statt sie weiter zu bekämpfen.

Sie haben keine andere Alternative. Wie Olmert selbst vor kurzem warnte, immer mehr Palästinenser geben ihrem Kampf eine andere Richtung, von einem Kampf für einen unabhängigen Staat zu einem Kampf nach dem Vorbild Südafrikas, der gleiche Rechte für alle seine Bürger fordert, unabhängig von der Religion, in einem einzigen Staat. „Das ist natürlich ein viel sauberer Kampf, ein viel populärerer Kampf – und letzten Endes auch einer mit mehr Überzeugung und mit mehr Durchschlagskraft.

Ich kann dem nur zustimmen.

Übersetzt von: Ellen Rohlfs