Reaktion auf die ZiB2 vom 12.2.2024

Sehr geehrter Herr Wolf,

ich bin ein Freund ihrer präzisen und hartnäckigen Interview-Führung. Aber in der gestrigen ZiB2 haben sie sich ohne nachzuhacken von Herrn Shalicar ohne Widerrede dreist belügen lassen. Er sagte nämlich zweimal "Israel habe den Palästinensern immer ein Halbe:Halbe angeboten", was von diesen aber abgelehnt worden sei. Eine der gängigen Geschichtsmythen aus der zionistischen Propagandaküche.

Einige historisch gut belegte Fakten dazu:

1. Schon Herzl wollte in Palästina einen Wall der europäischen Zivilisation gegen die Barbarei der Orientalen errichten. Dazu sollte den Arabern im kommenden Staat Israel Arbeitsplätze verweigert und sie von der Weltöffentlichkeit "unbemerkt über die Grenze gebracht werden".

2. Die Rechtszionisten um Zeev Jabotinsky ("Revisionisten" weil sie den Mandatsvertrag des Völkerbundes mit den Briten ablehnten) beanspruchten gar, ein von Gott an Abraham versprochenes Groß-Palästina zwischen dem Euphrat im Osten und dem "Bach Ägyptens" (wahrscheinlich der Wadi von El Arish) im Südwesten. Der Likud, Begin, Shamir und Netanjahu stehen in deren ideologischer Traditionslinie.

3. Die Linkszionisten unter Ben Gurion reduzierten ihren ethnonationalistischen Anspruch dann auf Palästina zwischen Mittelmeer und Jordan. Mehrfach - zum ersten mal schon vor dem 2. WK - treffend ausgedrückt von Ben Gurion: "Es geht nicht um einen jüdischen Staat in Palästina, sondern um Palästina als jüdischen Staat!" Ein Leitmotiv, das die Politik Israels - ob links- oder rechtszionistisch geprägt - ebenso clever wie konsequent und brutal bis heute umsetzt.

4. Nach den monströsen Verbrechen der Nationalsozialisten an den europäischen Juden, kam es dann am 29. Nov. 1947 durch das Zusammenwirken mehrere Motivstränge zum Palästina-Teilungsbeschluss der UNO. Die wesentlichen Motivstränge waren:  Schlechtes Gewissen und latenter Judenhass bei etlichen europäischen UN-Mitgliedsstaaten (sie wollten damit "ihre Juden" loswerden); geschicktes und starkes Lobbying der gut organisierten Zionisten bei den Siegermächten und bei den UN; ein von der starken jüdischen-zionistischen Lobby ideologisch unterstütztes geostrategisches Interesse der USA einen Fuß im ölreichen Maschrek zu haben).

5. Wie wurde Palästina 1947 geteilt? Damals lebten ca. 1,2 Mio. Araber und ca. 0,6 Mio. Juden im Land. Die 600.000 Juden hatten ca. 7 % des Landes in ihrem Eigentum. Der UN-Beschluss sprach dem jüdischen Drittelteil der Bevölkerung aber 56% und der arabischen Zweidrittelmehrheitsbevölkerung 44% des Landes zu. Es ist emotional verständlich, dass sich die PalästinenserInnen und die arabischen Nachbarstaaten damit nicht abfinden wollten (zumal sie einige Jahrzehnte lang erlebt hatten, dass unmittelbar nach den legalen, käuflichen Erwerb von Agrarflächen durch die Zionisten, die arabischen Pächter und Kleinbauern vertrieben worden waren und sie sich ausrechnen konnten, was dann nach der Staatsgründung vor sich gehen würde und dann in der Nakba auch tatsächlich umgesetzt wurde. Ben Gurion war schlau. An seinen Sohn schrieb er, man nehme jetzt einmal was man bekomme. Aber von hier aus gehe es weiter, "das muss kommen und wird kommen".

6. Im 1. Arabisch-Israelischen Krieg 1948/49 eroberte Israel - mit ermöglicht durch einen Verrat des jordanischen Königs Abdullah - genau die Hälfte (= 22%) des von der UN vorgesehenen Palästinenserstaates dazu (die sogenannte "Grüne Linie"der Waffenstillstandsverträge von 1949).

7. Im sechstägigen israelischen Angriffskrieg vom Juni 1967 eroberte Israel schließlich den Rest des Palästinas und unterwarf diese Gebiete einer harten Besatzung und kolonialistischen Besiedelung.

8. Arafat/Fatah/PLO sprangen dann um 1990 über ihren Schatten und waren bereit einen souveränen Staat Palästina auf den 22% des Restpalästinas zu errichten. Aber nicht einmal während des Oslo-Verhandlungsprozesses war Israel bereit den Siedlungsbau einzustellen. Der palästinensisch-us-amerikanische Journalist Michel Terrazzi kommentierte dazu: Was soll das? Wir verhandeln da um ein Stück Pizza und während wir verhandeln, esst ihr die Pizza auf! Hilde Henriksen Waage, eine norwegische Historikerin, hat die Oslo-Verhandlungen genau analysiert und kam zum Schluß, dass sie vom extremen Machtungleichgewicht der beiden Vetrhandlungsparteien geprägt waren und die Vermittlungsbemühungen  der norwegischen Regierung daher scheitern mussten.

9. Das großzügige,von der gesamten Arabischen Liga unterstützte saudische Verhandlungsangebot von 2002 wurde von Israel ebenso vollig ignoriert, wie die Genfer Initiative von 2003. Mehrere Angebote der Hamas für einen sehr langfristigen Waffenstillstand und selbst die im Art. 20 der überarbeiteten Hamas-Charta vom April 2017 enthaltene Möglichkeit einer palästinensischen Staatsgründung innerhalb der Grenzen vor dem Sechstage-Krieg 1967 wurden von Israel nicht aufgegriffen.

10. Shalicars großzügiges Halbe:Halbe? Dass ich nicht lache!

Einen Frieden in Palästina wird es nur geben, wenn Israel seinen brutalen Würgegriff vom Hals des palästinensischen Volkes nimmt.

Und der ORF soll aufpassen, in seiner politischen Berichterstattung nicht zu einem Propagandainstrument der Politik Israels zu werden!

Mit besten Grüßen,
Franz Sölkner (Historiker, Theologe, Friedens- und seit etlichen Jahren auch Palästina-Solidaritätsaktivist)